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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Haftung des Vertreters einer Unternehmergesellschaft
BGH, Urteil vom 13.01.2022, Az. III ZR 210/10
Weist eine Unternehmergesellschaft im Sinne von § 5a GmbHG nicht - wie im Gesetz vorgesehen - ihre Rechtsform und die Haftungsbeschränkung in der Firma aus, haftet ihr im Rechtsverkehr auftretender Vertreter für den dadurch erzeugten unrichtigen Rechtsschein gemäß § 311 Abs. 2 und 3, § 179 BGB analog
II.
Zurückbehaltungsrecht Kaufpreis auch bei geringfügigem Mangel
BGH, Urteil vom 19. November 2021, Az. V ZR 104/20
Weist die Kaufsache einen behebbaren Mangel auf, ist der Käufer grundsätzlich selbst dann berechtigt, gemäß § 320 Abs. 1 BGB die Zahlung des Kaufpreises insgesamt zu verweigern, wenn es sich um einen geringfügigen Mangel handelt.
III.
Stichtagsklausel in Bonusvereinbarung – bei unterjährigen Ausscheiden ist unwirksam
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.10.2021, Az. 9 Sa 19/21
Eine formularmäßige Regelung, nach der ein Anspruch auf eine Bonuszahlung, die ausschließlich vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängt, nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer am 31.12. beschäftigt ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB unwirksam. Bei unterjährigem Ausscheiden besteht der Anspruch auf die Bonuszahlung anteilig pro rata temporis.
IV.
Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen in WEG
BGH, Urteil vom 28.01.2022, Az. V ZR 86/21
Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden
V.
Unzulässige Preisabrede zu Lasten eines Dritten bei Vorkaufsrecht
BGH, Urteil vom 23.02.2022, Az. VIII ZR 305/20
Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zu Lasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer - wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen - den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.
VI.
Auskunft über Person des leiblichen Vaters
BGH, Beschluss vom 19.01.2022, Az. XII ZB 183/21
a) Anspruchsgrundlage für das Auskunftsverlangen eines Kindes gegen seine leibliche, nicht rechtliche Mutter über die Person seines leiblichen Vaters ist - trotz des von § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordneten Erlöschens des rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses aufgrund Adoption - § 1618 a BGB.
b) Bei einem auf § 1618 a BGB gestützten Auskunftsbegehren über die Person des leiblichen Vaters handelt es sich um eine sonstige Familiensache und damit um eine Familienstreitsache.
c) Durch die Mitteilung der leiblichen Mutter, der mögliche Erzeuger oder dessen Name sei ihr nicht bekannt, wird der Auskunftsanspruch nicht erfüllt. Eine fehlende Kenntnis kann von der Mutter aber als eine den Anspruch ausschließende Unmöglichkeit geltend gemacht werden. Dazu gehört auch der Vortrag und erforderlichenfalls der Beweis, dass sie die ihr unter den Umständen des Einzelfalls zumutbaren Erkundigungen eingeholt hat.
d) Ein auf Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters gerichteter Titel ist vollstreckbar und die Vollstreckung ist nicht durch § 120 Abs. 3 FamFG analog ausgeschlossen.
VII.
Haftung nach CMR bei Verpackungsmangel
OLG Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2021, Az. 18 U 46/17
1. Ein zum Haftungsausschluss führender Verpackungsmangel nach Art. 17 Abs. 4 lit. b CMR liegt dann nicht vor, wenn die transportierten und verpackten Lebensmittel gemeinsam mit einer stark riechenden Chemikalie transportiert werden und es deswegen zu einer Geruchs- und Geschmackskontamination der transportierten Lebensmittel und ihrer Verpackung kommt. Denn das Gut muss nur so verpackt sein, dass es bei einem vertragsgerecht durchgeführten Transport den üblicherweise zu erwartenden äußeren Einwirkungen standzuhalten vermag.
2. Dem Frachtführer oder einer "sonstigen Person" im Sinne des Art. 29 Abs. 2 CMR fällt ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden zur Last, wenn sie trotz Wahrnehmung des Geruchs eine stark riechende Chemikalie gemeinsam mit Lebensmitteln transportiert oder den Transport zulässt, ohne sich vorher sachkundig über die Auswirkungen des Geruchs auf die Lebensmittel zu informieren. Eine bloße Anfrage bei dem den Chemikalientransport organisierenden Speditionsunternehmen ohne Darstellung des vollen Sachverhalts, insbesondere dass Lebensmittel mittransportiert werden, reicht nicht aus.
VIII.
Bürgschaftsrecht
BGH, Urteil vom 25.01.2022, Az. XI ZR 255/20
Ein formularmäßiger Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB im Bürgschaftsvertrag benachteiligt den Bürgen nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
IX.
Überschuldung als Beweisanzeichen für Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
BGH, Urteil vom 03.03.2022, Az. IX ZR 53/19
a) Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist ein eigenständiges Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und den Vollbeweis für die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz.
b) Die Stärke des Beweisanzeichens hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Überschuldung den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erwarten lässt und wann der Eintritt bevorsteht.
c) Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, aus denen die insolvenzrechtliche Überschuldung des Schuldners folgt, trägt im Insolvenzanfechtungsprozess grundsätzlich der Insolvenzverwalter.
d) Die im Rahmen des Besteuerungsverfahrens erfolgende Übermittlung eines Jahresabschlusses, dem sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag entnehmen lässt, löst keine Beobachtungs- und Erkundigungsobliegenheit der Finanzverwaltung im Blick auf eine mögliche insolvenzrechtliche Überschuldung aus.
X.
Zur steuerlichen Anerkennung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts
BFH, Urteil vom 23.11.2021, VII R 17/19
1. Ein zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind zivilrechtlich wirksam geschlossenes, als stille Gesellschaft bezeichnetes Gesellschaftsverhältnis führt --da es an einem Handelsgewerbe i.S. des § 230 HGB fehlt-- zur Entstehung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts, die einer stillen Gesellschaft einkommensteuerlich gleichsteht.
2. Eine solche Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen nahen Angehörigen kann steuerlich auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten, d.h. sie müssen zivilrechtlich wirksam sein, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entsprechen und auch wie unter fremden Dritten vollzogen werden.
3. Bei der Prüfung der Frage, ob der geschlossene Vertrag wie zwischen fremden Dritten vollzogen wird, kommt insbesondere der Umsetzung bzw. dem Vollzug der Einlagebestimmungen, den Gewinnbeteiligungsregelungen und der Beachtung der Informations- und Kontrollrechte Bedeutung zu.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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