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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Rechtsweg - Projektdienstleister - Arbeitnehmer - Eingliederung in Unternehmen und Betrieb
Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 8.05.2019, Az. 9 Ta 31/19
Wird ein Projektdienstleister im Umfang der üblichen Wochenarbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in den Büroräumen des Unternehmens mit den vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln (PC, Telefon, E-Mail-Adresse, Visitenkarte) tätig, ohne dass von betrieblichen Daueraufgaben abgrenzbare Projekte erkennbar sind, handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis.
II.
Grobe Beleidigungen eines Arbeitskollegen als fristloser Kündigungsgrund, ausländerfeindliche/rassistische Äußerungen in verbaler Form und per WhatsApp,
Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 14.3.2019, Az. 11 Ca 3737/18
1. Grobe Beleidigungen in Form ausländerfeindlicher/rassistischer Äußerungen sowohl in verbaler Form als auch im Rahmen eines WhatsApp-Verkehrs können einen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen.
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht einer entsprechenden Kündigung auch bei kurz zuvor abgeschlossenem Altersteilzeitvertrag nicht zwingend entgegen.
3. Im Abschluss eines Altersteilzeitvertrages zeitlich kurz vor Ausspruch der Kündigung ist jedenfalls dann, wenn keine abschließende Kenntnis des Kündigungsberechtigten über die Kündigungstatsachen bestand, auch kein Kündigungsverzicht zu sehen.
III.
Inhaber eines Sparkontos für Minderjährigen
BGH, Beschluss vom 17.07.2019, Az. XII ZB 425/18
a) Kontoinhaber eines Sparkontos ist derjenige, der nach dem erkennbaren Willen des das Konto eröffnenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll (Anschluss an BGH Urteile vom 25. April 2005 - II ZR 103/03 -FamRZ 2005, 1168und vom 2. Februar 1994 - IV ZR 51/93 -FamRZ 1994, 625).
b) Daraus, dass die Eltern ein auf den Namen ihres minderjährigen Kindes angelegtes Sparbuch nicht aus der Hand geben, lässt sich nicht typischerweise schließen, dass sie sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten wollen (Abgrenzung zu BGH Urteile vom 18. Januar 2005 - X ZR 264/02 -FamRZ 2005, 510und BGHZ 46, 198 = FamRZ 1967, 37).
c) Für die Frage, ob einem Kind Ansprüche gegen seine Eltern wegen von diesen vorgenommenen Verfügungen über ein Sparguthaben zustehen, ist das Innenverhältnis zwischen Kind und Eltern maßgeblich; der rechtlichen Beziehung zur Bank kommt insoweit nur indizielle Bedeutung zu.
IV.
Entgeltanspruch des Wohnungsvermittlers setzt Abschluss eines wirksamen Maklervertrags zwischen dem Wohnungsvermittler und seinem Kunden voraus
BGH, Urteil vom 14.03.2019, Az. I ZR 134/18
a) Der Entgeltanspruch des Wohnungsvermittlers nach § 2 Abs. 1 WoVermittG setzt den Abschluss eines wirksamen Maklervertrags zwischen dem Wohnungsvermittler und seinem Kunden nach § 652 Abs. 1 BGB voraus.
b) Ein Vormieter, der vom Vermieter die Erlaubnis bekommen hat, sich selbst um einen Nachmieter zu kümmern, ist grundsätzlich als "anderer Berechtigter" im Sinne von § 2 Abs. 1a WoVermittG anzusehen.
c) Ein Wohnungsvermittler ist jedenfalls in Fällen, in denen er den Auftrag zum Angebot der Wohnung im Interesse und auf Initiative eines einzigen Wohnungssuchenden eingeholt hat, mit dem der Vermieter anschließend den Mietvertrag geschlossen hat, im Sinne von § 2 Abs. 1a Halbsatz 1 WoVermittG ausschließlich im Interesse dieses Wohnungssuchenden tätig geworden.
d) Wenn bei einem Verbrauchervertrag der Beginn der Widerrufsfrist streitig ist, hat der Unternehmer nach § 361 Abs. 3 BGB alle Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen er die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will, wie insbesondere die Belehrung des anderen Vertragsteils und deren Ordnungsmäßigkeit, ihren Zeitpunkt sowie ihre Mitteilung.
e) Nach § 309 Nr. 12 Halbsatz 1 Buchst. b BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere dann grundsätzlich unwirksam, wenn er diesen bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. Die Bestimmung erfasst namentlich Erklärungen, mit denen der andere Vertragsteil bestätigt, eine ihm zu erteilende Widerrufsbelehrung gelesen und verstanden zu haben
V.
Abrechnung einer Barkaution nach Ende des Mietverhältnisses
BGH, Urteil vom 24.07.2019, Az. VIII ZR 141/17
a) Ist dem Vermieter in einem Wohnraummietverhältnis eine Mietsicherheit gewährt worden, hat sich der Vermieter nach dem Ende des Mietverhältnisses innerhalb angemessener, nicht allgemein bestimmbarer Frist gegenüber dem Mieter zu erklären, ob und (gegebenenfalls) welche aus dem beendeten Mietverhältnis stammenden Ansprüche er gegen diesen erhebt (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 71/05 , NJW 2006, 1422 Rn. 9 f.). Mit einer solchen Erklärung wird die Mietsicherheit abgerechnet, da der Vermieter damit deutlich macht, ob und (gegebenenfalls) in Bezug auf welche Forderungen er ein Verwertungsinteresse an der gewährten Mietsicherheit hat.
