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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht Michael Henn, Stuttgart
I.
Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung – Auslandsbezug Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 –
Wird ein Leiharbeitnehmer aus dem Ausland unerlaubt iSv. § 1 AÜG aF ins Inland überlassen, führt die Verletzung der Erlaubnispflicht nicht zur Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags nach § 9 Nr. 1 AÜG aF, wenn das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Die Voraussetzungen eines Arbeitgeberwechsels nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF sind in diesem Fall nicht erfüllt.
Die Klägerin ist französische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz in Frankreich. Sie wurde von einer Gesellschaft, die ihren Sitz in Frankreich hat, zum 1. Oktober 2014 als Fachberaterin/Ingenieurin eingestellt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft Rechtswahl französischem Recht. Vom 1. Oktober 2014 bis zum 30. April 2016 wurde die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin, die nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG aF war, im Betrieb der Beklagten in Karlsruhe als Technikerin/Beraterin eingesetzt. Nachdem die Klägerin anschließend bei anderen Kunden der Arbeitgeberin tätig war, kündigte diese das Arbeitsverhältnis. In einem gerichtlichen Verfahren in Frankreich macht die Klägerin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin festzustellen, dass sie zur Beklagten seit dem 1. Oktober 2014 in einem Arbeitsverhältnis steht, und verlangt außerdem Differenz-, Überstunden- und Annahmeverzugsvergütung. Sie hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF zum 1. Oktober 2014 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Sie sei der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden. Der Arbeitsvertrag mit ihrer Arbeitgeberin sei, obwohl für das Arbeitsverhältnis französisches Recht gelte, in Deutschland infolge der unerlaubten Überlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam. Bei der Bestimmung handele es sich um eine Eingriffsnorm iSv. Art. 9 Abs. 1 der Rom I-VO*, die unabhängig von der von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Rechtswahl gelte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.
Die Feststellungs- und Zahlungsklage ist unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF sind nicht erfüllt, selbst wenn die Klägerin der Beklagten als Leiharbeitnehmerin überlassen worden sein sollte. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kraft Gesetzes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF setzt voraus, dass der zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer geschlossene Leiharbeitsvertrag infolge einer iSv. § 1 AÜG aF unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam ist. Unterliegt das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, ordnen weder § 2 Nr. 4 AEntG aF noch das AÜG an, dass § 9 Nr. 1 AÜG aF gegenüber diesem Recht vorrangig gelten soll. Soweit § 2 Nr. 4 AEntG aF – in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 96/71/EG aF** – regelt, dass die „Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen“ zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend anzuwenden sind, bezieht sich dies auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften des nationalen Rechts, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von
VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 05-2022
Leiharbeitnehmern regeln, sowie auf die im Inland geltenden gewerbe-, vermittlungs- und erlaubnisrechtlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmerüberlassung. § 2 Nr. 4 AEntG aF ordnet nicht die Geltung von Bestimmungen an, die – wie § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF – den Bestand des Leiharbeitsverhältnisses betreffen. § 9 Nr. 1 AÜG aF ist auch keine Eingriffsnorm iSv. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gewährt Leiharbeitnehmern, die von ihren Arbeitgebern aus einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union ins Inland überlassen werden, keinen Schutz, der über den hinausgeht, der durch § 2 AEntG aF gewährleistet wird. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF wird gesichert, indem § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AÜG aF die Verletzung der Erlaubnispflicht als Ordnungswidrigkeit ahnden.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/unerlaubte-arbeitnehmerueberlassung-auslandsbezug/
II.
Betriebsrentenanpassung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.05.2022, 3 AZR 408/21
Wird die betriebliche Altersversorgung ua. über eine Pensionskasse im Sinne von § 1b Abs. 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) durchgeführt und ist nach den Regelungen der Pensionskasse sichergestellt, dass ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden, entfällt nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG die Verpflichtung des die Versorgung zusagenden Arbeitgebers zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2553) fiel ab dem 31. Dezember 2015 die weitere Voraussetzung in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG weg, wonach zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Versicherungsaufsichtsgesetzes festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten werden darf. Dies ist mit Unionsrecht vereinbar. Die durch § 30c Abs. 1a BetrAVG angeordnete Geltung der am 31. Dezember 2015 in Kraft getretenen Änderung auch für Anpassungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2016 liegen, stellt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung dar.
Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern langjährig als Angestellte beschäftigt. Seit 1. Oktober 2011 bezieht sie Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die Beklagte führt diese über den BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes aG (BVV) durch. Bei diesem handelt es sich um eine regulierte Pensionskasse unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Seit dem Rentenbeginn wurde die Betriebsrente der Klägerin nicht mehr erhöht.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin ua. eine Anpassung des auf Beiträgen der Arbeitgeberin beruhenden Teils ihrer Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zum Stichtag 1. Oktober 2014 geltend und verlangt daraus folgend für die Zeit ab dem Anpassungsstichtag monatlich eine weitere Betriebsrente iHv. 37,72 Euro brutto. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG berufen. Sie sei auf den streitgegenständlichen Anpassungsstichtag im Jahr 2014 nicht anwendbar. Die Änderung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Die Übergangsbestimmung in § 30c Abs. 1a BetrAVG verstoße gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Jedenfalls seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht erfüllt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urteil vom 10. Dezember 2019 (- 3 AZR 122/18 -) das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage iHv. 16,92 Euro brutto monatlich stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Es hat hinsichtlich des von ihm abgewiesenen Teils der Klage iHv. 5,04 Euro brutto monatlich die Auffassung der Beklagten bestätigt, sie sei gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht zur Prüfung einer Anpassung verpflichtet.
Die dagegen von der Klägerin neuerlich geführte Revision hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die bei der Pensionskasse für den Tarif DA geltenden Regelungen erfüllen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in seiner seit dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung. Die Neufassung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG zum 31. Dezember 2015 verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot aus Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2014/50/EU (sog. Mobilitäts- Richtlinie). Dieses soll verhindern, dass die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zur Absenkung des bestehenden Schutzes genutzt wird. Vorliegend hat der Gesetzgeber jedoch „lediglich“ zeitgleich
VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 05-2022
mit und bei Gelegenheit der Umsetzung eine außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie bestehende Rechtsprechung des Senats korrigiert. Die Übergangsvorschrift des § 30c Abs. 1a BetrAVG ist nicht wegen unzulässiger Rückwirkung verfassungswidrig. Die Betriebsrentner der Beklagten mussten bereits ursprünglich davon ausgehen, dass eine Anpassungsprüfungspflicht nicht unverändert bestehen bleiben würde. Die vom Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung orientiert sich am Sachverhalt und ist vertretbar.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/betriebsrentenanpassung/
III.
Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.05.2022, 5 AZR 359/21
Der Arbeitnehmer hat zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden – kurz zusammengefasst – erstens darzulegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat der Arbeitnehmer zweitens vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Diese vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht zur Einführung eines Systems zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit nicht verändert.
Der Kläger war als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt, beschäftigt. Seine Arbeitszeit erfasste der Kläger mittels technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung in Höhe von 5.222,67 Euro brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Pausen zu nehmen sei nicht möglich gewesen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Die Beklagte hat dies bestritten.
Das Arbeitsgericht Emden hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Mai 2019 – C-55/18 – [CCOO], wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, werde die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist. Diese ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen darauf, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie finden indes grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit hat deshalb keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess. Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale
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Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht. Das Berufungsgericht konnte daher offenlassen, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe keine Pausen gehabt, überhaupt stimmt.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/darlegungs-und-beweislast-im-ueberstundenverguetungsprozess/
IV.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Kündigung bei Vorlage einer aus dem Internet
heruntergeladenen Impfunfähigkeitsbescheinigung
Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 13.04.2022 - 5 Ca 189/22
Wer seiner Arbeitgeberin eine aus dem Internet ausgedruckte ärztliche „Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit“ vorlegt, ohne dass eine Untersuchung durch die bescheinigende Ärztin erfolgt ist, riskiert die Kündigung seines langjährigen Arbeitsverhältnisses. Dies hat gestern das Arbeitsgericht Lübeck (5 Ca 189/22) entschieden.
Siehe:
https://www.schleswig-holstein.de/DE/Justiz/LAG/Presse/PI/prm222.html
V.
Massenentlassungsanzeige - Fehlen der sog. Soll-Angaben Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.05.2022 - 2 AZR 467/21
Das Fehlen der sog. Soll-Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG führt für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit einer Massenentlassungsanzeige des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit.
Die Beklagte beschäftigte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. In der Zeit vom 18. Juni bis zum 18. Juli 2019 kündigte sie insgesamt 17 Arbeitsverhältnisse. Mit ihrer Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, die ihr am 18. Juni 2019 zugegangene Kündigung sei nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte – als solches un-streitig – nicht zuvor gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht habe.
