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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 11.10.2024 – 26 Ta (Kost) 6048/24

Schlagworte/Normen:
Die Formulierung "Kosten des Rechtsstreits" in einem gerichtlichen Vergleich erfasst regelmäßig auch die Kosten des Vergleichs (Einigungsgebühr).

Leitsatz:
1. §98 ZPO unterscheidet zwischen den Kosten des Vergleichs einerseits und den Kosten des Rechtsstreits andererseits. Die Kosten "des Rechtsstreits" umfassen nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers weder die Kosten eines gerichtlichen noch die Kosten eines außergerichtlichen Vergleichs.

2. Den Parteien ist es nach § 98 Satz 1 ZPO aber unbenommen, etwas anderes zu vereinbaren und die Vergleichskosten in die Kosten des Rechtsstreits einzubeziehen. In einer solchen abweichenden Kostenregelung müssen die Vergleichskosten auch nicht notwendig besonders angesprochen werden.

3. Es müssen aber hinreichende Anhaltspunkte gegeben sein, dass die Parteien die Kosten des Vergleichs als Kosten des Rechtsstreits behandeln wollen. Das kann bei den Kosten eines gerichtlichen Vergleichs - anders als bei denen eines außergerichtlichen Vergleichs - regelmäßig angenommen werden, weil der Vergleich zu dem eigentlichen Prozessgeschehen gehört, dessen Kosten von den Parteien gewöhnlich als Einheit angesehen werden (vgl. BGH 25. September 2008 - V ZB 66/08, Rn. 15; Stein/Jonas/Muthorst, 23. Aufl. 2016, ZPO § 98 Rn. 9 mwN).

4. Nach allgemeiner Ansicht umfasst eine Regelung in einem gerichtlichen Vergleich über die "Kosten des Rechtsstreits" daher auch die Kosten eines Vergleichs (vgl. Brandenburgisches OLG 19. Januar 2009 - 9 WF 9/09, Rn. 10). Es ist den Parteien unbenommen, dies im Vergleich zudem ausdrücklich klarzustellen.

Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001589495

II.
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.09.2024, Az.: 10 SLa 221/24

Schlagworte/Normen:

Verbot der Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts; Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt für gleichwertige Arbeit; Entgeltgleichheit; Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Gebots der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts

Leitsatz:
1. Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

2. § 3 Abs.1 und § 7 EntgTranspG sind entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unionsrechtskonform auszulegen.

3. Mit dem Begriff der gleichwertigen Arbeit werden verschiedenartige Arbeiten unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren daraufhin verglichen, ob sie von gleichem Wert sind.

4. § 22 AGG ist auch im Rechtsstreit um gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht maßgebend.

5. Eine Partei muss nach den unionsrechtlichen Vorgaben zur Begründung der Kausalitätsvermutung iSv. § 22 AGG nur darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Entgelt zahlt als ihren zum Vergleich herangezogenen Kollegen des anderen Geschlechts und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet. Ist der Partei dies gelungen, reicht dies - auch unter Berücksichtigung des Gebots der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts (effet utile) - aus, um die Vermutung iSv. § 22 AGG zu begründen, dass die Entgeltungleichbehandlung wegen des Geschlechts erfolgt und eine Umkehr der Beweislast herbeizuführen.

Siehe:
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/a6ce5c20-241b-4d62-a076-9b081915b886

III.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 5.11.2024 – 26 Ta (Kost) 6072/24

Schlagworte/Normen:

§ 45 GKG, § 33 RVG

Leitsatz:
1. Wenn das Gesetz in § 45 Abs. 4 GKG von einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich und einer entsprechenden Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG spricht, erfordert dies, dass im Vergleich eine inhaltliche Regelung speziell zu der Frage der Weiterbeschäftigung erfolgt ist.

