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Helene-Monika Filiz
Paul-Ehrlich-Str. 27
60596 Frankfurt am Main

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Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes auf die Honorarordnung für Architekten

(Kiel) Die vielbeachtete Entscheidung des EuGH vom 4. Juli 2019 (Rs. C-377/17) hat in der Praxis zu tiefgreifenden Verunsicherungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) – immerhin ein „Erfolgsmodell“ wie die VOB/B in der Praxis – geführt.



Verlässliche Regelungen, verbindliche Absprachen auf der Grundlage der HOAI sind sozusagen „durch einen Strich des Europäischen Gerichtshofes“ – so wähnte manch ein Kritiker – zur Makulatur geworden. Die Unsicherheit betrifft gleichermaßen die Auftragnehmer- als auch die Auftraggeberseite und ist beiderseits mit nicht unerheblichen wirtschaftlichen Risiken behaftet. Je nach wohlverstandener (wirtschaftlicher) Interessenlage scheint nunmehr im Rahmen der laufenden und zukünftigen Prozesse im Hinblick auf Honorar, welches grundsätzlich vom Anwendungsbereich der HOAI umfasst ist, gegensätzliche Standpunkte vertretbar.

Um die nunmehr vertretenen Ansichten und unterschiedliche obergerichtliche Rechtsprechung besser verstehen zu können, so die Frankfurter Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Helene – Monika Filiz, Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. mit Sitz in Kiel, muss man sich die Einzelheiten der Entscheidungen des EuGH im Detail ansehen.

- Was besagt die Entscheidung des EuGH?

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/1123/EG) verstoßen hat. Der Verstoß liegt in der Beibehaltung verbindlicher Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren, gleichwohl die Zulassungsvoraussetzungen zu diesen Berufsbildern auch anderen Dienstleistern, die nicht diesen strengen Regelungen unterliegen, nicht einschränkend definiert sind.

- Wer ist Partei des Verfahrens und somit Adressat der Entscheidung?

Das Feststellungsurteil im Hinblick auf den Verstoß deutscher Regelungen im Verhältnis zu europarechtlich vorrangigen Normen (hier die Dienstleistungsrichtlinie) ist an die Bundesrepublik Deutschland adressiert. Aus diesem Feststellungsurteil folgt die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, eine Novellierung der HOAI vorzunehmen. Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass sich die Europarechtswidrigkeit nicht auf die HOAI in Gänze, sondern lediglich auf die Frage der Feststellung der Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze bezieht.

- Reaktion der Bundesrepublik Deutschland / Verwaltungshandeln

Am 22. Juli 2019 hat das Bundesministerium des Inneren einen Hinweis erlassen, um zeitnah ein unionsrechtskonformes Handeln der Verwaltung sicherzustellen. Danach sind bestehende Verträge der öffentlichen Hand mit Architekten und Ingenieuren grundsätzlich weiterhin als wirksam anzusehen. Da Mindest- und Höchsthonorarsätze allerdings nach der Entscheidung des EuGH nicht mehr verbindlich vorgegeben werden dürfen, besteht grundsätzlich, auch bei eventuellen Abweichungen, kein Anspruch (mehr) auf Anpassung an diese Honorarsätze. Gleiches soll für das Verlangen nach einer Anpassung des Honorars an die Mindestsätze der HOAI im Rahmen von Stufenverträgen für den Abruf einer weiteren Leistungsstufe gelten.

Die Konsequenzen hinsichtlich des Anwendungsbereiches der HOAI werden unmittelbar bei der Vergabe von Planungsleistungen im Anwendungsbereich der HOAI ab dem 04.07.2019 ersichtlich. Dementsprechend ist ein Ausschluss von Angeboten nicht mehr mit der Argumentation der Über- oder Unterschreitung der entsprechenden Gebührensätze der HOAI möglich.

Das Verbot, die EU-rechtswidrigen Vorschriften der HOAI bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen als Zuschlagskriterium anzuwenden ist für öffentliche Auftraggeber unmittelbar zu beachten (vgl. VK Bund, Beschluss vom 30. August 2019 – VK 2-60/19).

- Reaktion der Gerichte in laufenden Verfahren?

