10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Rechtsanspruch auf Dank und gute Wünsche im Arbeitszeugnis
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil 12.01.2021, Az. 3 Sa 800/20
1. Vereinbaren die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung eines "qualifizierten wohlwollenden Arbeitszeugnisses", lässt sich daraus allein die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ausspruch von Dank und guten Zukunftswünschen im zu erteilenden Zeugnis nicht herleiten.
2. Allerdings hat ein Arbeitnehmer, dem ein einwandfreies Verhalten und (zumindest leicht) überdurchschnittliche Leistungen attestiert werden, einen Rechtsanspruch auf den Ausspruch von Dank und guten Wünschen für die Zukunft im Arbeitszeugnis, soweit dem nicht im Einzelfall berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Das folgt aus dem Rücksichtnahmegebot gemäß § 241 Abs. 2 BGB, welches die Leistungspflicht nach § 109 GewO insoweit konkretisiert.
3. Ein Rechtsanspruch auf die Äußerung eines - tatsächlich nicht vorhandenen - Bedauerns über das Ausscheiden des Mitarbeiters besteht hingegen nicht. Dem stünde die Wahrheitspflicht entgegen.
II.
Bearbeitungspauschale Nichtabnahmeentschädigung
BGH, Urteil vom 08.06.2021, Az. XI ZR 356/20
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse enthaltene Bestimmung
"5. Nichtabnahmeentschädigung
………….
Bearbeitungspreis für die Berechnung der 50,00EUR Nichtabnahmeentschädigung, es sei denn, der Kunde
weist nach, dass kein oder ein geringerer Schaden/Aufwand entstanden ist"
hält der Inhaltskontrolle nach §§307, 309 Nr.5 BGB stand.
III.
Fälligkeit Abfindung bei Ausschluss aus Gesellschaft
BGH, Urteil vom 18. Mai 2021, Az. II ZR 41/20
Wendet sich der durch Beschluss der Gesellschafter aus wichtigem Grund ausgeschlossene Gesellschafter im Klageweg gegen die Wirksamkeit seines Ausschlusses, ist es ihm im Regelfall nicht zuzumuten, seinen Abfindungsanspruch vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses gerichtlich geltend zu machen.
IV.
Illegale Arbeitnehmerüberlassung – Auslandsbezug
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Entscheidung vom 09.04.2021, Az. 12 Sa 15/20
1. Arbeitet eine Leiharbeitnehmerin, die von einem ausländischen Verleiher entsandt wurde, in Deutschland für den Entleiher, so gilt für die Rechtsbeziehungen zwischen der Leiharbeitnehmerin und dem Entleiher gemäß Art. 8 Abs. 2 VO EG 593/2008 (Rom I) deutsches Recht.
2. Eine Arbeitnehmerüberlassung kann sich auch aus den mit dem Verleiher vereinbarten und den von dem Entleiher übertragenen Aufgaben der Leiharbeitnehmerin ergeben. Es bedarf daher nicht in jedem Fall der Darlegung von Einzelanweisungen, um eine Arbeitnehmerüberlassung feststellen zu können.
3. § 9 Nr. 1 AÜG ist eine zwingende Eingriffsnorm im Sinne des Art. 9 Abs. 1 VO EG 593/2008. Im Falle einer Arbeitnehmerüberlassung ohne behördliche Erlaubnis ist der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmerin innerhalb des Geltungsbereichs der Norm (in Deutschland) auch dann unwirksam, wenn für diesen Vertrag kraft Rechtswahl ausländisches Recht gilt. Außerhalb des Geltungsbereichs der Norm richtet sich die Wirksamkeit des Vertrags nach dem gewählten Recht.
4. Auch wenn im Fall einer Arbeitnehmerüberlassung ohne behördliche Erlaubnis das Vertragsverhältnis von Verleiher und Leiharbeitnehmerin kraft des gewählten Rechts im Ausland wirksam bleibt, gilt gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und der Leiharbeitnehmerin als zu Stande gekommen.
V.
Datenschutz - Informationsanspruch – Kopieanspruch
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.3.2021, Az. 21 Sa 43/20
1. Der Informationsanspruch des Art. 15 Abs. 1 2. Halbs. DSGVO ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antragsteller konkret mitteilt, welche Informationen er im Rahmen von lit. a bis h der Norm für welche Kategorie von personenbezogenen Daten begehrt.
Dasselbe gilt für den Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO.
2. Eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die Geltendmachung von Ansprüchen nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO bedarf es nicht. Es genügt grundsätzlich die Behauptung des Antragstellers, die Verantwortlichen iSd. Art. 4 Nr. 1, 2, 7 DSGVO würden personenbezogene Daten seiner Person verarbeiten.
VI.
Auslegung eines Kündigungsschreibens, vorsorgliche ordentliche Kündigung, Benennung eines falschen Beendigungstermins
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16.06.2021, Az. 10 Sa 122/21
Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin und benennt als Beendigungstermin ein konkretes Datum mit versehentlich zu lang gewählter Kündigungsfrist, kann die Auslegung nach dem Empfängerhorizont trotz des erkennbaren, schnellstmöglichen Beendigungswillens des Arbeitgebers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst zu dem genannten Datum ergeben.
VII.
Rückforderung einer Sonderzahlung in Bezug auf die Corona-Pandemie
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.5.2021, 1 Sa 12/21,
1. Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Rückzahlungspflicht für eine Sonderzahlung in Bezug auf die Corona-Pandemie in Höhe von 550,- € bei einer Bindungsdauer von zwölf Monaten vorsieht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, unwirksam (s. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB).
2. Ferner ist eine solche Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn mit ihr zumindest auch erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soll. Ein Indiz hierfür ist, wenn die Sonderzahlung „einmalig steuerfrei in Bezug auf die Corona-Pandemie“ gezahlt wird.
Die Entscheidung erging auf Antrag beider Parteien nach § 55 Abs. 3 ArbGG unmittelbar nach der Güteverhandlung durch den Vorsitzenden. Auf den Tatbestand wurde nach den §§ 313a Abs. 1 S. 1, 495 ZPO iVm § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG verzichtet.
VIII.
Ausschluss der ordentlichen Kündigung - AGB-Kontrolle - Weiterbildung zum Facharzt
ArbG Oldenburg, Urteil vom 25.05.2021, 6 Ca 141/21
Eine Vertragsklausel, wonach das zum Zwecke der Weiterbildung abgeschlossene Arbeitsverhältnis eines in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen approbierten Arztes nach Ablauf der Probezeit erst nach 42 Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ordentlich gekündigt werden kann, benachteiligt den in der Weiterbildung befindlichen Arzt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
IX.
Prokurist als Bevollmächtigter von TV
KG Berlin, Beschluss vom 05.07.2021, Az. 1 W 26/21
Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB für den Prokuristen besteht unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist .
Dies gilt auch, soweit der die Prokura erteilende Kauffmann als Testamentsvollstrecker tätig ist.
Leitsätze der Schriftleitung
X.
Genehmigungspflicht Beratungsvertrag bei Aktiengesellschaft
BGH, Urteil vom 29. Juni 2021, Az. II ZR 75/20
Ein Beratungsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft, deren gesetzlicher Vertreter ihr Aufsichtsratsmitglied ist, fällt in den Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG. Der Vertrag bedarf daher zur Wirksamkeit der Zustimmung des Aufsichtsrates (Leitsatz der Redaktion)
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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