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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart


I.
Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD (VKA) - Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG - Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2008/104/EG Leiharbeit
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Juni 2021, Az. 6 AZR 390/20 (A) –

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft im Wege der Personalgestellung bei einem Drittunternehmen zu erbringen, nachdem sein Aufgabenbereich zu diesem verlagert worden ist.

Der Kläger ist bei der beklagten GmbH seit April 2000 beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus, deren Trägerin und einzige Gesellschafterin eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist. Sie besitzt keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber geltenden Fassung Anwendung.

Im Juni 2018 gliederte die Beklagte verschiedene Aufgabenbereiche, zu denen auch der Arbeitsplatz des Klägers gehört, auf eine neu gegründete Service GmbH aus. Die Ausgliederung führte zu einem Betriebsteilübergang. Der Kläger widersprach nach § 613a Abs. 6 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Service GmbH. Seit Juni 2018 erbringt er allerdings auf Verlangen der Beklagten seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bei dieser GmbH. Sein dortiger Arbeitseinsatz ist auf Dauer angelegt. Das zwischen ihm und der Beklagten vereinbarte Arbeitsverhältnis besteht jedoch mit dem bisherigen Inhalt fort. Der Service GmbH obliegt nur das fachliche und organisatorische Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Inhaltsgleiche Regelungen bestehen in den Tarifverträgen für die Tarifbereiche des Bundes und der Länder.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Einsatz bei der Service GmbH verstoße gegen Unionsrecht. Bei der Personalgestellung iSv. § 4 Abs. 3 TVöD handele es sich um eine dauerhafte und damit nach der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung. Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, die Personalgestellung sei bereits aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) keine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom heutigen Tag den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung zweier Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG ersucht.* Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Personalgestellung iSv. § 4 Abs. 3 TVöD unter den Schutzzweck und damit in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt. Wenn dies zuträfe, käme es für die Entscheidung darauf an, ob die Leiharbeitsrichtlinie eine Bereichsausnahme wie die in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG geregelte zulässt. Die Beantwortung dieser Fragen betrifft die Auslegung des Unionsrechts, die in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt.

Siehe:
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2021&nr=25318&pos=0&anz=14&titel=Personalgestellung_nach_%A7_4_Abs._3_TV%F6D_(VKA)_-_Bereichsausnahme_in_%A7_1_Abs._3_Nr._2b_A%DCG_-_Vereinbarkeit_mit_der_Richtlinie_2008/104/EG_Leiharbeit


II.
Abmahnung eines Redakteurs - Anzeigepflicht Nebentätigkeit
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Juni 2021, Az. 9 AZR 413/19

Eine tarifliche Regelung, nach der ein angestellter Zeitschriftenredakteur dem Verlag die anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht anzuzeigen hat, soll dem Verlag regelmäßig die Prüfung ermöglichen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflicht, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift „W.“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften idF vom 4. November 2011 (MTV) Anwendung. Nach § 13 Ziffer 3 MTV bedarf eine Redakteurin bzw. ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihr/ihm bei ihrer/seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags. Der Arbeitsvertrag der Parteien verlangt anstelle der schriftlichen Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion.

Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt ua. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“ gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien - ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten - in der T.-Zeitung ein Beitrag des Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, der Erlaubnisvorbehalt in § 13 Ziffer 3 MTV verletze ihn als Redakteur in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit sowie in den weiteren Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, außerdem in dem Recht aus Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger wegen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 13 Ziffer 3 MTV abzumahnen. Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten. Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger sei unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen, vor der Veröffentlichung des Artikels in der T.-Zeitung die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Die Beklagte hatte ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung, um die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber gegebenenfalls verhindern zu können, während die Belange des Klägers dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt worden wären.

Siehe:

https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2021&nr=25312&pos=1&anz=14&titel=Abmahnung_eines_Redakteurs_-_Anzeigepflicht_Nebent%E4tigkeit

III.
Keine Tariffähigkeit der DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. Juni 2021, Az. 1 ABR 28/20

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden, dass die DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) nicht tariffähig ist.

Tarifverträge kann nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung schließen. Das setzt voraus, dass die Vereinigung über eine Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite und eine hinreichende organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs verfügt. Diese soziale Mächtigkeit wird regelmäßig durch die Zahl der organisierten Arbeitnehmer vermittelt.

