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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Versagung der Restschuldbefreiung bei unrichtigen Angaben
BGH, Beschluss vom 18. November 2021, Az. IX ZB 1/21
Unrichtige schriftliche Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens können auch dann zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, wenn sie im Rahmen eines Vergleichsangebots erfolgen.
II.
Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung
BGH, Urteil vom 29. November 2021, Az. VI ZR 258/18
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung wird grundsätzlich erst mit Rechtskraft eines dem Verletzten die Geldentschädigung zusprechenden Urteils vererblich; ein nicht rechtskräftiges, nur vorläufig vollstreckbares Urteil genügt nicht
III.
Vergütungsanspruch im Urheberrecht
OLG München, Urteil vom 25. November 2021, Az. 6 Sch 57/21 WG
1. Gemäß § 54 Abs. 2 UrhG entfällt der Vergütungsanspruch nach § 54 Abs. 1 UrhG, soweit nach den Umständen erwartet werden kann, dass die Geräte oder Speichermedien im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht zu Vervielfältigungen benutzt werden. Dies ist insbesondere in Exportfällen der Fall. Rechtsfolge des § 54 Abs. 2 UrhG ist der Wegfall der Vergütungspflicht ex tunc. Ist die Vergütung bereits geleistet worden, so hat der Vergütungsschuldner einen bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB.
2. Entstanden im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist der Anspruch auf Rückerstattung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB mit dem Eintritt der Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 BGB, also wenn nach den Umständen erwartet werden kann, dass die Geräte oder Speichermedien im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht zu Vervielfältigungen benutzt werden. Soweit Geräte exportiert werden, genügt für diese Annahme bereits das Versenden der Geräte ins Ausland. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt - und nicht erst mit dem Eintreffen der Geräte am Zielort - kann erwartet werden, dass die versandten Geräte nicht zu Vervielfältigungen im Inland benutzt werden.
3. Bei der mit dem Kaufpreis gezahlten Urheberrechtsabgabe handelt es sich ihrer Art nach nicht um eine Abschlags- oder Vorauszahlung, sondern um den bestehenden gesetzlichen Vergütungsanspruch. Rechtsgrund für diese Zahlungen ist nicht eine vertragliche Abrede der Parteien, sondern § 54 Abs. 1 UrhG. Anders als bei vereinbarten Abschlagszahlungen, welchen aufgrund der vertraglichen Abrede immanent ist, dass sie erst nach Ablauf des vereinbarten Abrechnungszeitraums endgültig abgerechnet werden und bis dahin vom Empfänger behalten werden dürfen, entfällt der Rechtsgrund vorliegend unmittelbar und zeitlich sofort kraft Gesetzes mit dem Eintritt der Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 UrhG, mithin dem jeweiligen Export der Geräte ins Ausland.
IV.
Geschäftsführer und DSGVO
OLG Dresden, Urteil vom 30. November 2021, Az. 4 U 1158/21
1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist neben der Gesellschaft "Verantwortlicher" im Sinne der DSVGO.
2. Die Erhebung von Daten bei Dritten ist auch unter Geltung der DSGVO subsidiär zu einer Erhebung beim Betroffenen, sofern dies für den Verantwortlichen nicht ausnahmsweise unzumutbar ist.
3. Die Datenerhebung von Vorstrafen des Betroffenen ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 10 DSGVO zulässig.
4. Der immaterielle Schadensersatz nach den DSGVO hat keinen Strafcharakter.
V.
Keine Mietminderung bei nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen
BGH, Urteil vom 24.11.2021, Az. VIII ZR 258/19
a)Nach Abschluss des Mietvertrags eintretende erhöhte Lärm- und Schmutzimmissionen begründen, auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle herrühren, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss
b)Eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien kann nicht mit der Begründung bejaht werden, die Freiheit der Wohnung von Baulärm werde regelmäßig stillschweigend zum Gegenstand einer entsprechenden Abrede der Mietvertragsparteien
VI.
Außerordentliche Kündigung – Beginn der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist – Ausschlussfrist – Zurechnung des Wissens von nicht kündigungsberechtigten Personen – Organisationsmangel – Compliance – Schadensersatz
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3.11.2021, Az. 10 Sa 7/21
1. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB für eine außerordentliche Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er dieses konkrete Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (Anschluss an BAG 27.02.2020 – 2 AZR 570/19).
2. Auch im Falle von Compliance-Untersuchungen gegen eine Mehrzahl von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen läuft die jeweilige Kündigungserklärungsfrist individuell und wird grundsätzlich nicht so lange gehemmt, bis die Untersuchungen gegenüber allen potentiell beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen abgeschlossen sind.
3. Die Kenntnis einer nicht kündigungsberechtigten Person muss sich der Arbeitgeber für den Fristbeginn zurechnen lassen, wenn diese Person eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehat sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht der Kündigungsberechtigte ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann, und wenn die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (Anschluss an BAG 27.02.2020 – 2 AZR 570/19).
4. Die Einrichtung eines Compliance-Systems ist Bestandteil einer nicht unsachgemäßen, sondern sachgerechten Organisation. Bei Compliance-Untersuchungen muss sich aber die kündigungsberechtigte Person über den Stand der Ermittlungen in Kenntnis setzen lassen. Wird nicht durch regelmäßige Kontrolle und entsprechende Auftragserteilung sichergestellt, dass die Ermittelnden Informationen rechtzeitig weiterleiten, kommt die Zurechnung des Wissens der Person, die in herausgehobener Position und Funktion im Betrieb tätig und mit der Aufklärung des Sachverhalts betraut war, in Betracht (hier: Leiter „Legal & Compliance“).
VII.