b) Eine als Mietsicherheit gewährte Barkaution kann auch durch schlüssiges Verhalten, etwa durch eine vom Vermieter erklärte Aufrechnung oder durch Klageerhebung abgerechnet werden. Hiermit bringt der Vermieter, der einen Vorbehalt, weitere Ansprüche geltend zu machen, nicht erklärt hat - gleichermaßen wie bei einer den Vorgaben des § 259 BGB genügenden Abrechnung - für den Mieter erkennbar zum Ausdruck, dass sich sein Verwertungsinteresse auf die in der Forderungsaufstellung bezeichneten beziehungsweise aufgerechneten oder klageweise geltend gemachten Forderungen beschränkt.
c) Eine gewährte Barkaution wird mit dem Zugang der Abrechnung beim Mieter zur Rückzahlung fällig. Denn nach erfolgter Abrechnung kann sich der Vermieter - ohne weitere Schritte ergreifen zu müssen - wegen seiner nunmehr bestimmten und bezifferten Ansprüche aus der Barkaution befriedigen. Dies gilt auch für streitige Forderungen des Vermieters (noch offen gelassen im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - VIII ZR 234/13, NJW 2014, 2496 Rn. 13).
d) Macht der Vermieter nach Abrechnung von seiner Verwertungsbefugnis keinen Gebrauch, kann der Mieter seinerseits mit dem fälligen Kautionsrückzahlungsanspruch gegen vom Vermieter erhobene Forderungen aufrechnen.
VI.
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Tätigkeit eines Maurers als Subunternehmer für ein Bauunternehmen
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 08. August 2019, Az. L 7 BA 3027/18
1. Zur selbständigen Tätigkeit eines Maurers als Subunternehmer für ein Bauunternehmen. (Rn.31) (Rn.42)
2. Eine abhängige Beschäftigung muss sich positiv feststellen lassen. Eine Vermutung, dass bestimmte Tätigkeiten in der Regel in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden, ist mit einfachem Recht und Verfassungsrecht nicht vereinbar. (Rn.39)
3. Grundvoraussetzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die privatrechtliche Pflicht des Beschäftigten zur Erbringung von Arbeitsleistungen; hat der Auftragnehmer ein Ablehnungsrecht gegenüber dem Auftraggeber spricht dies erheblich gegen eine abhängige Beschäftigung. (Rn.48)
VII.
Informationspflicht des Arbeitgebers über Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern zum Ablauf des Kalenderjahres
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 24. Juli 2019, Az. 5 Sa 676/19
Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers dahingehend, dass Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme bis zum 31.12. des Kalenderjahres oder bis zum 31.03. des Folgejahres im Fall der Übertragung erlöschen, besteht bei einer langfristig erkrankten Arbeitnehmerin nicht; diese Pflicht besteht erst wieder nach Wiedergenesung bezogen auf die konkreten Ansprüche der Arbeitnehmerin.
VIII.
unentgeltliche Übertragung eines voll eingezahlten Kommanditanteils auf einen Minderjährigen
OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 17. Juli 2019, Az. 12 W 53/19
Die auf die Eintragung im Handelsregister aufschiebend bedingte unentgeltliche Übertragung eines voll eingezahlten Kommanditanteils auf einen Minderjährigen ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft und bedarf, soweit der Zweck der Gesellschaft auf eine Erwerbstätigkeit gerichtet ist, der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB.
IX.
Wiedererteilung von Taxikonzessionen - schwere Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten führen zur Annahme der Unzuverlässigkeit
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. August 2019, 13 A 1680/18
1. Unmittelbar aus Wortlaut und Systematik von § 1 Abs. 1 Satz 2 PBZugV folgt, dass im Falle von Verstößen gegen abgabenrechtliche Rechtsvorschriften Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit nicht erst bei einer strafgerichtlichen Verurteilung bestehen. Denn der Gesetzgeber fordert lediglich in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PBZugV rechtskräftige Verurteilungen wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften, während nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d) PBZugV lediglich schwere Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten erforderlich sind. (so auch OVG Münster vom 26.07.2017 - 13 A 1676/16 - .
2. Auch die Vorlage tadelloser Unterlagen im Sinne von § 1 Abs. 3 PBZugV entbindet die Genehmigungsbehörde nicht von der Pflicht, umfassend und eigenverantwortlich das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen.
X.
Schadensersatz bei unberechtigten Eigenbedarfskündigung
AG Brandenburg, Urteil vom 31. Juli 2019, Az. 31 C 131/18
1. Ein ehemaliger Mieter kann bei einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung des Vermieters zwar die angefallenen Makler-Kosten für eine neu angemietete Mietswohnung als Schadenersatz von dem bisherigen Vermieter verlangen, jedoch gehören zu den von dem Vermieter zu ersetzenden Kosten nicht diejenigen Kosten, die aufgrund des käuflichen Erwerbs eines Hausgrundstücks durch den ehemaligen Mieter entstanden sind (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 573, § 826 BGB in Verbindung mit § 286 ZPO unter Beachtung von § 2 Abs. 1a und § 6 Abs. 1 WoVermittG).
2. Ein Schadensersatzanspruch eines Mieters aufgrund einer Eigenbedarfskündigung des Vermieters kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn entweder der Eigenbedarf von Anfang an nicht bestanden hat, sondern nur vorgespiegelt wurde, oder die Geltendmachung des Eigenbedarfs auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruht bzw. die Gründe für den Eigenbedarf innerhalb der Kündigungsfrist weggefallen sind (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 573, § 826 BGB in Verbindung mit § 286 ZPO).
3. Verpflichtet sich der Vermieter in einem Räumungsvergleich zu einer namhaften Abstandszahlung (hier: 2.000,00 Euro) kann dies auf einen stillschweigenden Verzicht des Mieters hinsichtlich etwaiger Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs deuten, welcher wiederum den Zurechnungszusammenhang zwischen der etwaigen Vortäuschung einer (Eigen-) Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht.
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