Die im Jahr 1950 als Gewerkschaft der Kaufmannsgehilfen neu gegründete DHV verstand sich nach ihrer 1972 geltenden Satzung als eine Gewerkschaft der Angestellten im Handel, in der Industrie und dem privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich; seit 2002 als eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in Bereichen, die durch kaufmännische und verwaltende Berufe geprägt sind. Nach mehreren weiteren Änderungen des Organisationsbereichs erstreckt sich ihre Tarifzuständigkeit auf der Grundlage einer im November 2014 beschlossenen Satzung nunmehr auf Arbeitnehmer in unterschiedlichsten Bereichen, so ua. private Banken und Bausparkassen, Versicherungsgewerbe, Einzel- und Binnengroßhandel, Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform, Rettungsdienste, Deutsches Rotes Kreuz, Fleischwarenindustrie, Reiseveranstalter, Textilreinigung, Einrichtungen der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie IT-Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Die DHV verfügt - nach eigenem Bekunden - über 66.826 Mitglieder, die in ihrem satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich beschäftigt sind. Dieser erfasst nach Angaben der DHV um die 6,3 Mio. Arbeitnehmer, was einem Gesamtorganisationsgrad von etwa einem Prozent entspricht. In den einzelnen Zuständigkeitsbereichen schwankt ihr Organisationsgrad zwischen ungefähr 0,3 % (kaufmännische und verwaltende Berufe bei kommunalen Arbeitgebern) und 2,4 % (Versicherungsgewerbe).

In einem ua. von den Gewerkschaften IG Metall, ver.di und NGG eingeleiteten Beschlussverfahren haben diese die - zuletzt auf die Zeit ab dem 21. April 2015 bezogene - Feststellung begehrt, dass die DHV nicht tariffähig ist.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 26. Juni 2018 und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (siehe Pressemitteilung Nr. 35/18) hat dieses festgestellt, dass die DHV auf der Grundlage ihrer letzten Satzung seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig ist. Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde der DHV hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Wie die gebotene Gesamtwürdigung ergibt, kann selbst bei Zugrundelegung der Angaben der DHV nicht prognostiziert werden, dass diese in ihrem eigenständig bestimmten Zuständigkeitsbereich über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern verfügt. Die DHV kann ihre soziale Mächtigkeit auch nicht aus ihrer Teilnahme am Tarifgeschehen auf der Grundlage ihrer aktuellen Satzung herleiten.

Siehe:
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2021&nr=25339&pos=0&anz=15&titel=Keine_Tariff%E4higkeit_der_DHV_-_Die_Berufsgewerkschaft_e.V.

IV.
Gesetzlicher Mindestlohn für entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Juni 2021, Az. 5 AZR 505/20

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten.

Die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Bulgarien. Sie war seit April 2015 bei der Beklagten, einem Unternehmen mit Sitz in Bulgarien, als Sozialassistentin beschäftigt. In dem in bulgarischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag ist eine Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten. Die Klägerin wurde nach Berlin entsandt und arbeitete gegen eine Nettovergütung von 950,00 Euro monatlich im Haushalt der über 90-jährigen zu betreuenden Person, bei der sie auch ein Zimmer bewohnte. Ihre Aufgaben umfassten neben Haushaltstätigkeiten (wie Einkaufen, Kochen, Putzen etc.) eine „Grundversorgung“ (wie Hilfe bei der Hygiene, beim Ankleiden etc.) und soziale Aufgaben (zB Gesellschaft leisten, Ansprache, gemeinsame Interessenverfolgung). Der Einsatz der Klägerin erfolgte auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags, in dem sich die Beklagte gegenüber der zu betreuenden Person verpflichtete, die aufgeführten Betreuungsleistungen durch ihre Mitarbeiter in deren Haushalt zu erbringen.