Datenschutz im bEM
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2021, Az. 4 Sa 70/20
1. Aus § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (in der bis zum 09.06.2021 geltenden Fassung, seit 10.06.2021: Satz 4) folgt nicht nur, dass der Arbeitnehmer auf die Art und den Umfang der im betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen ist. Vielmehr ergibt sich hieraus auch, dass die Datenverarbeitung datenschutzkonform zu erfolgen hat.
2. Die Erreichung der Ziele des bEM erfordert nicht, dass nicht im bEM-Verfahren beteiligten Vertretern des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer im Verfahren mitgeteilte Diagnosedaten bekanntzumachen wären. Wenn dem Arbeitnehmer im Rahmen des § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (in der bis zum 09.06.2021 geltenden Fassung, seit 10.06.2021: Satz 4) dennoch eine Einwilligung in eine solche Datenoffenlegung abverlangt wird, ist im besonderen Maße auf die Freiwilligkeit hinzuweisen.
3. Wird in dem Hinweis über die Datenerhebung und Datenverwendung der fälschliche Eindruck erweckt, dass Gesundheitsdaten an Vertreter des Arbeitgebers weitergegeben werden können, die nicht am bEM-Verfahren beteiligt sind, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers. Die vom Arbeitgeber verursachte Fehlvorstellung steht einer ordnungsgemäßen Einleitung des bEM entgegen.
VIII.
Minijob; Arbeitszeit; Darlegungslast; Entgeltprozess; Glaubwürdigkeit; Indiztatsachen
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 9.09.2021, Az. 6 Sa 1245/20
1. Das Minijob-Arbeitsverhältnis ist ein vollwertiges Arbeitsverhältnis mit allen arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten. Das Gesetz erwartet daher von der Arbeitgeberin die gleiche Sorgfalt bei der Erstellung der Arbeitsvertragsurkunde, bei der Erfassung der Arbeitszeit, bei der Bewilligung von Urlaub und bei der Berechnung der Lohnansprüche, wie im Vollzeitarbeitsverhältnis. Die Abstufung der Darlegungslast nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO gilt folglich auch hier bei einem Streit über die Frage, ob und wann Arbeitsleistung erbracht worden ist.
2. Leidet das Vertrauen in die Rechtstreue der Arbeitgeberin und damit in ihre Glaubwürdigkeit durch den grob rechtswidrigen Inhalt der von ihr erstellten Arbeitsvertragsurkunde, durch die zu ihren Gunsten erfolgten Rechenfehler in der von ihr vorgelegten handschriftlichen Arbeitszeitaufstellung, durch die einseitige Festlegung von Urlaubstagen, durch die Nichtberücksichtigung solcher Urlaubstage bei der Erfassung der zu vergütenden Arbeitszeit, durch die Unterschreitung des Mindestlohnes und durch die pauschale Behauptung, spontane Arbeitszeitänderungen seien wohl auf kurzfristige Absagen von Kunden zurückzuführen, so fehlt ihrer Einlassung die nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO erforderliche Konkretisierung, wenn sie gegenüber der Arbeitszeitaufstellung der Klägerin lediglich eine alternative Liste vorlegt, die weder rechnerisch richtig ist, noch mit ihren per WhatsApp an die Klägerin kommunizierten Arbeitsaufforderungen in Einklang gebracht werden kann.
3. Ist der Vortrag der Beklagten zu den von der Klägerin behaupteten Arbeitsleistungen in dieser Weise über weite Strecken widersprüchlich, teilweise falsch und teilweise vertragswidrig, so stellt er sich weder als wahr noch als vollständig dar. Er ist daher nicht erheblich. Damit gilt der Vortrag der Klägerin zu den von ihr geleisteten Arbeitszeiten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig.
IX.
Besitz und Eigentumsvermutung;
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 9.09.2021, Az. 6 Sa 941/20
1. Hat die ehemals im Betrieb mitarbeitende ehemalige Lebensgefährtin des Betriebsinhabers unmittelbaren Eigenbesitz an einem Auto, wird nach § 1006 BGB zu ihren Gunsten vermutet, dass sie Eigentümerin des Autos ist. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsinhaber und ehemalige Lebensgefährte als Halter des Autos in Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II (ehemals: Kraftfahrzeugbrief) ist.
2. Die Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden, wobei dieser Beweis auch mit Hilfe von Beweiszeichen (Indiztatsachen) und Erfahrungssätzen geführt werden kann, wie zum Beispiel mit dem unstreitigen Vortrag, der Käufer, Halter und Inhaber der Zulassungsbescheinigung Teil II habe von Beginn an bis zuletzt die Beiträge zur Kfz-Versicherung, die Kfz-Steuer und das Benzin bezahlt.
3. Die Vermutung aus § 1006 BGB ist jedenfalls dann wiederlegt, wenn das Auto im Einvernehmen der damaligen Lebensgefährten und Arbeitsvertragsparteien und unter aktiver buchhalterischen Mitwirkung der unmittelbaren Besitzerin durchgehend als Dienstwagen geführt und auf Kosten des Betriebes und somit dort steuermindernd betankt worden ist, ohne dass bei der unmittelbaren Besitzerin ein geldwerter Vorteil als zu versteuerndes Einkommen berücksichtigt worden wäre.
X.
außerordentliche fristlose Kündigung
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 2.11.2021, Az. 4 Sa 290/21
Das Lesen einer offensichtlich an einen anderen Adressaten gerichtete Email sowie das Kopieren und die Weitergabe des Emailanhangs (privater Chatverlauf) an Dritte kann im Einzelfall eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen, auch wenn eine Zugriffsberechtigung auf das Emailkonto für dienstliche Tätigkeiten vorliegt.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll.
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Tel.: 0711/ 30 58 93-0Fax: 0711/ 30 58 93-11
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