Die Vorinstanzen haben die Massenentlassungsanzeige der Beklagten für unwirksam gehalten und der Kündigungsschutzklage aus diesem Grund stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Aufgrund der bisherigen Feststellungen lässt sich schon nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt wurde. Dazu müsste die Beklagte nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG mehr als fünf Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen haben. Der Zeitraum vom 18. Juni bis einschließlich 18. Juli 2019 umfasste aber 31 Kalendertage. Zudem ist unklar, wie viele Kündigungen in diesem Zeitraum zugegangen sind. Dessen ungeachtet ist die streitbefangene Kündigung nicht nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte nicht zuvor gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht hat. Ein Verstoß gegen letztere Vorschrift führt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige. Über diese gesetzgeberische Entscheidung dürfen sich die nationalen Gerichte nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung hinwegsetzen. Eine solche ist auch nicht geboten. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG vorgesehenen Angaben nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, geändert durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2015, in der Anzeige enthalten sein müssen.
Siehe:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/massenentlassungsanzeige-fehlen-der-sog-soll-angaben/
VI.
Tarifliche Ausschlussfristen; Vorsatzhaftung; Globalverweisung; Bereichsausnahme; AGB; fachlicher Geltungsbereich eines Tarifvertrags; Betriebsvereinbarungsoffenheit; ERA- Eingruppierung; dynamische Bezugnahmeklausel; formulararbeitsvertraglich vereinbartes „Basieren" auf Tarifverträgen
Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 04. Mai 2022 – 4 Ca 6736/21
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1. Tarifliche Ausschlussfristen sind nicht deshalb gemäß § 202 Abs. 1 BGB iVm. § 134 BGB auf jegliche Ansprüche unanwendbar, weil die Tarifnorm Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes nicht ausdrücklich aus ihrem Tatbestand herausnimmt und die tarifvertragliche Vorschrift lediglich kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung findet (entgegen LAG Baden-Württemberg 31. Mai 2021 – 10 Sa 73/20 – Rn. 94 ff). Vielmehr beschränkt sich der Unwirksamkeitsbefehl aus § 202 Abs. 1 BGB iVm. § 134 BGB auf die Fälle einer Haftung wegen Vorsatzes.
2. Jenseits dieser Vorsatzfälle kann sich die (Un-)Anwendbarkeit der Verfallfristen auf nachgelagerter Ebene aus AGB-rechtlichen Vorschriften ergeben, sofern das AGB-Recht Anwendung findet. Auf dieser Ebene gelten sowohl das Verbot geltungserhaltender Reduktion als auch das Prinzip der personalen Teilunwirksamkeit.
3. Gemäß der Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden bei arbeitsvertraglicher Verweisung auf Tarifverträge die §§ 305 ff BGB keine Anwendung, sofern eine Globalverweisung auf alle tariflichen Vorschriften und nicht lediglich eine Teilverweisung auf bestimmte Regelungsgegenstände erfolgt.
4. Es ist zweifelhaft, ob bei einer Globalverweisung auf nicht in jeder Hinsicht einschlägige Tarifverträge § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB tatsächlich generell unanwendbar ist (im vorliegenden Fall offengelassen).
5. Die Tarifvertragsparteien im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden haben auf eine fachliche Beschränkung der Tarifgeltung verzichtet, indem sie auf alle Mitgliedsunternehmen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes abgestellt haben.
6. Im Rahmen einer Eingruppierungsstreitigkeit obliegt dem Arbeitnehmer auch dann die volle Darlegungslast für die begehrte Eingruppierung, wenn es der Arbeitgeber trotz dahingehender Verpflichtung unterlassen hat, die ERA-Tarifverträge bezogen auf das Arbeitsverhältnis einzuführen.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&nr=37793&pos =0&anz=14
VII.
Betriebsveröffentlichte Gerichtsschriftsätze mit Gesundheitsdaten - außerordentliche Kündigung - Wahrnehmung berechtigter Interessen Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2022 – 7 Sa 63/21
1. Die in einem gerichtlichen Verfahren von den Parteien gefertigten und zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sind zweckbestimmt. Sie sind gerichtsöffentlich, nicht aber für die Allgemeinheit oder die Betriebsöffentlichkeit bestimmt.
2. Wer solche Schriftsätze, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E- Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen.
3. Eine solche Verhaltensweise ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&nr=37735&pos =1&anz=14
VIII.
Krankheitsbedingte Kündigung - Verpflichtung zum erneuten Angebot eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) - Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Februar 2022 – 17 Sa 57/21
VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 05-2022
1. Der Arbeitgeber hat gem. § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX grundsätzlich ein neuerliches betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war, und zwar auch dann, wenn nach dem zuvor durchgeführten bEM noch nicht wieder ein Jahr vergangen ist.
2. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Abschluss des vorherigen bEM hinaus ununterbrochen nochmals mehr als sechs Wochen angedauert hat.