Mit ihrer im August 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) weitere Vergütung verlangt. Sie hat geltend gemacht, bei der Betreuung nicht nur 30 Wochenstunden, sondern rund um die Uhr gearbeitet zu haben oder in Bereitschaft gewesen zu sein. Selbst nachts habe die Tür zu ihrem Zimmer offenbleiben müssen, damit sie auf Rufen der zu betreuenden Person dieser - etwa zum Gang auf die Toilette - Hilfe habe leisten können. Für den Zeitraum Mai bis August 2015 und Oktober bis Dezember 2015 hat die Klägerin zuletzt die Zahlung von 42.636,00 Euro brutto abzüglich erhaltener 6.680,00 Euro netto nebst Prozesszinsen begehrt. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sie schulde den gesetzlichen Mindestlohn nur für die arbeitsvertraglich vereinbarten 30 Wochenstunden. In dieser Zeit hätten die der Klägerin obliegenden Aufgaben ohne Weiteres erledigt werden können. Bereitschaftsdienst sei nicht vereinbart gewesen. Sollte die Klägerin tatsächlich mehr gearbeitet haben, sei dies nicht auf Veranlassung der Beklagten erfolgt.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend entsprochen und ist im Wege einer Schätzung von einer Arbeitszeit von 21 Stunden kalendertäglich ausgegangen. Hiergegen richten sich die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 20 iVm. § 1 MiLoG auch ausländische Arbeitgeber trifft, wenn sie Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Hierbei handelt es sich um Eingriffsnormen iSv. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO, die unabhängig davon gelten, ob ansonsten auf das Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches Recht Anwendung findet. Die Revision der Beklagten rügt jedoch mit Erfolg, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag zum Umfang der geleisteten Arbeit nicht ausreichend gewürdigt und deshalb unzutreffend angenommen, die tägliche Arbeitszeit der Klägerin habe unter Einschluss von Zeiten des Bereitschaftsdienstes 21 Stunden betragen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht in den Blick genommen, dass aufgrund des zwischen der Beklagten und der zu betreuenden Person geschlossenen Dienstleistungsvertrags eine 24-Stunden-Betreuung durch die Klägerin vorgesehen war. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft bei der nach § 286 ZPO gebotenen Würdigung des gesamten Parteivortrags den Hinweis der Beklagten auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche nicht berücksichtigt, sondern hierin ein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten gesehen. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils. Auch die Anschlussrevision der Klägerin ist begründet. Für die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe geschätzt täglich drei Stunden Freizeit gehabt, fehlt es bislang an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten, so dass auch aus diesem Grund das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben ist. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um insoweit den Sachverhalt weiter aufzuklären, den Vortrag der Parteien umfassend zu würdigen und festzustellen, in welchem Umfang die Klägerin Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst leisten musste und wie viele Stunden Freizeit sie hatte. Dass die Klägerin mehr als die im Arbeitsvertrag angegebenen 30 Stunden/Woche zu arbeiten hatte, dürfte - nach Aktenlage - nicht fernliegend sein.

Siehe:
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2021&nr=25345&pos=0&anz=16&titel=Gesetzlicher_Mindestlohn_f%FCr_entsandte_ausl%E4ndische_Betreuungskr%E4fte_in_Privathaushalten


V.
Fahrradessenslieferant kann von Arbeitgeber verlangen, dass ihm für die Einsätze ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt werden
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteile vom 12. März 2021, Az. 14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat über die Klage eines Fahrradkuriers eines Lieferdienstes entschieden. Der Auslieferer, der Bestellungen von Essen und Getränken bei Restaurants abholt und zu den Kunden bringt, hat gefordert, dass ihm für seine Tätigkeit ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Er sei nicht verpflichtet, sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Smartphone einschließlich des erforderlichen Datenvolumens für die Internetnutzung zu verwenden, wenn er arbeite.

Der Kläger hatte mit seiner Klage Erfolg, ebenso ein Kollege, der vom Lieferdienst nur verlangte, ihm für die Auslieferungen ein Smartphone zu stellen.

Beide Fahrradlieferanten sind Arbeitnehmer des Lieferdienstes. In ihren Arbeitsverträgen ist bestimmt, dass sie während der Einsätze Ausstattung („Equipment“) des Lieferdienstes benutzen, wofür ein Pfand von 100 € einbehalten wird, wie in einem separaten Vertrag geregelt. Zu diesem Equipment gehören weder das Fahrrad noch ein Smartphone. Ein Smartphone ist notwendig, weil die App des Lieferdienstes verwendet werden muss. Die Fahrer sind nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nur auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Außerdem können sie – was nicht im Arbeitsvertrag geregelt wurde – je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 € für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers abrufen.

