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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Beschluss vom 13.11.2024 – 5 Ta 69 a/24
Schlagworte/Normen:
§ 51 Abs 1 ArbGG, § 141 ZPO, § 380 ZPO, § 381 ZPO
Leitsatz:
1. Auch im Gütetermin des arbeitsgerichtlichen Verfahrens kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegen die zum Termin nicht persönlich erschienene, aber vertretene Partei ein Ordnungsgeld festgesetzt werden.
2. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten an seine Partei, sie müsse trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht den Termin nicht wahrnehmen, entschuldigt das Fernbleiben der Partei nicht (im Anschluss an LAG Köln v. 14.11.1994 - 5 (4) Ta 159/94).
3. Die Ausübung des Ermessens bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes kann auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Höhe des festgesetzten Betrags nur die Hälfte des üblicherweise festgesetzten Betrags beträgt.
Siehe:
https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/NJRE001593112
II.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.11.2024, Az.: 10 Sa 817/23
Schlagworte/Normen:
Anhörung des Betriebsrats vor der beabsichtigten Kündigung in der gesetzlichen Wartezeit; Ausrichtung der Substantiierungspflicht bei einer Kündigung in der Wartezeit
Leitsatz:
1. Auch in der gesetzlichen Wartezeit ist der Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung zu hören.
2. Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht allerdings nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet.
3. Der Betriebsrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann.
Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/9a56b6db-5b33-4a88-a4a2-7790e469e432
III.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 5. Dezember 2024 – 8 AZR 370/20
Schlagworte/Normen:
Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen
Volltext PE:
Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandelt teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Sie verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter (§ 4 Abs. 1 TzBfG), wenn die in ihr liegende Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Fehlen solche sachlichen Gründe, liegt regelmäßig zugleich eine gegen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 AGG) verstoßende mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind.
Der Beklagte ist ein ambulanter Dialyseanbieter mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. Die Klägerin ist bei ihm als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40 vH eines Vollzeitbeschäftigten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft ver.di geschlossene Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung. Nach § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV sind mit einem Zuschlag von 30 vH zuschlagspflichtig Überstunden, die über die monatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vorgesehen. Das Arbeitszeitkonto der Klägerin wies Ende März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus. Der Beklagte hat der Klägerin für diese Zeiten in Anwendung von § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV weder Überstundenzuschläge gezahlt, noch im Arbeitszeitkonto eine Zeitgutschrift vorgenommen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin verlangt, ihrem Arbeitszeitkonto als Überstundenzuschläge weitere 38 Stunden und 39 Minuten gutzuschreiben und die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines Vierteljahresverdienstes begehrt. Die Anwendung von § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV benachteilige sie wegen ihrer Teilzeit unzulässig gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten. Zugleich werde sie wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteiligt, denn der Beklagte beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift zuerkannt und hinsichtlich der begehrten Entschädigung die Klageabweisung bestätigt. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2021 (- 8 AZR 370/20 (A) – BAGE 176, 117) hatte der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 29. Juli 2024 (- C-184/22 und C-185/22 [KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation eV]) getan.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Senat hat der Klägerin die verlangte Zeitgutschrift – in Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht – zugesprochen und ihr darüber hinaus eine Entschädigung iHv. 250,00 Euro zuerkannt. Auf der Grundlage der Vorgaben des EuGH hatte der Senat davon auszugehen, dass § 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam ist, als er bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung konnte der Senat nicht erkennen. Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben war ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen. Durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die dem persönlichen Anwendungsbereich des MTV unterfallen, sind zu mehr als 90 vH Frauen vertreten. Als Entschädigung war ein Betrag iHv. 250,00 Euro festzusetzen. Dieser ist erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/diskriminierung-von-teilzeitbeschaeftigten-bei-ueberstundenzuschlaegen/
IV.
Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss v. 20.11.2024, Az.: 12 Ta 242/24
Schlagworte/Normen:
§ 33 RVG, § 9 BetrVG, § 23 Abs 3 S 2 RVG
Leitsatz:
Der Streit um die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs stellt eine nichtvermögensrechtliche Streitgkeit dar, deren Wert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bemessen ist. Eine Berücksichtigung der Staffelstufen nach § 9 BetrVG hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Beschäftigten ist nicht sachgerecht.
Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG bzgl. eines Streits über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, der eine Betriebsvereinbarung zum Gegenstand hat, sind entsprechend den Empfehlungen des Streitwertkatalogs unter II.5. regelmäßig zwei Ausgangswerte in Ansatz zu bringen sind. Lediglich wenn ganz besondere Umstände vorliegen, die eine Erhöhung oder eine Reduzierung des Gegenstandswerts gebieten, sollte von der Bemessung mit zwei Ausgangswerten abgewichen werden.
Neben diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis muss eine Abweichung von der Bemessung mit zwei Ausgangswerten zusätzlich in einem angemessenen Verhältnis zu der Bewertung der Ausgangslage, also zu einer Bemessung mit zwei Ausgangswerten stehen. Hieraus folgt, dass eine Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit bezüglich eines Streits über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs, die drei Ausgangswerte übersteigt, regelmäßig überhöht sein könnte.
Siehe:
https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE240001450
V.
Verwaltungsgericht Aachen
Beschluss vom 16. Dezember 2024 – 1 L 884/24
Schlagworte/Normen:
Cannabiskonsum rechtfertigt Entlassung eines Polizeikommissars aus dem Beamtenverhältnis auf Probe
Volltext PE:
Das hat das Verwaltungsgericht Aachen mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden und damit den Eilantrag eines Polizeikommissars gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe abgelehnt. Dem Polizeikommissar war von der zuständigen Kreispolizeibehörde Heinsberg vorgeworfen worden, im Mai 2024 unter dem Einfluss von Cannabis mit seinem Pkw zum abendlichen Dienst angetreten zu sein. Weitere Ermittlungen hätten zudem ergeben, dass er bereits vor der Teillegalisierung Cannabis konsumiert und damit gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Entlassungsverfügung als rechtmäßig bestätigt und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Es ist allen Bediensteten und Beschäftigten der Polizei untersagt, unter dem Einfluss von berauschenden Mitteln den Dienst anzutreten. Das gilt in besonderem Maße für Polizeivollzugsbeamte, die im Dienst Waffen und Dienstfahrzeuge führen. Gegen dieses Nüchternheitsgebot hat der Polizeikommissar verstoßen und überdies Bußgeldvorschriften des Straßenverkehrsgesetzes verletzt. Das Verhalten des Beamten ist mit dem Berufsbild eines Polizeikommissars nicht vereinbar und begründet durchgreifende Zweifel an seiner charakterlichen Eignung. Es besteht zudem die Gefahr des Vertrauensverlustes der Allgemeinheit in die rechtmäßige Aufgabenausführung der Polizei. Die Annahme der Kreispolizeibehörde, dass der Polizeikommissar sich in der Probezeit nicht bewährt hat und deswegen entlassen werden kann, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden
Gegen den Beschluss kann der Antragsteller Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.
Siehe:
https://www.justiz.nrw/JM/Presse/presse_weitere/PresseOVG/07_241216/index.php
VI.
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
Urteil vom 19. Dezember 2024 in der Rechtssache C-531/23 | [Loredas]
Schlagworte/Normen:
Arbeitszeitgestaltung: Arbeitgeber von Hausangestellten müssen ein System einrichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit von Hausangestellten gemessen werden kann
Volltext PE:
Eine vollzeitbeschäftigte Hausangestellte hat vor den spanischen Gerichten ihre Entlassung angefochten. Da ihre Entlassung für ungerechtfertigt erklärt wurde, wurden ihre Arbeitgeber verurteilt, ihr bestimmte Beträge für nicht genommene Urlaubstage und Sonderzahlungen zu zahlen. Dagegen war das spanische Gericht der Ansicht, dass die Arbeitnehmerin weder die geleisteten Arbeitsstunden noch den von ihr geforderten Lohn nachgewiesen habe. Die Arbeitnehmerin könne sich nämlich nicht allein darauf berufen, dass ihre Arbeitgeber keine täglichen Aufzeichnungen über die von ihr geleistete Arbeitszeit vorgelegt hätten, denn die spanische Regelung befreie bestimmte Arbeitgeber, darunter Haushalte, von der Verpflichtung, die von ihren Angestellten tatsächlich geleistete Arbeitszeit aufzuzeichnen.
Das mit der Klage der Arbeitnehmerin gegen diese Entscheidung befasste spanische Gericht hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht. Es hat daher den Gerichtshof hierzu befragt.