Die größte Verunsicherung hat das EuGH-Urteil im Zusammenhang mit laufenden gerichtlichen Verfahren bedingt. Die bisherige Rechtslage war einfach, da die HOAI als zwingendes Preisrecht verstanden wurde. Dies hatte zur Konsequenz, dass bei einem Verstoß einer vergütungsrechtlichen Vereinbarung im Hinblick auf zwingendes Preisrecht zwingend unwirksam war.

Bei einem Verstoß gegen die zwingenden Bestimmungen der preisrechtlichen Vorgaben der HOAI, beispielsweise bei der Vereinbarung eines Architektenhonorars unterhalb der Mindestsätze der HOAI, der Architekt – auch noch zu einem späteren Zeitpunkt – das Honorar auf Grundlage der Mindestsätze der HOAI mit Erfolg begehren konnte (vgl. z.B. OLG München, Beschluss vom 22.08.2017 – 27 U 134/17 Bau).

Nach dem EuGH-Urteil haben sich allerdings sich in der Rechtsprechung sowie in der einschlägigen Fachliteratur zwei gegensätzliche Standpunkte zu der Frage entwickelt, ob die Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren auch für deutsche Zivilgerichte verbindlich ist und inwiefern die Regelung des § 7 HOAI 2013 noch angewandt werden darf.

Die neueren Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 23. Juli 2019 – 21 U 24/18) und des Kammergerichts (Beschluss vom 19. August 2019 – 21 U 20/19) führen zu einer Anwendung des Mindestpreisgebots der HOAI nach Ma0gabe der §§ 7 Abs. 3 und 5 HOAI 2013. Die Vertreter dieser Rechtsmeinung begründen dies damit, dass Urteil des EuGH nur den Mitgliedstaat bindet, da lediglich derselbe Adressat des entsprechenden Urteils ist. Der betroffene Staat hat alsdann nach eigenem Ermessen die geeigneten Maßnahmen zu erbgreifen, um die unionsrechtswidrige Situation zu beenden. Dementsprechend entfalte die Feststellungsurteil des EuGH für den einzelnen Bürger keine unmittelbare rechtliche Wirkung. Auch führe die Feststellung der Europarechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI im Vertragsverletzungsverfahren nicht dazu, dass zum Zeitpunkt des Verstoßes die HOAI zu beachten war. Eine Rückwirkung existiert in diesem Zusammenhang nicht.
Die Vertreter des gegenteiligen Rechtsstandpunktes, beispielsweise das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 17. Juli 2019 – 14 U 188/18) und Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 17. September 2019 – 23 U 155/18) und nunmehr auch OLG Düsseldorf (Urteil vom 28. Januar 2020 – I-21 U 21/19) besteht eine rechtliche Verpflichtung staatlicher Gerichte, nach Feststellung der Europarechtswidrigkeiten bestimmter Normen der HOAI, diese nicht mehr anzuwenden. Die Verpflichtung des Staates zur sofortigen Beendigung des Vertragsverstoßes führe dazu, dass sämtliche staatlichen Behörden und Organe hierauf hinwirken müssen. Demnach habe die Entscheidung des EuGH zur Konsequenz, dass Honorarvereinbarungen nicht deshalb unwirksam sind, weil sie die Mindestsätze der HOAI unterschreiten oder deren Höchstsätze überschreiten. Dementsprechend kann bei einer Unterschreitung der HOAI-Mindestsätze keine Nachforderung im Rahmen der Schlussrechnung auf Basis der Mindestsätze rechtlich zulässig gefordert werden.

Höchstrichterliche Entscheidung / Rechtssicherheit

Derzeit ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm im Rahmen eines Revisionsverfahrens bei dem Bundesgerichtshof eingelegt (Az. VII ZR 174/19). Diese Entscheidung wird alsdann – unabhängig davon – ob und ggf. mit welchen Einschränkungen der einen oder anderen Rechtsmeinung zu folgen sein wird, insoweit zur Rechtssicherheit beitragen. Verhandlungstermin ist für den 14. Mai 2020 angesetzt.
Filiz empfahl, dies zu beachten und bei Fragen zum Baurecht auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei sie in diesem Zusammenhang u. a. auch auf den VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V. - www.VBMI-Anwaltsverband.de - verwies.

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Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Helene – Monika Filiz
Rechtsanwältin / Fachanwältin für Familienrecht / Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Präsidentin des VBMI - VERBAND DEUTSCHER ANWÄLTE für Bau-, Miet- und Immobilienrecht e. V.

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