Die 14. Kammer des LAG hat durch Urteile vom 12. März 2021 den Fahrradlieferanten im Berufungsverfahren Recht gegeben. Die Klagen waren von dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main in erster Instanz abgewiesen worden.

Die Arbeitsverträge der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der konkreten Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen worden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Siehe:
https://arbeitsgerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/fahrradlieferant-kann-von-arbeitgeber-verlangen-dass-ihm-f%C3%BCr-die-eins%C3%A4tze-ein

VI.
Ausschluss der ordentlichen Kündigung - AGB-Kontrolle - Weiterbildung zum Facharzt
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.5.2021, Az. 1 Sa 12/21

Eine Vertragsklausel, wonach das zum Zwecke der Weiterbildung abgeschlossene Arbeitsverhältnis eines in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen approbierten Arztes nach Ablauf der Probezeit erst nach 42 Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ordentlich gekündigt werden kann, benachteiligt den in der Weiterbildung befindlichen Arzt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2021&nr=35014&pos=1&anz=12


VII.
TVöD - Höhergruppierung - Beginn der Stufenlaufzeit
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.3.2021, Az. 12 Sa 84/20

1. Die Regelung in § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD, nach der im Falle einer Höhergruppierung die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung beginnt, knüpft allein an den Wechsel der Entgeltgruppe an. Es kommt nicht darauf an, wann die zu Grunde liegende Aufgabe übertragen wurde.

2. § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD gilt auch für korrigierende Höhergruppierungen: Die Stufenlaufzeit beginnt in jedem Fall ab dem Tag des Wechsels in die höhere Entgeltgruppe, unabhängig davon, seit wann die Beschäftigte die zu Grunde liegende Aufgabe wahrnimmt, und unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Korrektur einseitig vornimmt, sie vereinbart wird oder ob sie auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2021&nr=34978&pos=3&anz=12

VIII.
Aufhebungsvertrag, Drohung mit Kündigung, Drohung mit Strafanzeige, Gebot fairen Verhandelns
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.05.2021 , Az. 18 Sa 1124/20

Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht, einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit der - im Streitfall nicht widerrechtlichen - Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.

Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2021/18_Sa_1124_20_Urteil_20210517.html

IX.
Mobile Arbeit - Homeoffice – Einigungsstelle
Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 23.04.2021, Az. 9 TaBV 9/21

Zur Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Ausgestaltung mobiler Arbeit.

Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2021/9_TaBV_9_21_Beschluss_20210423.html

X.
Diskriminierung; Schmerzensgeld; Entschädigung
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 6.05.2021, Az. 8 Sa 581/20

Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2021/8_Sa_581_20_Urteil_20210506.html

XI.
Anteilige Urlaubskürzung für Zeiten von Kurzarbeit
Arbeitsgericht Osnabrück, Pressemitteilung vom 11.06.2021, kein Aktenzeichen angegeben

Der Arbeitgeber ist bei Kurzarbeit nicht berechtigt, den Erholungsurlaub der hiervon betroffenen Arbeitnehmer anteilig im Verhältnis zu den Jahresarbeitstagen zu kürzen, wenn keine Kurzarbeit „Null“ zu Grunde liegt.

Die klagenden Arbeitnehmer begehren die Gutschrift von Urlaubstagen, die ihnen für Zeiten von Kurzarbeit im Verhältnis zu ihren Jahresarbeitstagen durch den Arbeitgeber anteilig gekürzt worden sind. Der an einzelnen Tagen durchgeführten Kurzarbeit lagen mehrere nahtlos aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen Kurzarbeit zu Grunde. Die Arbeitszeit der klagenden Parteien war nicht auf „Null“ reduziert worden.

Die Betriebsvereinbarungen wurden jeweils erst kurze Zeit vor Beginn der Kurzarbeit zwischen den Betriebspartnern abgeschlossenen. Die Information der betroffenen Arbeitnehmer erfolgte danach. Dem Arbeitgeber war es nach den Betriebsvereinbarungen Kurzarbeit gestattet, die Kurzarbeit vorzeitig und kurzfristig mit einer „Ansagefrist“ von 2 Werktagen zu beenden oder zu reduzieren.