3. Der Arbeitgeber kann unabhängig davon, ob bereits ein zuvor durchgeführtes bEM Rückschlüsse auf die Nutzlosigkeit eines weiteren erlaubt, geltend machen, dass die Durchführung eines (weiteren) bEM keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können.
4. Für die objektive Nutzlosigkeit des bEM trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Er muss auch von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten oder zur Nutzlosigkeit anderer, ihm zumutbarer Maßnahmen vortragen. Allerdings gilt dies nur im Rahmen des ihm Möglichen und des nach den Umständen des Streitfalls Veranlassten.
5. Die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers hat keine Vermutungswirkung dahingehend, dass ein bEM eine Kündigung nicht hätte verhindern können.
6. Die Beweislast für eine Leistungsbefreiung nach § 275 BGB trägt nach allgemeinen Grundsätzen diejenige Partei, die daraus eine ihr günstige Rechtsfolge herleitet.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi- bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2022&nr=37751&pos =5&anz=14
IX.
Zivilprozess, Aussetzung, Strafverfahren, Selbstbezichtigungsgefahr, Normzweck des § 149 Abs. 1 ZPO
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.04.2022 - 1 Ta 40/22
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.03.2022 - 3 Ca 1336 a/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. - 2 - 1 Ta 40/22.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/69C947ECD65811D0C125883D0050D884/$file/Beschluss-1-T a-40-22-25-04-2022.pdf
X.
Berufung, unzulässig verworfen, formelhafte Wendungen, Flucht in die Säumnis, Entscheidung nach Aktenlage
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.03.2022 – 5 Sa 266/21
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn - Kammer Meldorf - vom 30.09.2021, Az. 5 Ca 823 c/20, wird verworfen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/5DB104EF5CF8D71CC125883A00523BF5/$file/Urteil-5-Sa-266-21-10-03-2022.pdf
XI.
Berufung, unzulässig verworfen, formelhafte Wendungen, Flucht in die Säumnis, Entscheidung nach Aktenlage
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.03.2022 – 5 Sa 267/21
VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 05-2022
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn - Kammer Meldorf - vom 30.09.2021, Az. 5 Ca 824 c/20, wird verworfen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. 3. Die Revision wird nicht zugelassen
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/A6945393701FACE5C125883A00523BF6/$file/Urteil-5-Sa-267-21-10-03.2022.pdf
XII.
Urlaub, Covid 19, Ansteckungsverdacht, Absonderungsanordnung, Urlaubstage, Nachgewährung, Analogie
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.02.2022 – 5 Sa 241/21
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 02.09.2021 - 4 Ca 363 b/21 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. 3. Die Revision wird zugelassen.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/23EE3BAEDCBD8F52C12588380051FD25/$file/Urteil-5-Sa-241-21-17-02-2022.pdf
XIII.
Prozesskostenhilfe, Aufhebung der Bewilligung der PKH, Mitwirkungspflicht, Verletzung, Absicht, grobe Nachlässigkeit, Vergessen
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.03.2022 – 1 Ta 16/22
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.01.2022 - 5 Ca 1176/20 - wird aufgehoben. Das Prozesskostenhilfeverfahren wird an das Arbeitsgericht zur Prüfung zurückgegeben, ob und ggf. in welcher Höhe sich der Kläger mit Raten an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen hat.
2. Kosten werden nicht erhoben.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/0AC974D1E3DE29E4C125883800520733/$file/Beschluss-1-T a-16-22-07-03-2022.pdf
XIV.
Kündigung, außerordentlich, Vorlage, Impfunfähigkeitsbescheinigung, Falsche Bescheinigung, Täuschung, Nebenpflichtverletzung (schwerwiegende)
Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 13.04.2022 – 5 Ca 189/22
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, durch die Kündigung der Beklagten vom 24.01.2022 zum 31.07.2022 beendet wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 4. Der Streitwert wird auf 12.000 EUR festgesetzt
Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/E0E089FBF8225EE8C125883600470AFB/$file/Urteil-5-Ca-189-22-13-04- 2022_L%C3%BCbeck.pdf
XV.