2. Die bloße Tatsache, dass ein Prozessvergleich abgeschlossen worden ist, der zum Gegenstand hat, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Tag endet und damit der Rechtsstreit erledigt ist, ohne dass explizit etwas bezüglich der Frage der Weiterbeschäftigung geregelt wird, ist nicht ausreichend, um von einer inhaltlichen Regelung im vorstehenden Sinne ausgehen zu können (vgl. Hessisches LAG 21. Juni 2024 – 12 Ta 101/24, Rn. 11; LAG Nürnberg 4. August 2020 – 2 Ta 84/20, Rn. 15; LAG Niedersachsen 24. Januar 2020 - 8 Ta 13/2, Rn. 17; LAG München 16. August 2024 – 3 Ta 62/24, Rn. 30; Sächsisches LAG 18. April 2024 – 1 Ta 26/24, Rn. 18; LAG Hamm 6. Januar 2023 – 8 Ta 254/22, Rn. 15; LAG Baden-Württemberg 30. Dezember 2015 – 5 Ta 71/15, Rn. 25).

Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001591238

IV.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 12. November 2024 – 9 AZR 71/24

Schlagworte/Normen:
Tarifvertragliche Inflationsausgleichsprämie - Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase ihrer Altersteilzeit

Volltext PE:
Der im Tarifvertrag für energie- und wasserwirtschaftliche Unternehmungen geregelte Ausschluss von Arbeitnehmern, die sich in der Passivphase ihrer Altersteilzeit befinden, vom Bezug einer Inflationsausgleichsprämie ist unwirksam.

Der Kläger ist Arbeitnehmer eines Unternehmens der Energiewirtschaft. Er vereinbarte mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten Altersteilzeit im Blockmodell mit Beginn der Passivphase am 1. Mai 2022.

Der Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen e.V. einigte sich mit den Gewerkschaften ver.di und IG BCE anlässlich der Tarifrunde 2023 in dem „Tarifvertrag über eine einmalige Sonderzahlung gemäß § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz“ (TV IAP) auf die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie, die unabhängig vom individuellen Beschäftigungsgrad 3.000,00 Euro beträgt. Es handelt sich nach der Protokollnotiz zum TV IAP um eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise. Von der Zahlung sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP ua. Arbeitnehmer ausgeschlossen, die sich am 31. Mai 2023 in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Inflationsausgleichsprämie iHv. 3.000,00 Euro. Er hat ua. die Auffassung vertreten, der Anspruchsausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit stelle eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen der Teilzeit dar. Die Inflationsausgleichsprämie werde ausschließlich als Leistung zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise gezahlt und verfolge daneben keinen arbeitsleistungsbezogenen Zweck.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Beklagte ist zur Zahlung der streitgegenständlichen Prämie verpflichtet.

Der Ausschluss von Arbeitnehmern in der Passivphase der Altersteilzeit durch § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Danach darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

Eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. In der Bestimmung des Leistungszwecks sind die Tarifvertragsparteien dabei gemäß Art. 9 Abs. 3 GG weitgehend frei. Mit der Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 3 TV IAP haben sie ihre durch § 4 Abs. 1 TzBfG begrenzte Rechtsetzungsbefugnis überschritten. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten lässt sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten. Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen steht der Annahme entgegen, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handelt. Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue sind keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Von einer zukünftigen Betriebstreue haben die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht abhängig gemacht. Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, sind nicht erkennbar.

Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/tarifvertragliche-inflationsausgleichspraemie-ausschluss-von-arbeitnehmern-in-der-passivphase-ihrer-altersteilzeit/

V.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 12. November 2024 – 9 AZR 13/24

Schlagworte/Normen:
Arbeitnehmerüberlassung – Konzernprivileg

Volltext PE:
Überlässt ein Unternehmen, das einem Konzern angehört, einen Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeitsverhältnisses über mehrere Jahre einem anderen Konzernunternehmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zweck der Überlassung erfolgt ist. In diesem Fall kann sich das entleihende Unternehmen nicht auf das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) berufen.

Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kommt nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe unwirksam ist. Diese Rechtsfolge tritt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG bei einer Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen nicht ein, es sei denn, der Arbeitnehmer wird „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“.

Der Kläger war vom 14. Juli 2008 bis zum 30. April 2020 bei der S-GmbH als Sitzefertiger angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtete er auf dem Werksgelände der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie. Die Beklagte und die S-GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Klägers konzernverbundene Unternehmen. Die genauen Umstände, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung erbrachte, sind zwischen den Parteien umstritten.