Die klagenden Parteien sind der Ansicht, dass die durchgeführte Kurzarbeit keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche hat. Der Kurzarbeiter habe nicht ähnlich einem Teilzeitbeschäftigten eine vorhersehbare und freigestaltbare Freizeit durch Kurzarbeit gewonnen, die er nutzen könne, um sich auszuruhen oder Freizeitaktivitäten nachzugehen.

Die Beklagte stützt sich zur Berechtigung der anteiligen Urlaubskürzung während der Kurzarbeit auf Entscheidungen des EuGH und des BAG über entsprechende Urlaubskürzungen gegenüber Teilzeitbeschäftigten und bei Gewährung eines Sabbaticals für Arbeitnehmer, sowie auf eine obergerichtliche Entscheidung bei Kurzarbeit „Null“. Im Übrigen könne es nicht sein, dass dann, wenn nach Ende der Kurzarbeit durch die Arbeitnehmer, die ihren vollen Jahresurlaub nehmen könnten, der Betrieb nach Wiederanlaufen nach der Kurzarbeit dadurch blockiert würde.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen vollumfänglich stattgegeben und den Arbeitgeber verpflichtet, den gekürzten Urlaubsanteil dem Urlaubskonto der klagenden Arbeitnehmer wieder gutzuschreiben.

Die anteilige Kürzung erscheint als rechtwidrig. Unabhängig davon, dass Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz für das Bestehen des Arbeitsverhältnisses als solches unabhängig von der Erbringung einer konkreten Arbeitsleistung gewährt wird, kann vorliegend nicht von einem zur anteiligen Urlaubskürzung berechtigenden Ruhen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kurzarbeit gesprochen werden. Bei einer Kurzarbeit-Vereinbarung, bei der die Arbeitszeit nicht auf „Null“ für diesen Zeitraum herabgesetzt wird, besteht keine vergleichbare Gesetzeslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, wie bei einem „Sabbatical“. Vielmehr zeigt die vergleichbare Lage zu sonstigen Ruhenstatbeständen im Arbeitsverhältnis, z.B. bei Elternzeit nach dem BEEG, dass hierfür anteilige Urlaubskürzung gesetzlich möglich ist. In Kenntnis dessen hätte der Gesetzgeber auch bei Kurzarbeit anteilige Urlaubskürzungen statuieren können. Dies hat der Gesetzgeber nicht nur unterlassen, sondern nach dem Bundesurlaubsgesetz gerade zum Ausdruck gebracht, dass Kurzarbeit nicht zur Verdienstschmälerung betreffend Urlaubsentgelt dienen soll.

Wegen der Durchführung von Kurzarbeit nur an einzelnen Tagen (statt Kurzarbeit „Null“), sowie der kurzfristigen Einführung als auch der vorliegenden Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung oder Reduzierung der durchgeführten Kurzarbeit mit einer Ansagefrist von 2 Werktagen sieht das Arbeitsgericht es als verfehlt an, einer derartigen Kurzarbeit die gleiche Rechtswirkung zuzusprechen, wie bei einem länger andauernden Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Es kann weder davon gesprochen werden, dass bei derartiger Kurzarbeit Arbeitnehmer dadurch ihren Erholungsurlaub bereits anteilig quasi realisiert haben. Noch spielt es eine Rolle, dass Arbeitnehmer nach Ende der Kurzarbeit ihre restlichen Urlaubsansprüche nehmen können. Dies liegt in der Natur der Sache. Eine etwaige dadurch einhergehende Betriebsblockade erscheint nicht nur im Hinblick auf die sonstigen Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer als Spekulation und ohne Belang.

Aus diesen Gründen konnte auch die Widerklage des Arbeitgebers auf Feststellung für zukünftige anteilige Urlaubskürzung bei Kurzarbeit keinen Erfolg haben.
Über die von den Klägern ebenfalls konkludent angegriffene Rechtsunwirksamkeit der Betriebsvereinbarungen Kurzarbeit aus formellen und inhaltlichen Gründe hat das Arbeitsgericht nicht entscheiden müssen. Hierauf ist es vorliegend nicht angekommen.
Die Berufung zum Landesarbeitsgericht wurde wegen der Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Siehe:
https://landesarbeitsgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/arbeitsgericht-osnabruck-anteilige-urlaubskurzung-fur-zeiten-von-kurzarbeit-201260.html


XII.
Kündigung, fristlos, außerordentlich, Sexuelle Belästigung, Abmahnung
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.03.2021,Az. 6 Sa 203/20

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ordentlichen Kündigung

Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/64DCE569F5ACAC32C12586E6004804E7/$file/Urteil-6-Sa-203-20-24-03-2021.pdf

XIII.
Berufung, unzulässig verworfen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Berufungsbegründung, Einreichung, verspätet, Fristversäumnis, Versand aus dem beA, Programmversagen, Glaubhaftmachung
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.04.2021,Az. 1 Sa 358/20

Die Parteien führen einen Kündigungsschutzprozess.

