Bundesarbeitsgericht zu „Andere Abmachung“ nach Ablauf des Tarifvertrages
(Stuttgart) Das Bundesarbeitsgericht hatte am 20.05.2009 über eine sog. „Andere Abmachung“ nach Ablauf eines Tarifvertrages zu entscheiden.
Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Mai 2009 – Az. : 4 AZR 230/08 -
Nach Ablauf eines Tarifvertrages gelten dessen Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG). Über diesen Gesetzeswortlaut hinaus kann eine „andere Abmachung“ in Form einer einzelvertraglichen Vereinbarung, welche die bisherigen Bedingungen aus dem abgelaufenen Tarifvertrag ohne Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip verschlechtern kann, im Einzelfall auch schon vor Ablauf des Tarifvertrages getroffen werden. Sie löst die tariflichen Bestimmungen aber nur dann ab, wenn sie konkret und zeitnah vor dem bevorstehenden Ablauf des Tarifvertrages die sich dann aufgrund der Nachwirkung ergebende Situation regelt.
In dem am 20.05.2009 vom Vierten Senat des BAG entschiedenen Fall, so Henn, machte eine gewerkschaftlich organisierte Klägerin u.a. Rechte aus einem Manteltarifvertrag (MTV) geltend, der im Juli 2003 auf unbestimmte Zeit mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartal abgeschlossen worden war. Die beklagte Arbeitgeberin war langjährig Vollmitglied eines am Tarifabschluss beteiligten Arbeitgeberverbandes, wechselte dort aber zum 1. November 2004 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). Am 1. März 2005 vereinbarten die Parteien eine Änderung ihres Arbeitsvertrages zum 1. April 2005 u.a. mit einer Verlängerung der im MTV vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich und einer Verkürzung des dort festgelegten tariflichen Mindesturlaubs um zwei Tage. Der MTV wurde dann Ende Oktober 2005 zum 31. März 2006 gekündigt. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Bezahlung der über die tarifliche Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden zwischen Januar und Juni 2006 sowie die Nachgewährung der zwei Tage Jahresurlaub 2006.
Die Klage hatte im hier behandelten Teil Erfolg, betont Henn.
Bis zum 31. März 2006 galt der Manteltarifvertrag für die Parteien noch kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit zwingend. Seine Festlegungen konnten durch Vertrag nicht verschlechtert werden. Danach wirkte er zwar nur noch nach, war also durch eine „andere Abmachung“ auch zu Lasten der Klägerin abänderbar. Die Vereinbarung vom 1. März 2005 war indes keine solche andere Abmachung. Sie war nicht für eine bevorstehende Nachwirkungsphase getroffen worden, sondern sollte die Rechtslage sofort - während noch laufenden Tarifvertrages - ändern und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem noch gar nicht absehbar war, ob und wann es zu einer Nachwirkung des MTV kommen würde.
Den wegen weiterer Klageforderungen entscheidungserheblichen Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft hat der Senat trotz sehr allgemein gehaltener Regelungen zur Trennung der Befugnisse von OT- und Vollmitgliedern als wirksam angesehen. In einem solchen Fall kann es zwar möglicherweise neben dem Satzungswortlaut zur Feststellung des erforderlichen Gleichlaufs von Verantwortlichkeit und Betroffenheit auch auf eine davon etwa abweichende Praxis des Vereinslebens ankommen. Da hierfür keine Anhaltspunkte dargelegt waren, musste der Senat dem nicht weiter nachgehen.
Henn empfahl, das Urteil zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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Michael Henn
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