Der Kläger hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei nach § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er seit Anbeginn seiner Beschäftigung bei der Beklagten unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S-GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmer-überlassung zu qualifizieren.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG für das Eingreifen des Konzernprivilegs bejaht, weil der Kläger nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden sei.

Diese Begründung hielt der revisionsrechtlichen Prüfung durch den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht stand. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist das Konzernprivileg nicht nur dann unanwendbar, wenn Einstellung „und“ Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion „und“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt „oder“ beschäftigt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Eine solche Praxis indiziert einen entsprechenden Beschäftigungszweck.

Der Neunte Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird zunächst die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob eine Arbeitnehmerüberlassung gegeben war und das AÜG anzuwenden ist. Dies hängt davon ab, ob der Kläger tatsächlich in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert war und deren Weisungen unterlag oder allein die S-GmbH gegenüber dem Kläger weisungsbefugt war.

Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/arbeitnehmerueberlassung-konzernprivileg/

VI.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 8.11.2024 – 26 Ta (Kost) 6051/24

Schlagworte/Normen:
§ 33 RVG, § 75a HGB - Voraussetzungen für einen Vergleichsmehrwert bei einer Vereinbarung zu einem vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot und einer Karenzentschädigung

Leitsatz:
1. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts für eine Regelung zum vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot ist auf die wirtschaftliche Bedeutung der Vereinbarung für die Parteien abzustellen. Welche wirtschaftliche Bedeutung die Aufhebung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hat, hängt von der Interessenlage ab.

2. Insoweit kann es darauf ankommen, ob Angebote anderer Arbeitgeber vorliegen, der Arbeitnehmer die Absicht hat, sich im Geschäftsbereich seines alten Arbeitgebers selbständig zu machen oder er eine Vertragsstrafe, die für den Fall von Wettbewerbsverstößen vereinbart ist, nicht verwirken will.

3. Gibt es derartige konkrete Anhaltspunkte für die Gegenstandswertberechnung nicht, verbleibt als Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Bewertung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die in §§ 74 ff. HGB enthaltene Regelung. Streiten die Parteien über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, ist für den Gegenstandswert deshalb die Höhe der vom Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitraum zu zahlenden Entschädigung entscheidend (vgl. LAG Köln 8. September 2021 - 2 Ta 119/21, Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 17. Februar 2020 - 26 Ta (Kost) 6112/19, Rn. 5 ff.).

4. Bei einem unter zwei Jahren liegenden Anspruchszeitraum ist der Betrag entsprechend zu kürzen (vgl. LAG München 23. Oktober 2023 - 3 Ta 178/23, Rn. 19). Hat der Arbeitgeber von seinem Recht aus § 75a HGB Gebrauch gemacht, ist das ggf. hinsichtlich des insoweit maßgeblichen Zeitraums zu berücksichtigen (vgl. LAG Hamm 26. Oktober 2022 - 8 Ta 198/22, Rn. 18).

5. Geht es um eine Aufhebung des Wettbewerbsverbots auf Initiative der Arbeitgeberseite, ist § 75a HGB ebenfalls zu beachten. Die Vorschrift ermöglicht es dem Arbeitgeber, vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung zu verzichten, dass er mit Ablauf eines Jahres seit der Erklärung ohnehin von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Je länger der Zeitraum zwischen Abschluss des Vergleichs und einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, desto geringer sind daher die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Vereinbarung über die Aufhebung des Wettbewerbsverbots und das Entfallen der Karenzentschädigung.

Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/NJRE001591493

VII.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 26. November 2024 – 3 AZR 28/24

Schlagworte/Normen:
Aussetzung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung aus Anlass der Coronapandemie

Volltext PE:
Die Aussetzung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung aufgrund eines Tarifvertrags zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und zur Absicherung des Kabinenpersonals muss zu ihrer Wirksamkeit den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Maßstäben zum Vertrauensschutz und zur Verhältnismäßigkeit bei verschlechternden Tarifregelungen genügen.