Gegen das ihr am 25.11.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 21.12.2020 Berufung eingelegt. Nach einem Wechsel in der Person des Prozessbevollmächtigten ist die Frist zur Begründung der Berufung auf dessen Antrag bis zum 25.02.2021 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist im elektronischen Rechtsverkehr am 26.02.2021 um 0:23 Uhr auf dem Server des Landesarbeitsgerichts eingegangen. Auf den Hinweis des Landesarbeitsgerichts vom selben Tag auf den Ablauf der Begründungsfrist hat die Klägerin am 04.03.2021 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, den sie wie folgt begründet:

Es sei vorliegend unvermeidlich gewesen, dass ihr Prozessbevollmächtigter den Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf habe fertigstellen können. Dieser habe den Fall erst bearbeiten können, nachdem er am 25.01.2021 Einsicht in die ca. 200 Seiten umfassende Gerichtsakte habe nehmen können, der vormalige Prozessbevollmächtigte habe nur unvollständige Unterlagen übermittelt. Er habe umfangreiche Recherchen betreiben müssen, was auch durch den Umfang der Berufungsbegründung belegt werde. Der Schriftsatz sei daher „grob finalisiert“ am Abend des 25.02.2021 erstellt und um 23:24 per E-Mail an sie –Klägerin –übersandt worden. Im Anschluss seien noch einzelne Korrekturen gefertigt worden, um ca. 23:45 Uhr habe sich der Schriftsatz im Signaturkorb befunden.

Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/86C612ABA9E1B039C12586E30030CA20/$file/Beschluss-1-Sa-358-20-08-04-2021.pdf

XIV.
Isolierte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Prozessvergleich
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2021, Az. 26 Ta 1537/20

1. Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug besonders. Angesichts der gebotenen kostenrechtlichen Auslegung ist jeder Verfahrensabschnitt, der besondere Kosten verursacht, grundsätzlich als besonderer Rechtszug zu behandeln (vgl. BGH 17. Januar 2018 - XII ZB 248/16, Rn. 19).(Rn.6)

2. Mehrere gebührenrechtlich selbständige Verfahrensabschnitte können zu einem einheitlichen Rechtszug iSv § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehören, wenn diese Verfahrensabschnitte bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe nach deren Sinn und Zweck nicht voneinander getrennt werden können.(Rn.6)

3. Ob eine isolierte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich zulässig ist, ist streitig (ablehnend: OLG Brandenburg 25. September 2006 - 9 WF 289/06, Rn. 6; Schultzky in: Zöller, 33. Aufl. 2020, § 114 ZPO, Rn. 38; bejahend: OLG Zweibrücken 26. März 1985 - 6 WF 37/85, JurBüro 1985, 1418, mit ablehnender Anmerkung Mümmler; Musielak/Voit/Fischer, 18. Aufl. 2021, ZPO § 119 Rn. 5).(Rn.6)

4. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 RVG in der seit dem 1. Januar 2021 maßgeblichen Fassung umfasst der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, wenn sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses erstreckt oder die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sich hierauf beschränkt. Das setzt die Möglichkeit dazu voraus.(Rn.7)

5. Die Beantwortung der Frage kann auch Bedeutung im Rahmen eines Mediationsverfahrens zukommen, wenn es darum geht, den Parteien isoliert für eine in diesem oder aufgrund des Mediationsverfahrens im Hauptsacheverfahren getroffene Vereinbarung Prozesskostenhilfe zu bewilligen.(Rn.7)

Siehe:
03.06.2021LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer26 Ta 1537/20BeschlussIsolierte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Prozessvergleich§ 114 ZPO, § 119 Abs 1 S 1 ZPO, § 48 Abs 1 S 2 RVG