Der Gerichtshof weist darauf hin, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.12.2024 zu dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-531/23 | [Loredas], dass er im Urteil CCOO die damals geltende spanische Regelung und deren Auslegung durch die nationalen Gerichte, wonach die Arbeitgeber nicht verpflichtet waren, ein System einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, für mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung unvereinbar erklärt hat.
Im Anschluss an dieses Urteil hat der spanische Gesetzgeber den Arbeitgebern die Verpflichtung auferlegt, ein solches System einzurichten.
Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass alle Träger öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten einschließlich der Gerichte verpflichtet sind, zur Erreichung des in den Richtlinien vorgesehenen Ziels beizutragen. Die richterliche Auslegung einer nationalen Bestimmung oder eine Verwaltungspraxis, nach denen die Arbeitgeber, was Hausangestellte angeht, von der Verpflichtung zur Einführung eines solchen System befreit sind, verstößt offensichtlich gegen die Richtlinie. Den Hausangestellten wird dadurch nämlich die Möglichkeit vorenthalten, objektiv und zuverlässig festzustellen, wie viele Arbeitsstunden sie geleistet haben und wann diese Stunden geleistet wurden.
Dagegen können Besonderheiten aufgrund des betreffenden Tätigkeitsbereichs oder der Eigenheiten bestimmter Arbeitgeber, wie ihrer Größe, vorgesehen werden, sofern die wöchentliche Höchstarbeitszeit tatsächlich gewährleistet ist. Aufgrund der Besonderheiten des Hausarbeitssektors können somit Ausnahmen für Überstunden und Teilzeitarbeit vorgesehen werden, sofern diese die in Rede stehende Regelung nicht ihres Wesensgehalts berauben, was das spanische Gericht zu prüfen hat.
Da es sich bei Hausangestellten um eine Gruppe von Arbeitnehmern mit eindeutig überwiegendem Frauenanteil handelt, ist nicht ausgeschlossen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handelt, es sei denn, diese Situation ist objektiv gerechtfertigt, was das spanische Gericht ebenfalls zu prüfen hat.
Siehe:
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2024-12/cp240206de.pdf
VII.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 26.11.2024 – 6 SLa 101/24
Schlagworte/Normen:
§ 102 Abs 1 BetrVG, Art 12 GG, § 1 Abs 2 KSchG, § 2 KSchG, § 32 Abs 2 S 1 NotSanG, § 22 Abs 3 Nr 1 RettDG RP, § 22 Abs 4 RettDG RP
Leitsatz:
Personenbedingte Änderungskündigung eines Rettungsassistenten nach Einführung des Berufsbildes eines Notfallsanitäters
Siehe:
https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001596047
VIII.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 14.11.2024 – 14 Ta 252/24
Schlagworte/Normen:
Rechtsweg, Fußballtrainer, Arbeitsverhältnis
Leitsatz:
Die Eigenart der Tätigkeit als Fußballtrainer spricht nicht allein für einen hohen Grad persönlicher Abhängigkeit. Eine solche Tätigkeit lässt sich sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch eines freien Dienstverhältnisses verrichten. Der Umstand, dass ein Fußballtrainer üblicherweise in zeitlicher Hinsicht an die Trainings- und Spielzeiten der Mannschaft sowie in örtlicher Hinsicht an die von dem Verein genutzte Sportstätte gebunden ist, lässt allein nicht auf ein Arbeitsverhältnis schließen.
Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2024/14_Ta_252_24_Beschluss_20241114.html
IX.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 22.11.2024 – 8 Ta 214/24
Schlagworte/Normen:
Konkurrentenklage, Schadensersatzanspruch, objektive Klagehäufung, kostenrechtlicher Streitgegenstandsbegriff, Identität des wirtschaftlichen Interesses
Leitsatz:
Ist im Rahmen einer Konkurrentenklage zugleich über einen hilfsweise formulierten Feststellungsantrag zu entscheiden, der auf den umfassenden Ersatz gegenwärtigen und künftigen Schadens bei anderweitiger Besetzung der Stelle oder dem Abbruch des Verfahrens gerichtet ist, so besteht zwischen den Klagebegehren auch nach Maßgabe des kostenrechtlichen Streitgegenstandsbegriffs keine Identität des wirtschaftlichen Interesses.
Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2024/8_Ta_214_24_Beschluss_20241122.html
X.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.2024, Az.: 12 SLa 478/24
Schlagworte/Normen:
Begünstigung; Betriebsratsmitglied; Betriebsratsvergütung Begünstigung; Betriebsübliche Entwicklung; Bestimmung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds
Leitsatz:
Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG, wenn er gegenüber dem Betriebsratsmitglied geltend macht, eine in der Vergangenheit zugesagte und gezahlte Vergütung begünstige ihn unzulässig. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall einen Sachverhalt darlegen, der den Schluss auf einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot ermöglicht (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 1. Juli 2024 1 Sa 636/23 , juris)
Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/61676c3f-67c5-4c59-bf75-e4863fa5c433
XI.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 15. Januar 2025 – 5 AZR 284/24
Schlagworte/Normen:
Erschütterung des Beweiswerts einer im Nicht-EU-Ausland erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Volltext PE:
Der Beweiswert einer im Nicht-EU-Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert sein, wenn nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des zu würdigenden Einzelfalls Umstände vorliegen, die zwar für sich betrachtet unverfänglich sein mögen, in der Gesamtschau aber ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Bescheinigung begründen. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei einer in Deutschland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Der Kläger ist seit 2002 als Lagerarbeiter bei der Beklagten mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.612,94 Euro beschäftigt. In den Jahren 2017, 2019 und 2020 legte er der Beklagten im direkten zeitlichen Zusammenhang mit seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Vom 22. August bis zum 9. September 2022 hatte der Kläger Urlaub, den er in Tunesien verbrachte. Mit E-Mail vom 7. September 2022 teilte er der Beklagten mit, er sei bis zum 30. September 2022 krankgeschrieben. Beigefügt war ein Attest vom 7. September 2022 eines tunesischen Arztes, der in französischer Sprache bescheinigte, dass er den Kläger untersucht habe, dieser an „schweren Ischialbeschwerden” im engen Lendenwirbelsäulenkanal leide, der Kläger 24 Tage strenge häusliche Ruhe bis zum 30. September 2022 benötige und er sich während dieser Zeit nicht bewegen oder reisen dürfe. Einen Tag nach dem Arztbesuch buchte der Kläger am 8. September 2022 ein Fährticket für den 29. September 2022 und reiste an diesem Tag mit seinem PKW zunächst mit der Fähre von Tunis nach Genua und dann weiter nach Deutschland zurück. Danach legte er der Beklagten eine Erstbescheinigung eines deutschen Arztes vom 4. Oktober 2022 vor, in der Arbeitsunfähigkeit bis zum 8. Oktober 2022 bescheinigt wurde. Nachdem die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, dass es sich ihrer Auffassung nach bei dem Attest vom 7. September 2022 nicht um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung handele, legte der Kläger eine erläuternde Bescheinigung des tunesischen Arztes vom 17. Oktober 2022 vor, in welcher der Arzt bescheinigte, den Kläger am 7. September 2022 untersucht zu haben. Weiter heißt es: „Er hatte eine beidseitige Lumboischialgie, die eine Ruhepause mit Arbeitsunfähigkeit und Reiseverbot für 24 Tage vom 07/09/2022 bis zum 30/09/2022 erforderlich machte.“ Die Beklagte lehnte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab und kürzte die Vergütung für September 2022 um 1.583,02 Euro netto. Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt Entgeltfortzahlung für September 2022 in dieser Höhe verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die in einem Land außerhalb der Europäischen Union ausgestellt wurde, grundsätzlich der gleiche Beweiswert wie einer in Deutschland ausgestellten Bescheinigung zukommt, wenn sie erkennen lässt, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat. Das Berufungsgericht hat aber bei der Würdigung der von der Beklagten zur Begründung ihrer Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vorgetragenen tatsächlichen Umstände nur jeden einzelnen Aspekt isoliert betrachtet und die rechtlich gebotene Gesamtwürdigung unterlassen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der tunesische Arzt dem Kläger für 24 Tage Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, ohne eine Wiedervorstellung anzuordnen. Weiter buchte der Kläger bereits einen Tag nach der attestierten Notwendigkeit häuslicher Ruhe und des Verbots, sich bis zum 30. September 2022 zu bewegen und zu reisen, ein Fährticket für den 29. September 2022 und trat an diesem Tag die lange Rückreise nach Deutschland an. Zudem hatte er bereits in den Jahren 2017 bis 2020 dreimal unmittelbar nach seinem Urlaub Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt. Diese Gegebenheiten mögen – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – für sich betrachtet unverfänglich sein. In einer Gesamtschau begründen sie indes ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Das hat zur Folge, dass nunmehr der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG trägt. Da das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – hierzu keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/erschuetterung-des-beweiswerts-einer-im-nicht-eu-ausland-erstellten-arbeitsunfaehigkeitsbescheinigung/
XII.
