Angst um die Meinungsfreiheit im Internet
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- Rechtliche Grauzone
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Angst um die Meinungsfreiheit im Internet
von Ludwig Greven
Die Urteile erregten große Aufregung: Erst wies das Hamburger Landgericht Betreibern von Internet-Foren die volle Haftung für Beiträge von Nutzern zu. Dann sperrte ein Berliner Gericht vorübergehend die Weiterleitung auf die deutsche Ausgabe des Online-Lexikons Wikipedia.
Nun fürchtet die Internet-Gemeinde um die Informations- und Diskussionsfreiheit in Web. Die Anlässe waren in beiden Fällen eher zufällig. In Hamburg hatte ein Unternehmen gegen den Heise-Verlag eine einstweilige Verfügung erwirkt, weil in einem Heise-Forum dazu aufgerufen worden war, den Server der Firma durch massenhaftes Downloaden lahm zu legen. Das Gericht bestätigte die Verfügung und erlegte dem Verlag damit faktisch auf, sämtliche Beiträge zu den Diskussionsforen im Vorhinein auf mögliche Rechtsverstöße zu überprüfen - was schon technisch kaum möglich ist.
Betreiber auch anderer Web-Foren, Blogs und Chats fürchten seit dieser Gerichtsentscheidung von Anfang Dezember, dass nun auch sie gezwungen sein könnten, Beiträge vorab zu kontrollieren, was dem Sinn der Foren widerspricht und auch praktisch kaum umzusetzen ist. Da die Betreiber jedoch - sofern sich die Hamburger Rechtssprechung durchsetzen sollte - in jedem Fall für die Beiträge Verantwortung tragen, könnte dies das Ende ungefilterter Debatten im Internet bedeuten.
"Wir werden Foren schließen müssen, wenn einzelne Teilnehmer über die Stränge zu schlagen drohen, und können wohl zu brisanten Themen generell keine Diskussionsplattform mehr anbieten", fürchtet Heise-Chefredakteur Christian Persson. Entsprechend heftig waren die Reaktionen in zahlreichen Internet-Diskussionsforen.
Rechtliche Grauzone
Im Fall Wikipedia ging es darum, dass in einem Eintrag der von den Usern selbst verfassten Internet-Enzyklopädie der Klarname eines 1998 verstorbenen Berliner Hackers genannt wurde. Seine Eltern erreichten darauf hin Mitte Januar, dass ein Berliner Gericht dem deutschen Betreiberverein untersagte, auf die Domain de.wikipedia.org weiterzuleiten. Nach einigen Tagen wurde die Verfügung allerdings wieder ausgesetzt. Dieser Tage wird nun endgültig darüber entschieden.
Experten sind in beiden Fällen noch unschlüssig, wie weit reichend die Folgen der beiden Gerichtsentscheidungen sind, zumal die Begründungen und die Hauptverhandlungen noch ausstehen. Professor Ulrich Sieber, einer der führenden deutschen Fachleute in Sachen Internet-Recht vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, weist darauf hin, dass es hier eine rechtliche Grauzone gibt. "Die auftretenden Probleme sind ziemlich neu. Selbst grundsätzliche Fragen, wer für solche Beiträge die juristische Verantwortung trägt, sind in der Rechtsprechung nach wie vor ungeklärt und werden von den Gerichten zum Teil unterschiedlich beurteilt", sagte Sieber FTD Online.
Andere Maßstäbe
Letztlich gelte aber: "Der Verfasser ist strafrechtlich für seine Inhalte voll verantwortlich. Der Blog- oder Forum-Betreiber haftet grundsätzlich nur, wenn er den rechtswidrigen Inhalt eines Beitrags kennt - es sei denn, dass er sich den Inhalt ausdrücklich zu eigen macht", so Sieber. Der Provider habe deshalb auch keine aktive Prüfpflicht, "er muss erst dann einschreiten, wenn er von rechtswidrigen Inhalten erfährt."
Allerdings beobachtet der Jurist, dass manche Gerichte inzwischen dazu neigen, die Haftung für Äußerungen in der "Online-Welt" nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie in der "Offline-Welt" etwa bei Zeitungen - obwohl im Internet ausdrücklich andere rechtliche Bestimmungen gelten.
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Quelle:
http://www.ftd.de/technik/medien/44035.html
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