10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Gesellschafter-Geschäftsführer als arbeitnehmerähnliche Person
BGH, Urteil vom 01.10.2019, Az. II ZR 386/17
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern 50 % der Geschäftsanteile hält und selbst nicht mit einem nur unbedeutenden Geschäftsanteil an der Gesellschaft beteiligt ist, ist keine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG .
II.
Klausel zur Kündigungsfrist für Pferdepensionsvertrag
BGH, Urteil vom 02.10.2019, Az. XII ZR 8/19
In einem sogenannten Pferdepensionsvertrag hält eine vorformulierte Vertragsbestimmung, die eine beiderseitige Kündigungsfrist von acht Wochen zum Monatsende vorsieht, grundsätzlich der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB stand.
III.
Hinweispflicht des Verwalters auf Gewährleistung und Verjährung
BGH, Urteil vom 19.07.2019, Az. V ZR 75/18
a)Der Verwalter muss zur Vorbereitung der Beschlussfassung über Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums die verschiedenen Handlungsoptionen aufzeigen; dabei hat er die Wohnungseigentümer auf mögliche Gewährleistungsansprüche und auf eine drohende Verjährung dieser Ansprüche hinzuweisen.
b)Den mit dem Bauträger identischen, von ihm eingesetzten, mit ihm verbundenen oder von ihm abhängigen Verwalter (sog. Bauträgerverwalter) treffen die gleichen Pflichten hinsichtlich der Vorbereitung einer sachgerechten Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums wie jeden anderen Verwalter; er muss somit auch auf Gewährleistungsansprüche "gegen sich selbst" und eine drohende Verjährung dieser Ansprüche hinweisen.
c)Hat der Verwalter Anhaltspunkte dafür, dass ein Mangel am Gemeinschaftseigentum entgegen einer Erklärung des Bauträgers nicht beseitigt ist, muss er die Wohnungseigentümer hierüber unterrichten und auf einen sachgerechten Beschluss über das weitere Vorgehen hinwirken.
IV.
Benachteiligung nach AGG - Entschädigungsverlangen - Rechtsmissbrauch - Ziel der Entschädigung
ArbG Bonn, Urteil vom 23. Oktober 2019, Az. 5 Ca 1201/19
1. Ein Bewerber, der Ansprüche wegen einer behaupteten Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes geltend macht, muss zumindest Indizien vortragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (Anschluss an BAG 16. Mai 2019 - 8 AZR 315/18 - Rn. 15).
2. Das Entschädigungsverlangen eines Bewerbers ist rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern zu dem Zweck, den Status eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen (Anschluss an BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 45).
3. Einzelfall zu einer durch die Gestaltung und den Inhalt des Bewerbungsschreibens provozierten Absage.
V.
Schenkungsteuer: Grundstücksschenkung an ein Kind bei anschließender Weiterschenkung als Zuwendung an das Enkelkind
FG Hamburg, Urteil vom 20. August 2019, 3 K 123/18
1. Überträgt ein Großelternteil ein Grundstück schenkweise auf ein Kind und schenkt das bedachte Kind unmittelbar im Anschluss an die ausgeführte Schenkung einen Grundstücksteil an das Enkelkind weiter, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein, liegt schenkungsteuerrechtlich keine Zuwendung des Großelternteils an das Enkelkind vor (Rn.47).
2. Dass die Weiterübertragung in einem gemeinschaftlichen Testament der Großeltern vorgesehen ist, reicht für sich nicht aus, um eine Zuwendung des Großelternteils an das Enkelkind zu begründen (Rn.53).
VI.
Zur Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten: Bei der Schätzung kann von dem arithmetischen Mittel der Fraunhofer-Liste und der Schwacke-Liste ausgegangen werden.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. November 2019, Az. 7 U 39/19
1.Mietwagenkosten sind nur im Umfang des günstigsten Vergleichsangebots auf dem örtlich relevanten Markt erstattungsfähig. Der Geschädigte hat grundsätzlich darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - kein wesentlich günstiger Tarif zugänglich war.
2.Soweit der Haftungsgrund feststeht und lediglich die Angemessenheit der angefallenen Mietwagenkosten streitig ist, soll trotz fehlender Darlegung der eingetretene Mindestschaden nach § 287 ZPO geschätzt werden.
3.Der Zivilrichter ist grundsätzlich berechtigt, seiner Schadensschätzung sowohl die Schwacke-Liste als auch den Fraunhofer-Mietpreisspiegel oder eine Kombination aus beidem (arithmetisches Mittel) zugrunde zu legen. Beide Listen sind grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet, insoweit gibt es kein Richtig oder Falsch.