Bundesgerichtshof
Urteil vom 5. November 2024 - II ZR 35/23, veröffentlicht am 17.01.2025
Schlagworte/Normen:
BGB §§ 622, 626 Abs. 2
Leitsatz:
a) Bei einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund vertraglich vereinbarter wichtiger Gründe gilt die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
b) Auf den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der kein Mehrheitsgesellschafter ist, sind die zum Nachteil des Geschäftsführers grundsätzlich nicht abdingbaren, in § 622 Abs. 1 und 2 BGB geregelten Kündigungsfristen entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch dann, wenn er Geschäftsführer der Komplementärin einer GmbH & Co. KG ist und den Anstellungsvertrag unmittelbar mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 11. Juni 2020 - 2 AZR 374/19, BAGE 171, 44).
Siehe:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=0&nr=140262&anz=1084&pos=4
XIII.
Landesarbeitsgericht Köln
Urt. v. 06.11.2024, Az.: 4 Sa 623/23
Schlagworte/Normen:
Wettbewerb; außerordentliche Kündigung Auflösungsantrag
Leitsatz:
Zum Begriff des Konkurrenzunternehmens!
Siehe:
https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/koeln/lag_koeln/j2024/4_Sa_623_23_Urteil_20241106.html
XIV.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 21. Januar 2025 – 3 AZR 45/24
Schlagworte/Normen:
30-jährige Verjährungsfrist für kapitalisierte Forderungen des Pensions-Sicherungs-Vereins
Volltext PE:
Die Ansprüche und Anwartschaften der Berechtigten gegen den Arbeitgeber, die mit der Insolvenzeröffnung kraft Gesetzes auf den Pensions-Sicherungs-Verein übergehen, sind und bleiben Ansprüche auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung. Da sie mit der Insolvenzeröffnung als Kapitalsumme zur Insolvenztabelle anzumelden sind, haben sie nicht den Charakter wiederkehrender Leistungen. Die Forderungen des Pensions-Sicherungs-Vereins verjähren daher in 30 Jahren, und nicht bereits in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.
Die Parteien streiten über die Verjährung von Forderungen, die der Kläger zur Insolvenztabelle angemeldet hat. Der Kläger ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung (Pensions-Sicherungs-Verein). Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wurde Anfang 2010 eröffnet. Der Kläger meldete zunächst Forderungen iHv. 157.637,56 Euro zur Insolvenztabelle an, welche der Beklagte zur Tabelle feststellte. Nachdem der Senat mit Urteil vom 18. Mai 2021 (- 3 AZR 317/20 -) entschieden hatte, dass bei der Kapitalisierung von Betriebsrentenansprüchen in der Insolvenz der gesetzliche Zinssatz von 4 vH (statt 5,5 vH) zur Abzinsung der Forderungen anzuwenden ist, erstellte der Kläger ein neues versicherungsmathematisches Gutachten und meldete mit Schreiben vom 17. Oktober 2022 einen weiteren Betrag iHv. 24.283,00 Euro zur Tabelle an. Diese Forderung bestritt der Beklagte und erhob die Einrede der Verjährung. Er hat geltend gemacht, die auf den Kläger übergegangenen und nach § 45 InsO kapitalisierten Ansprüche unterlägen der Regelverjährung von drei Jahren. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Senat keinen Erfolg. Die nachgemeldete Forderung des Klägers ist – wie die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben – nicht verjährt. Die kapitalisierten Forderungen des Klägers sind und bleiben – auch nach dem gesetzlichen Übergang von den Berechtigten auf den Kläger – Ansprüche auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung iSd. § 18a Satz 1 BetrAVG*. Es handelt sich wegen der Kapitalisierung nicht um Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die gemäß § 18a Satz 2 BetrAVG der regelmäßigen Verjährungsfrist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs von drei Jahren unterliegen. Das ergibt die Auslegung des § 18a BetrAVG.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/30-jaehrige-verjaehrungsfrist-fuer-kapitalisierte-forderungen-des-pensions-sicherungs-vereins/
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
Gerokstr. 8 70188 Stuttgart
Telefon: (0711) 3058 9320Telefax: (0711) 3058 9311
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