XV.
Streitwert - Berücksichtigung Hilfsanträge
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.05.2021, Az. 26 Ta (Kost) 6052/21

1. Eine erstinstanzliche Entscheidung über Hilfsanträge ist für die Berechnung des erstinstanzlichen Gebührenstreitwerts unerheblich, wenn in einer Rechtsmittelinstanz letztlich den Hauptanträgen stattgegeben wird (vgl. BAG 21. Januar 2021 - 6 AZR 126/20; 17. Dezember 2015 - 2 AZR 304/15, Rn. 30; BGH 13. September 2016 - VII ZR 17/14, Rn. 18, mwN).(Rn.7)

2. Der Umstand, dass das Arbeitsgericht entgegen § 308 ZPO über einen unechten Hilfsantrag entschieden hat, bewirkt nicht seine Berücksichtigung im Rahmen der Streitwertbemessung.(Rn.8) Überschreitet das Gericht den gestellten Antrag in der irrigen Annahme, sich noch in dessen Rahmen zu halten, so ist für den Streitwert nicht die irrtümliche Entscheidung des Gerichts, sondern gemäß § 40 GKG der Antrag der Partei maßgebend (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 27. April 2021 - 17 Ta (Kost) 6033/21; 11. Mai 2021 - 26 Ta (Kost) 6034/21).(Rn.13)

3. Zur kostenrechtlichen Bewertung eines Weiterbeschäftigungsantrags (Fortführung zu
LAG Berlin-Brandenburg 17. Dezember 2020 - 26 Ta (Kost) 6098/20).(Rn.9)

Siehe:
27.05.2021LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer26 Ta (Kost) 6052/21BeschlussStreitwert - Berücksichtigung Hilfsanträge§ 40 GKG 2004, § 30 GKG 2004, § 68 GKG 2004, § 308 ZPOTreffer-Vorschau:… und hinsichtlich des Auskunftsantrags zurückgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Anerkenntnisurteil entschieden. …

XVI.
Vergleichsmehrwert - betriebsbedingte Kündigung - Zeugnisregelung
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.05.2021, Az. 26 Ta (Kost) 6019/21

1. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 22. Mai 2018 - 26 Ta (Kost) 6036/18; 16. Juli 2019 - 26 Ta (Kost) 6040/19).(Rn.9)

2. Angesichts der Auseinandersetzungen im Vorfeld der Kündigung im Hinblick auf einen dem Kläger vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug lagen hier solche besonderen Gesichtspunkte vor, aufgrund derer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs jedenfalls Ungewissheit bestand, ob die Beklagte dem Kläger ohne eine entsprechende Regelung im Vergleichstext ein sehr gutes Zeugnis ausstellen werde, auf deren Inhalt der Kläger zudem erheblichen Einfluss hätte nehmen können, wie das durch Nr. 3 des Vergleichs ermöglicht worden ist. Im Rahmen des Rechtsstreits haben sich die Parteien zudem über den Inhalt der Arbeitsaufgaben des Klägers gestritten.(Rn.10)

Siehe:
03.05.2021LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer26 Ta (Kost) 6019/21BeschlussVergleichsmehrwert - betriebsbedingte Kündigung - Zeugnisregelung§ 33 RVG


XVII.
Außerordentliche Kündigung - Entwendung und Verwertung geringwertigen und zur Entsorgung vorgesehenen Eigentums des Arbeitgebers - Personalratsanhörung
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.04.2021, Az. 23 Sa 1629/20

1. Der vom Arbeitnehmer getätigte Ausbau oder die Entnahme und der anschließende Verkauf von Hardware-Komponenten aus den vom Arbeitgeber zur Entsorgung bestimmten Geräten stellt einen Eingriff in die Eigentümerposition des Arbeitgebers und einen erheblichen Vertrauensbruch dar und ist als schwerwiegende und schuldhafte Pflichtverletzung an sich geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen.(Rn.33)

2. Auch unter Berücksichtigung der Geringwertigkeit solcher Hardware-Komponenten, die zur Entsorgung freigegeben sind, hat der Arbeitnehmer, um sich rechtmäßig zu verhalten, vom Arbeitgeber die Erlaubnis einzuholen, einzelne Komponenten auszubauen und für sich selbst zu verwerten.(Rn.34)

