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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Ansprüche bei Verletzung des Totenfürsorgerechts
BGH, Urteil vom 26.02.2019, Az. VI ZR 272/18
a) Das Totenfürsorgerecht umfasst unter anderem das Recht, für die Bestattung zu sorgen (Anschluss BGH, Beschluss vom 26. November 2015 - III ZB 62/14, FamRZ 2016, 301Rn. 12; Urteil vom 26. Februar 1992 - XII ZR 58/91 , NJW-RR 1992, 834 unter II 1, juris Rn. 9). Dies schließt die Bestimmung der Gestaltung und des Erscheinungsbildes einer Grabstätte ein. Das Totenfürsorgerecht beinhaltet darüber hinaus die Befugnis zu deren Pflege und zur Aufrechterhaltung deren Erscheinungsbilds.
b) Das Totenfürsorgerecht ist ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB das im Falle seiner Verletzung Ansprüche auf Schadensersatz sowie auf Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen entsprechend § 1004 BGB begründen kann.
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=VI%20ZR%20272/18&nr=95019
II.
Fremdgeschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer
BGH, Urteil vom 26.03.2019, Az. II ZR 244/17
Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH ist bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist.
III.
Kündigung – Zugang
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2018, Az. 9 Sa 69/18
1. Nach den für die Bestimmung des Zeitpunkts des Zugangs einer Willenserklärung unter Abwesenden maßgeblichen gewöhnlichen Verhältnissen und den Gepflogenheiten des Verkehrs kann mit einer Kenntnisnahme von Schriftstücken, die in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers bis 17:00 Uhr eingeworfen werden, am selben Tag gerechnet werden.
2. Die Verhältnisse der Postzustellung in einem kleinen elsässischen Dorf mit weniger als 2000 Einwohnern sind nicht maßgeblich.
IV.
Rückzahlung Fortbildungskosten - Entgeltansprüche - arbeitnehmerseitige fristlose Kündigung
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04. April 2019, Az. 6 Sa 444/18
Ein Pilot, dem von seiner Arbeitgeberin nahegelegt wird, es mit den gesetzlichen Ruhezeiten nicht so genau zu nehmen, darf dies als einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses betrachten. In einem solchen Fall hat er das Arbeitsverhältnis nicht aus einem "von ihm zu vertretenden Grund" beendet und eine Rückforderung von Ausbildungskosten aufgrund einer Klausel, die ein solches Vertretenmüssen vorsieht, kommt nicht in Betracht.
V.
Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter
OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. März 2019, Az. 14 U 26/16
1. Auch ein umfassendes gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter unterliegt einer Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Es ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Minderheitsgesellschafter sein Anstellungsverhältnis als leitender Mitarbeiter der Gesellschaft vor Ablauf der für das Gesellschaftsverhältnis satzungsrechtlich vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam beendet hat und eine fortbestehende Gefahr der "Aushöhlung" der Gesellschaft nicht feststellbar ist.
2. Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. "Geschäftschancenlehre" bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs vergeben wurden.
VI.
Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Ersatz von Verdienstausfallschaden; Anrechnung ersparter berufsbedingter Aufwendungen im Wege der Vorteilsausgleichung; Pauschalierung der berufsbedingten Aufwendungen
OLG München, Urteil vom 26. März 2019, Az. 24 U 2290/18
Beim Ersatz von Verdienstausfallschaden sind im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte berufsbedingte Aufwendungen anzurechnen, weil sie in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stehen. In Ermangelung anderer Angaben ist eine Pauschalierung der berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 10 % des Nettoeinkommens vorzunehmen, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden (und ggfs. zu beweisenden) Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben
VII.
Verantwortlichkeit einer aus den Vereinigten Staaten von Amerika operierenden Internet-Plattform für die Verletzung deutscher Urheberrechte
OLG Frankfurt, Urteil vom 30. April 2019, Az. 11 U 27/18
Der Betreiber einer international ausgerichteten Internet-Plattform, auf der kostenfrei literarische Werke veröffentlicht werden, die in den USA gemeinfrei sind, aber in der Bundesrepublik Deutschland unter Urheberrechtsschutz stehen, kann als Täter für Schutzrechtsverletzungen verantwortlich sein, wenn die Werke bestimmungsgemäß in Deutschland abgerufen werden können und wenn die Internet-Plattform durch ihre Außendarstellung zum Ausdruck bringt, dass sie sich die von freiwillig für sie tätigen Dritten (sog. volunteers) eingestellten Werke (z.B. durch die Aussage "our ebooks") zu eigen gemacht hat.
VIII.
grobe Fahrlässigkeit als Autofahrer
OLG Nürnberg, Urteil vom 02. Mai 2019, Az. 13 U 1296/17
1. Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit liegenden Tempo fährt - hier 200 km/h -, muss in besonderem Maße seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten.
2. Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des sog. Infotainmentsystems (Navigationssystem) kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen, mit der Folge eines zumindest teilweisen Verlustes der Haftungsfreistellung in den einer Kaskoversicherung nachgebildeten Bedingungen eines Mietvertrags.
3. Das Vorhandensein eines sog. Spurhalteassistenten reduziert den in einem entsprechenden Verhalten liegenden Schuldvorwurf zumindest bei derartig hohen Geschwindigkeiten nicht.
IX.
Unfallflucht
LG Dresden, Beschluss vom 07. Mai 2019, Az. 3 Qs 29/19
Die maßgebliche Grenze für das Vorliegen eines bedeutenden Schadens im Sinne von § 69 Absatz 2 Nr. 3 StGB bei einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB ist angesichts der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung ab 2018 bei jedenfalls mindestens 1.500,- Euro anzusetzen.
X.
Handeln im geschäftlichen Verkehr bei Internetangebot
OLG Frankfurt, Urteil vom 11. April 2019, Az. 6 U 121/18
Für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr als Voraussetzung für eine Markenverletzung kommt es entscheidend auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an. Erweckt ein Internetauftritt für den angesprochenen Verkehr unzweifelhaft den Eindruck eines gewerblichen Angebots, kann der Handelnde sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das angebotene Erzeugnis stamme tatsächlich aus seinem privaten Bestand.
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Michael Henn
Rechtsanwalt
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Fachanwalt für Arbeitsrecht
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