Rechtsweg im Konkurrentenstreit um ein öffentliches Amt mit einem gemischten Bewerberfeld Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.04.2022 – OVG 4 L 4/22
VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 05-2022
Die vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 17. März 2021 - 2 B 3.21 - formulierten Grundsätze für den Rechtsweg bei einer Auswahlkonkurrenz mit gemischtem Bewerberfeld (Arbeitnehmer und Beamte) gelten auch für den Abbruch des Auswahlverfahrens.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/MWRE220005822
XVI. Gleichstellungsbeauftragte
VG Berlin, Urteil vom 30.03.2022 – 5 K 81/21
Die Gleichstellungsbeauftragte als Organ ist nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen vom Beteiligungs- und Mitwirkungsverfahren nach dem Bundesgleichstellungsgesetz ausgeschlossen, wenn sie als Person selbst betroffen ist. Das gilt insbesondere bei Auswahlverfahren um eine Stelle, für die sie sich selbst beworben hat. Die Kammer hält an ihrer im Urteil vom 27. April 2020 (VG 5 K 237.18, juris Rn. 32) vertretenen gegenteiligen Auffassung nicht mehr fest.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220025934
XVII.
Corona-Prämie für Pflegekräfte - Berechnung des Beschäftigungszeitraums - Vererbbarkeit Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.03.2022 – 5 Sa 1708/21
1. §150 a Absatz 2 Satz 1 SGB XI (juris: SGB 11) sieht nicht vor, dass der Beschäftigungszeitraum von drei Monaten innerhalb der Frist vom 01. März 2020 bis 31. Oktober 2020, den Pflegekräfte vorweisen müssen, um die Corona-Prämie nach dieser Vorschrift beanspruchen zu können, zusammenhängend verlaufen muss. Seiner Berechnung ist §191 BGB zugrunde zu legen.
2. Eine nach §150 a Absatz 5 SGB XI (juris: SGB 11) schädliche Unterbrechung führt nicht dazu, dass der Beschäftigungszeitraum neu zu laufen beginnt und vor der Unterbrechung zurückgelegte Beschäftigungszeiten unbeachtlich sind.
3. Darauf, dass die Pflegeeinrichtung die fristgerechte Geltendmachung der Vorauszahlung für die Corona-Prämie gegenüber der Pflegekasse unterließ und es deshalb nicht zu der in §150 a Absatz 8 Satz 1 SGB XI (juris: SGB 11) vorgesehenen Vorauszahlung kam, kann sie sich gemäß §162 Absatz 1 BGB gegenüber der anspruchsberechtigten Pflegekraft nicht mit Erfolg berufen.
4. Der Anspruch auf die Corona-Prämie ist gemäß §1922 BGB vererbbar.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220027913
XVIII.
Kontrolle der automatisierten Eingangsbestätigung - Überwachungspflichten bei Berufungseinlegung über das beA
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.03.2022 – 2 Sa 1699/21
Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach §46 c Abs. 5 Satz 2 ArbGG zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220026799
XIX.
Doppelte Haushaltsführung - Mietkostenzuschuss - wiederholte Gewährung - Gleichbehandlung
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.03.2022 – 25 Sa 180/21
VDAA- Arbeitsrechtsdepesche 05-2022
1. Die Rahmenrichtlinie sieht nicht per se einen Anspruch auf eine unbefristete Bewilligung eines Mietkostenzuschusses vor. Sie sieht nur die grundsätzliche Möglichkeit neben der befristeten Bewilligung auch eine unbefristete Bewilligung zu gewähren. Voraussetzung ist nach dieser Vorschrift vielmehr eine Bewilligung unter Beachtung der bei der Beklagten hierfür geltenden Regelungen.
2. Aus dem Tatsachenvortrag der Klägerin kann keine geschäftsinterne Regelung abgeleitet werden, aus der ein Anspruch auf eine unbefristete Bewilligung des Mietkostenzuschusses ergibt.
3. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Belegschaft oder Gruppen seiner Belegschaft, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln.
Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Belegschaftsmitglieder innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung.
4. Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Belegschaftsmitglieder unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser oder ist die Anzahl der begünstigten Personen im Verhältnis zur Gesamtzahl der betroffenen Arbeitnehmer sehr gering, kann ein nicht begünstigter Arbeitnehmer aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz nichts herleiten.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220027653
XX.
Berücksichtigung von Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt beim Bruttoverdienst im Referenzzeitraum - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - tarifvertragliche Bemessungsgrundlage
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2022 – 21 Sa 1128/21
§7 des Entgelttarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in Berlin und Brandenburg ist dahin auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht nur das im Referenzzeitraum der letzten zwölf abgerechneten Monate gezahlte Stundenentgelt für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden zu berücksichtigen ist, sondern auch Entgeltfortzahlungen und Urlaubsentgelte.
Siehe:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE220026594
Mit besten Grüßen Ihr
Michael Henn Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht Fachanwalt für Arbeitsrecht VDAA – Präsident
VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. Kronprinzstr. 14
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Telefon: (0711) 3058 9320
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