4.Es ist insbesondere sachgerecht, den Mindestschaden auf Grundlage des arithmetischen Mittels der einschlägigen Mietwagenkosten aus der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Liste zu schätzen.
5.Hinsichtlich der Fahrzeugklasse ist auf den angemieteten Ersatzwagen und nicht auf den beschädigten Unfallwagen abzustellen. Bei Anmietung eines klassentieferen Fahrzeugs ist kein Abschlag für ersparte Eigenaufwendungen vorzunehmen.
6.Ein pauschaler Aufschlag auf den ermittelten „Normaltarif“ ist nur dann gerechtfertigt, wenn dies zur Abgeltung der mit der unfallbedingten Anmietung verbundenen Sondersituation oder der besonderen Vorhaltekosten des Fahrzeugvermieters dient. Ein solcher Aufschlag ist jedenfalls für einige Tage insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte aufgrund einer unfallbedingten Not- und Eilsituation oder in Ermangelung ausreichender finanzieller Liquidität nicht in der Lage war, eine Anmietung zum günstigeren Normaltarif zu erhalten. Dies ist jedoch vom Geschädigten darzulegen und ggf. nachzuweisen.
7.Gesondert in Rechnung gestellte weitere Leistungen wie Winterreifen, Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs, weiterer Fahrer, Anhängerkupplung und Navigationsgerät sind dem arithmetischen Mittel aus den Tabellen von Fraunhofer und Schwacke nur dann zuzuschlagen, sofern sie im Rahmen der streitgegenständlichen Anmietung auch tatsächlich angefallen sind.
VII.
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH - Kapitalbeteiligung - Rechtsmacht - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Abgrenzung
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Oktober 2019, Az. L 1 KR 502/18
Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einer Kapitalbeteiligung von jeweils 33,33 % sind abhängig beschäftigt. Scheidet ein Gesellschafter-Geschäftsführer aus und wird sein Kapitalanteil auf die GmbH übertragen, so entspricht dies faktisch einer Aufteilung von je 50 %, so dass die beiden verbliebenen Gesellschafter als Geschäftsführer selbstständig tätig sind. (Rn.33)
VIII.
LG Berlin, Beschluss vom 01. Oktober 2019, Az. 67 T 107/19
Wird der Mieter nicht im Rahmen einer Individualvereinbarung, sondern durch eine vom Vermieter gestellte Formularklausel zur Erbringung einer „Mietsicherheit“ verpflichtet, ohne dass die Klausel die Befugnis einer vermieterseitigen Verwertung während oder nach Beendigung des Mietverhältnisses näher regelt, ist der Kaution in Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB lediglich eine auf den Wortlaut der Sicherungsabrede beschränkte Funktion einer bloßen Sicherung des Vermieters vor einer möglichen Insolvenz des Mieters beizumessen, die ihm auch nach Beendigung des Mietverhältnisses ausschließlich für unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Ansprüche das Recht zur Verwertung eröffnet.
IX.
Gesamtschuldnerische Haftung innerhalb einer Partnergesellschaft
BGH, Urteil vom 12. September 2019, Az. IX ZR 190/18
War ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, endet seine Mithaftung nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft. (Rn.10)
X.
Steuerliche Berücksichtigung des Forderungsverzichts eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft nach Einführung der Abgeltungsteuer
BFH, Urteil vom 06. August 2019, Az. VIII R 18/16
1. Ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf einen Teil der ihm gegen die Kapitalgesellschaft zustehenden Darlehensforderung führt zu einer Einlage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, soweit der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet (Anschluss an Beschluss des Großen Senats des BFH vom 09.06.1997 - GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, unter C.II.4.). Dies setzt voraus, dass der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung übersteigt. Stehen dem durch die Einlage bewirkten Zufluss Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüber, fällt kein Gewinn i.S. des § 20 Abs. 4 EStG an (Rn.16).
2. Der Verzicht des Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die Kapitalgesellschaft steht einer Abtretung gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall. Steuerliche Auswirkungen hat der Forderungsverzicht jedoch nur, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat (Rn.19) (Rn.21)(Rn.23).
Orientierungssatz
1. Zu Leitsatz 2: Der anderslautenden Auffassung in Rz. 61 des BMF-Schreibens vom 18.01.2016 IV C 1-S 2252/08/10004:017, 2015/0468306 (BStBl I 2016, 85) ist nicht zu folgen (Rn.19).
2. Zu Leitsatz 2: Der Anerkennung eines entsprechenden Verlustes steht die Freiwilligkeit des Verzichts nicht entgegen (a.A. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.07.2016 3 K 1133/14) (Rn.22).
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Michael Henn
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