3. In einem solchen Fall ist auch eine Abmahnung entbehrlich, da in einem so schwerwiegenden Fall eines Eigentumsdelikts und der damit verbundenen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses nach objektivem Maßstab und für den Arbeitnehmer erkennbar eine Hinnahme dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist.(Rn.41)

Siehe:
28.04.2021LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer23 Sa 1629/20UrteilAußerordentliche Kündigung - Entwendung und Verwertung geringwertigen und zur Entsorgung vorgesehenen Eigentums des Arbeitgebers - PersonalratsanhörungTreffer-Vorschau:… 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung, die er – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum …Treffer-Vorschau:… 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. …

XVIII.
Rückzahlungsklausel - Sondervergütung - Transparenzgebot
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.04.2021, Az. 12 Sa 1122/20

Eine Rückzahlungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen gewährter Sondervergütungen, die dort unter den Vorbehalt bei Beendigung bestehender anderslautender betrieblicher Regelungen gestellt ist, verstößt gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer unüberschaubare Unklarheiten begründet, welche Festlegungen aus welchen Quellen die vereinbarte Rückzahlungspflicht nach ihren Voraussetzungen verändern und auch verschlechtern können.(Rn.20)

Eine solche Rückzahlungsklausel ist daher in Anwendung von §§ 306 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam.(Rn.25)

Die Teilstreichung allein des Vorbehalts liefe auf eine verbotene geltungserhaltende Reduktion hinaus, da der Vorbehalt mit der Vereinbarung über die Rückzahlungspflicht eine Sinneinheit bildet und gerade deren Inhalt ungewiss macht.(Rn.38)

Siehe:
23.04.2021LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer12 Sa 1122/20UrteilRückzahlungsklausel - Sondervergütung - Transparenzgebot§ 307 Abs 1 S 2 BGB

XIX.
Diskriminierung - Elternzeit - Maßregelung - Sachgrund Vertretung - Schwangerschaft
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.04.2021, Az. 12 Sa 1421/20

Siehe:
23.04.2021LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer12 Sa 1421/20UrteilDiskriminierung - Elternzeit - Maßregelung - Sachgrund Vertretung - Schwangerschaft


XX.
Urlaubsentgelt - Urlaubsanspruch - Erfüllung - Ausschlussfrist - Bonus - Zuschlag
LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.04.2021, Az. 2 Sa 182/21

Siehe:
16.04.2021LArbG Berlin-Brandenburg 2. Kammer2 Sa 182/21UrteilUrlaubsentgelt - Urlaubsanspruch - Erfüllung - Ausschlussfrist - Bonus - Zuschlag§ 611a Abs 2 BGB, § 11 Abs 1 S 1 BUrlG, § 157 BGB, § 362 Abs 1 BGBTreffer-Vorschau:… zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 15.10.2020 …

XXI.
Corona - einstweilige Verfügung - Informationsmittel - Kommunikationsmittel - Videokonferenzen
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2021, Az. 15 Ta BVGa 401/21

Siehe:
14.04.2021LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer15 TaBVGa 401/21BeschlussCorona - einstweilige Verfügung - Informationsmittel - Kommunikationsmittel - Videokonferenzen§ 129 Abs 1 BetrVG, § 40 Abs 2 BetrVG, § 935 ZPO, § 940 ZPOTreffer-Vorschau:… und formgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt und begründet worden. …Treffer-Vorschau:… so Hessisches Landesarbeitsgericht 28.11.2011 – 16 TaBV 129/11 – juris). …

XXII.
Allgemeiner Feststellungsantrag - Folgekündigung - Klageerweiterung in der Berufungsinstanz - Kündigungsschutzprozess
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2021, Az. 7 Sa 497/19

Siehe:
13.04.2021LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer7 Sa 497/19UrteilAllgemeiner Feststellungsantrag - Folgekündigung - Klageerweiterung in der Berufungsinstanz - Kündigungsschutzprozess§ 533 ZPO, § 263 ZPO, § 264 ZPOTreffer-Vorschau:… Ausdrücklicher Anschluss an das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 12. Februar 2021 - 9 Sa 926/19 . …Treffer-Vorschau:…

Mit besten Grüßen
Ihr

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VDAA – Präsident

VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V.
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