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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Schwarzgeldabrede bei Grundstücksverträgen
BGH, Urteil vom 15.03.2024, Az.: V ZR 115/22
a)Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), ist der Vertrag in der Regel nicht nichtig. Anders liegt es nur, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist; dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch, d.h. die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist (Bestätigung von Senat, Urteil vom 17. Dezember 1965 - V ZR 115/63, NJW 1966, 588, 589; Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 229/01, NJW-RR 2002, 1527).
b)Die Erwägungen, die im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags führen, sind auf Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen nicht übertragbar
II.
Rechtsanwaltskosten - Beschlussverfahren - Dringlichkeit - einstweilige Verfügung - effektiver Rechtsschutz
Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2024, Az.: 30 BVGa 8/24
1. Die Durchsetzung der Übernahme von Rechtsanwaltskosten nach § 40 BetrVG durch ein Betriebsratsmitglied gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens für einen (noch zu beauftragen-den) Rechtsanwalt in einem anderweitigen Beschlussverfahren ist nur in Ausnahme-konstellationen denkbar.
2. Ein Verfügungsgrund im Bereich der Kostenerstattung nach § 40 BetrVG setzt eine wesentliche Erschwerung der Betriebsratstätigkeit voraus, woran es regelmäßig fehlt, wenn die Frage der Kostenerstattung von Rechtsanwaltskosten erst im Hauptsacheverfahren geklärt wird und nicht vorab.
3. Ob in Ausnahmefällen, wie etwa einer ersichtlich rechtswidrigen Verneinung einer Kostenübernahme durch den Arbeitgeber bei gleichzeitiger Ableh-nung der Übernahme des Mandats durch angefragte Rechtsanwälte ohne vorherige Kostenübernahme des Arbeitgebers, eine einstweilige Verfügung denkbar ist, bleibt unentschieden.
III.
abgestufte Darlegungslast; Arbeitszeitbetrug; falsche Dokumentation; abgestufte Darlegungs- und Beweislast; Interessenabwägung
LAG Niedersachsen, Urteil vom 20.02.2024, Az.: 9 Sa 577/23
Allein der Umstand, dass eine Arbeitnehmerin nach Beendigung einer Einsatzfahrt später ausstempelt als andere Teammitglieder, begründet noch keinen hinreichenden Verdacht eines Arbeitszeitbetruges, wenn unstreitig Nacharbeiten zu erledigen sind, die auch von einem Teammitglied allein erledigt werden können. Auch der Vergleich mit den Arbeitszeiten anderer Teams begründet in diesen Fällen allein keinen hinreichenden Verdacht eines Arbeitszeitbetruges. Der Arbeitgeber hat vielmehr im Wege der abgestuften Darlegungs- und Beweislast weitere belastende Umstände darzulegen. Ein in einer Anhörung abgegebenes - streitiges - Geständnis rechtfertigt allein nicht den Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges, wenn im Prozess konkret vorgetragen wird, welche Arbeiten in dem - streitigen - Zeitraum geleistet wurden. Der im Kündigungsschutzprozess darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeber muss die behaupteten Arbeiten widerlegen.
IV.
Knüpfung der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie durch den Arbeitgeber an weitere Bedingungen;
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LAG Niedersachsen, Urteil vom 21.02.2024, Az.: 8 Sa 564/23
1. Die im Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferung über das Erdgasnetz in § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes beschlossene Steuerfreiheit der Inflationsausgleichsprämie sieht keine Regelung vor, dass die Prämie an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgezahlt werden muss.
2. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie an weitere Bedingungen zu knüpfen.
3. Es verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitgeber zur weiteren Bedingung der Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie bzw. eines Inflationsbonus macht, dass der bzw. die Beschäftigte Teil seiner "active workforce" ist. Es ist nicht sachwidrig, eine Sonderleistung nur denjenigen Beschäftigten zukommen zu lassen, von denen sich der Arbeitgeber auch in Zukunft Arbeitsleistung erwartet bzw. erhofft, um hierfür einen Anreiz zu setzen.
V.
Formwechsel BGB Gesellschaft und Grundbuch
OLG München, Beschluss vom 22.05.2024, Az.: 34 Wx 71/24
Wechselt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter Wahrung ihrer Identität ihre Rechtsform in eine Kommanditgesellschaft, so setzt deren Eintragung im Grundbuch als Eigentümer nicht die Voreintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gesellschaftsregister voraus.
VI.
Ausschluss für Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen in der privaten Unfallversicherung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.05.2024, Az.: 12 U 175/23
Ein vereinbarter Versicherungsausschluss für Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen bezieht auch Fälle ein, in denen die versicherte Person zwar nicht in ihrer Aufnahme- oder Reaktionsfähigkeit gestört ist, aber infolge Geistesstörung nicht in der Lage ist, ihre Handlungen rational zu steuern.
VII.
Wirkung einer transmortalen Vollmacht
OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2024, Az.: 15 Wx 2176/23
1. Die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt, entfällt nicht dadurch, dass der Bevollmächtigte dessen Alleinerbe geworden sein kann.
2. Das Grundbuchamt darf beim grundbuchlichen Vollzug einer Eigentumsübertragung, die der transmortal Bevollmächtigte unter Berufung auf seine Vollmacht vornimmt, dessen Erbenstellung vielmehr nur dann berücksichtigen, wenn sie in der Form des § 35 GBO nachgewiesen ist.
VIII.
Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen
BGH, Beschluss vom 25.04.2024, Az.: IX ZB 55/23
Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar.
IX.
Pflichtverletzung des Mieters
LG Berlin, Beschluss vom 23.05.2024, Az.: 67 T 30/24
1.Die mit einem Zahlungsverzug begründete Pflichtverletzung des Mieters ist nicht allein deshalb „erheblich“ i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil der Zahlungsrückstand summenmäßig über eine Monatsmiete hinausgeht (hier: Zahlungsrückstand in Höhe von 812,23 EUR). Für die Erheblichkeitsprüfung ist vielmehr auf sämtliche Umstände des Einzelfalls abzustellen.
2.Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens.
X.
Irrtumsanfechtung bei Kalkulationsirrtum
OLG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2024, Az.: 2 U 146/22
Ein nicht zur Irrtumsanfechtung berechtigender Kalkulationsirrtum liegt vor, wenn der Irrtum bei der Kalkulation der Einheitspreise für ein Gebot in einem Vergabeverfahren entstanden ist.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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