10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Leiharbeit - Tätigkeitsnachweise - vertragliche Verpflichtung - mehrere Arbeitsverhältnisse - Bestimmung des Leistungszwecks
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.01.2025 – 12 Sa 102/24
Bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verpflichtung, die geleistete Arbeit zu dokumentieren oder dokumentieren zu lassen, handelt es sich um einen Teil der angewiesenen Arbeitsleistung, die wegen des Charakters der Arbeitspflicht als Fixschuld mit Zeitablauf untergehen und die deshalb nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeklagt werden kann.
II.
Ausschluss aus Verein
OLG Hamm, Beschluss vom 06.01.2025 – I-8 W 36/24
1. Der Ausschluss eines Mitglieds aus einem Verein kann mit Hilfe der Feststellungsklage gerichtlich überprüft werden. Der Kläger kann die Feststellung begehren, dass der Ausschließungsbeschluss unwirksam ist. Alternativ kann er die Feststellung beantragen, dass er noch Mitglied des Vereins ist.
2. Eine satzungsmäßige Einspruchsmöglichkeit steht der Klage gegen den Ausschluss nicht entgegen, wenn der Verein die Entscheidung des Rechtsmittelorgans böswillig verhindert oder ungebührlich verzögert. Eine Verzögerung von zehn Monaten ist in der Regel ungebührlich.
3. Die dem gesamtvertretungsberechtigten Vorstand zugewiesene Ausschlussentscheidung ist von dem Vorstand nicht nur in vertretungsberechtigter Zahl zu treffen, sondern von ihm auch dem Mitglied gegenüber in dieser Form abzugeben.
4. Eine von anderen Vorstandsmitgliedern einem gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied erteilte Generalvollmacht zur Vertretung des Vereins ist unwirksam, soweit sie eine satzungsmäßige Vertretungsregelung unterlaufen würde.
5. Auch ohne ausdrückliche satzungsmäßige Anordnung hat der Verein vor der Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds das Gebot rechtlichen Gehörs (audiatur et altera pars) zu beachten.
6. Ist in der Satzung die vereinsinterne Überprüfung der Ausschlussentscheidung im Wege des Einspruchs vorgesehen, so hat das dafür zuständige Organ seiner Entscheidung grundsätzlich die der Ausgangsentscheidung zugrundeliegenden Tatsachen zugrunde zu legen. Neue Tatsachen kann es jedenfalls nicht berücksichtigen, ohne dem Mitglied Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (rechtliches Gehör).
III.
Ansprüche aus Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag
BGH, Urteil vom 16.01.2025 – IX ZR 91/24
Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von im Rahmen eines Bestattungsvorsorge - Treuhandvertrags verwahrter Gelder sind grundsätzlich pfändbar und gehören zur Insolvenzmasse. Sie stehen weder nur bedingt pfändbaren Bezügen noch Ansprüchen aus Lebensversicherungen gleich, die nur auf den Todesfall abgeschlossen sind und deren Versicherungssumme 5.400 € nicht übersteigt.
IV.
Interesse an Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses
BGH, Urteil vom 10.12.2024 – II ZR 37/23
a)Bei einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung nach dem bis zum 31. Dezember 2023 für Personengesellschaften geltenden Beschlussmängelrecht besteht weder auf Aktiv- noch auf Passivseite eine notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter (Bestätigung von BGH, Urteil vom 3. Oktober 1957 - II ZR 150/56 , WM 1957, 1406; Urteil vom 15. Juni 1959 - II ZR 44/58 , BGHZ 30, 195 ; Urteil vom 7. April 2008 - II ZR 181/04 ,ZIP 2008, 1276; Urteil vom 25. Oktober 2010 - II ZR 115/09 ,ZIP 2010, 2444).
b)Das berechtigte Interesse eines Gesellschafters einer Personengesellschaft an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses nach § 256 Abs. 1 ZPO besteht grundsätzlich gegenüber jedem einzelnen Mitgesellschafter, der hinsichtlich der Beschlusslage eine andere Auffassung vertritt als der klagende Gesellschafter (Fortführung von BGH, Urteil vom 5. März 2007 - II ZR 282/05, NJW-RR 2007, 757). Dieses Feststellungsinteresse ist grundsätzlich auch dann gegeben, wenn der Gesellschafter mit der Feststellungsklage nur einen Teil der ihm widersprechenden Mitgesellschafter in Anspruch nimmt.
V.
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio sind keine außergewöhnlichen Belastungen
BFH, Urteil vom 21.11.2024 – VI R 1/23
1. Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio erwachsen dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig und sind daher nicht nach § 33 des Einkommensteuergesetzes als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
2. Dies gilt auch dann, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt.
VI.
Änderung der Gewinnermittlungsart
BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 1/23
1. Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der in § 4 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannten Voraussetzungen in Betracht.
2. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht. Der Abschluss ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht.
3. Der Steuerpflichtige bleibt für den betreffenden Gewinnermittlungszeitraum an die einmal getroffene Wahl gebunden, es sei denn, er legt eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund für den Wechsel dar.
4. § 177 Abs. 1 der Abgabenordnung enthält keine selbständige Rechtfertigung, die getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart zu ändern.
VII.
Kein Vergütungsanspruch eines GmbH-Geschäftsführers allein aufgrund seiner Organstellung
OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.12.2024 – 26 W 1/24
Allein die Organstellung vermittelt dem Geschäftsführer grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung für die der Gesellschaft erbrachte Tätigkeit.
VIII.
Grundbuchfähigkeit eines Vereines
OLG München, Beschluss vom 10.02.2025 – 34 Wx 328/24 e
Auch nach Inkrafttreten des MoPeG ist der Verein ohne Rechtspersönlichkeit, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, grundbuchfähig.
IX.
Leiharbeit - Tätigkeitsnachweise - vertragliche Verpflichtung - mehrere Arbeitsverhältnisse - Bestimmung des Leistungszwecks
LAG Berlin, Urteil vom 17.01.2025 – 12 Sa 102/24
Bei einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verpflichtung, die geleistete Arbeit zu dokumentieren oder dokumentieren zu lassen, handelt es sich um einen Teil der angewiesenen Arbeitsleistung, die wegen des Charakters der Arbeitspflicht als Fixschuld mit Zeitablauf untergehen und die deshalb nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeklagt werden kann.
X.
Annahme einer unangemessenen Benachteiligung eines Arbeitnehmers durch Kurzarbeitsvereinbarung
LAG Niedersachsen, Urteil vom 04.02.2025 – 10 SLa 470/24
1. Die Einführung von Kurzarbeit bewirkt eine Herabsetzung der arbeitsvertraglich geschuldeten und betriebsüblichen Arbeitszeit, mit der eine proportionale Verkürzung der vertraglich geschuldeten Arbeitsvergütung einhergeht. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird für die Dauer der Kurzarbeit ganz oder teilweise suspendiert. Diese vergütungsrechtliche Folge der Einführung von Kurzarbeit stellt sich jedenfalls dann als Abweichung von § 611a BGB dar, wenn die Verminderung des Entgeltanspruchs unabhängig von der Bewilligung von Kurzarbeitergeld eintreten soll.
2. Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion des Arbeitsentgelts geht es zu weit, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, die Arbeitszeit ohne Einhaltung einer Ankündigungsfrist "wöchentlich anzupassen" sowie die Kurzarbeit "sofort" abzubrechen und den Arbeitnehmer "jederzeit zur Wiederaufnahme der vollen Tätigkeit zurückrufen" zu können.
3. Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Einführung von Kurzarbeit haben deren voraussichtliches Enddatum zu benennen.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll.
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