Der Kläger war bei der Beklagten von Oktober 1997 bis zum 31. Januar 2022 als Flugbegleiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand für die betriebliche Altersversorgung der Tarifvertrag Lufthansa Rente Kabine Anwendung. In dem Tarifvertrag ist insbesondere geregelt, dass die Beklagte verschiedene arbeitgeberseitige Beitragszahlungen zur Altersversorgung leistet. Aus dem Anlass der Coronakrise schlossen die Tarifvertragsparteien Ende Juni 2020 einen Tarifvertrag über Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen der Coronakrise (TV Krisenbeitrag und Absicherung Kabine LHA). Dieser sah für seine ursprüngliche Laufzeit bis zum 31. Dezember 2023 ua. den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, eine Aussetzung der Beiträge zu verschiedenen Systemen der betrieblichen Altersversorgung, aber auch ein Einfrieren der tariflichen Vergütung vor. Die Aussetzung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung sollte nicht für Mitarbeiter gelten, „die innerhalb der von der Deutsche Lufthansa AG gesetzten Annahmefrist des Freiwilligenprogramms einen Aufhebungsvertrag abschließen oder auf Grund der Freiwilligenprogramme in die Versorgung ausscheiden“. An einem ersten Freiwilligenprogramm aufgrund einer Duldungsvereinbarung der Arbeitgeberin mit der Gruppenvertretung Kabine DLH nahm der Kläger nicht teil. Er schied erst auf der Grundlage einer zweiten Duldungsvereinbarung mit dem Namen „Now!Cabin“ aus. Am 25. Mai 2022 schlossen die Tarifvertragsparteien eine sog. Vereinbarung zur Klarstellung des TV Krisenbeitrag und Absicherung Kabine LHA mit dem Inhalt, dass sämtliche Bezugnahmen auf ein Freiwilligenprogramm oder die Freiwilligenprogramme im Tarifvertrag ausschließlich die in der ersten Duldungsvereinbarung beschriebenen freiwilligen Maßnahmen beträfen. Der Kläger hat geltend gemacht, er komme in den Genuss der Rückausnahme des Tarifvertrags Krisenbeitrag und Absicherung Kabine LHA, so dass die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung für ihn nachzuentrichten seien. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte beim Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Senat hat das Urteil aufgehoben und die Sache – mit Ausnahme der unbegründeten Zinsforderungen des Klägers – zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar finde die Rückausnahme der Aussetzung der Beiträge des Tarifvertrags Krisenbeitrag und Absicherung Kabine LHA auf den Kläger wegen der Klarstellungsvereinbarung vom 25. Mai 2022 keine Anwendung. Die ursprüngliche tarifliche Regelung war unklar, so dass die spätere Vereinbarung die Lage klarstellen durfte. Allerdings ist die Aussetzung der Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung nach den Grundsätzen des Senats für Tarifverträge zum Vertrauensschutz und zur Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Die Tarifvertragsparteien sind danach zwar nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Wenn die tarifliche Regelung aber zu einer Beschränkung oder zu einem Eingriff in Versorgungsrechte führt, bedürfen die Tarifvertragsparteien legitimierender Gründe. Deren Gewicht hängt von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelungen entstehen. Dies wird das Berufungsgericht ua. zu überprüfen haben.

Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/aussetzung-von-beitraegen-zur-betrieblichen-altersversorgung-aus-anlass-der-coronapandemie/

VIII.
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 26. November 2024 – 1 ABR 12/23

Schlagworte/Normen:
Freigestelltes Betriebsratsmitglied - Vergütungsanpassung - Beteiligung des Betriebsrats

Volltext PE:
Die Erhöhung des Arbeitsentgelts eines von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG unterliegt nicht der Mitbeurteilung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.

Die Arbeitgeberin, die regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, unterhält in Leipzig zwei Autohäuser, für die der antragstellende Betriebsrat errichtet ist. Nachdem der freigestellte Vorsitzende des Betriebsrats im Jahr 2021 erfolgreich das Assessment Center „Führungskräftepotenzial“ durchlaufen hatte, vergütete ihn die Arbeitgeberin entsprechend einer höheren Entgeltgruppe des einschlägigen Tarifvertrags. Der Betriebsrat hat gemeint, ihm stehe hierbei ein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu, und hat im Rahmen dieses Beschlussverfahrens entsprechend § 101 BetrVG seine Beteiligung gerichtlich geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben der Arbeitgeberin aufgegeben, beim Betriebsrat ein Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG einzuleiten. Die gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Dem Betriebsrat steht bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage von § 37 Abs. 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG kein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 BetrVG zu. Die Norm sieht eine Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen vor. Diese bestehen in der Zuordnung der zu verrichtenden Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der maßgebenden Vergütungsordnung. Bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG erfolgt demgegenüber keine solche Einordnung, sondern eine Anpassung der Vergütung des Betriebsratsmitglieds nach Maßgabe der in diesen Normen geregelten gesetzlichen Vorgaben. Danach ist die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds entweder entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer oder zur Vermeidung einer Benachteiligung anzupassen, weil das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte.

Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/freigestelltes-betriebsratsmitglied-verguetungsanpassung-beteiligung-des-betriebsrats/

IX.
Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss vom 4.10.2024 - 9 Ta 123/24

Schlagworte/Normen:
Rechtsweg - betriebliche Altersversorgung - Geschäftsführerin nach Amtsniederlegung

Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2024/9_Ta_123_24_Beschluss_20241004.html

X.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 28.10.2024 – 9 Ta 319/24

Schlagworte/Normen:
Vertragsauslegung, innerer Wille und Motive des Erklärenden, objekt. Erklärungswert Selbständiges Beweisverfahren, Ausforschungsbeweis

Leitsatz:
Gemäß §§ 133, 157 BGB ist zwar bei der Auslegung einer individualvertraglichen Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen, wobei es aber gerade nicht lediglich auf den inneren Willen eines der beiden Erklärenden ankommt, sondern auf den durch normative Auslegung zu ermittelnden objektiven Erklärungswert.

Auch im selbständigen Beweisverfahren muss das Beweisthema jedenfalls soweit substantiiert sein, dass der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar ist. Ist dies nicht der Fall, würde im Rahmen der Zeugenvernehmung eine typische Ausforschung betrieben, anhand derer die anspruchsbegründenden Tatsachen erst in Erfahrung gebracht würden.

Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2024/9_Ta_319_24_Beschluss_20241028.html

XI.
Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss vom 30.10.2024 – 9 Ta 336/24

Schlagworte/Normen:
Unfallversicherung, Haftungsprivilegierung, Aussetzung

Leitsatz:
Allein von den Zivil- und Arbeitsgerichten zu entscheiden und damit nicht von der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII - mit entsprechender Aussetzungsverpflichtung gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII - erfasst ist die Frage, ob ein Haftungsausschluss nach §§ 104, 105 SGB VII aufgrund einer vorsätzlichen Schädigung ausgeschlossen ist. Denn dies ist für die Beurteilung des Versicherungsfalls irrelevant..

Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2024/9_Ta_336_24_Beschluss_20241030.html

XII.
Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss vom 19.09.2024 – 5 Ta 82/24

Schlagworte/Normen:
Gerichtlicher Vergleich nach streitiger Entscheidung - kostenrechtliche Privilegierung

Leitsatz:
Die kostenrechtliche Privilegierung nach der Vorbemerkung 8 KV GKG kommt nicht zur Anwendung, wenn ein Vergleichsschluss nach Verkündung eines streitigen Urteils erfolgt.

Siehe:
https://www.justiz.nrw/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2024/5_Ta_82_24_Beschluss_20240919.html

Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein:

EinstelldatumAktenzeichenGerichtSchlagworteDatei
20/11/20244 SaGa 2/24LAG Schleswig-HolsteinEinstweilige Verfügung, Feststellungsantrag, Deutsche Fußball Liga, Lizenzierungsverfahren, Verlängerungsoption, einseitige, UmgehungUrteil-4-SaGa-2-24 -20-08-2024.pdf
(503.4 KB)
04/11/20246 TaBV 20/23LAG Schleswig-HolsteinBetriebsratswahl, Wahlanfechtung, Betriebsbegriff, selbständiger Betriebsteil, Unterschrift, Paraphe, Rechtshängigkeit, anderweitigeBeschluss-6-TaBV-20-23-07-08-2024.pdf
(523.9 KB)

Mit besten Grüßen
Ihr

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident
VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
Gerokstr. 8 70188 Stuttgart
Telefon: (0711) 3058 9320Telefax: (0711) 3058 9311
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