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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Durch Insolvenzanfechtung erzwungene Rückzahlung von Ausbildungsvergütung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 6 AZR 511/16

Zahlungen des Arbeitgebers an Arbeitnehmer und Auszubildende, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen (inkongruente Deckung), können vom späteren Insolvenzverwalter gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weitere Voraussetzungen zur Masse zurückgefordert werden (Insolvenzanfechtung), wenn die Zahlungen nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat. Dabei sind Zahlungen, die der Arbeitgeber erbringt, um eine unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden (Druckzahlungen), nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in der geschuldeten Weise erbracht und damit inkongruent. Diese Einordnung hat der Gesetzgeber wiederholt unbeanstandet gelassen, weshalb sich das Bundesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen hat. Zuletzt wurde die im Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ (BT-Drs. 18/7054) vorgesehene Gesetzesänderung, nach der eine inkongruente Deckung nicht allein deswegen vorliegen sollte, weil die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden war, nicht verwirklicht. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden, solche Zahlungen als kongruent anzusehen (BT-Drs. 18/11199 S. 10 f.).

Der Kläger wurde von der späteren Schuldnerin von 2008 bis 2012 zum Metallbauer ausgebildet. Ihm stand zuletzt eine monatliche Ausbildungsvergütung von 495,20 Euro brutto zu. In einem nach Abschluss seiner Ausbildung eingeleiteten Rechtsstreit schloss er im Oktober 2012 vor dem Arbeitsgericht mit der Schuldnerin einen Vergleich, in dem sich diese verpflichtete, rückständige Ausbildungsvergütung von 2.800,00 Euro netto zu zahlen. Zahlungen erfolgten jedoch erst im Dezember 2012 und Januar 2013 unter dem Druck von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die der Kläger eingeleitet hatte. Am 15. September 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Eröffnungsbeschluss nennt als Grundlage der Eröffnung neben zwei Anträgen aus dem Jahr 2014 ausdrücklich auch einen bereits am 7. Oktober 2010 - und damit mehr als zwei Jahre vor der Zahlung der rückständigen Ausbildungsvergütung - gestellten Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter verlangt mit seiner Widerklage die Rückzahlung der vom Kläger erstrittenen Ausbildungsvergütung. Der Kläger hat geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, warum das Verfahren auch auf den Antrag vom 7. Oktober 2010 hin eröffnet worden sei. Zudem könne ihm durch die Anfechtung nicht die Ausbildungsvergütung entzogen werden, die auch sein Existenzminimum habe sichern sollen.

Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten der Widerklage stattgegeben. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Arbeitsgerichte waren als sog. Prozessgerichte im Anfechtungsstreit daran gebunden, dass das Amtsgericht als Insolvenzgericht im rechtskräftig gewordenen Eröffnungsbeschluss auch den Insolvenzantrag vom 7. Oktober 2010 als Eröffnungsgrundlage bestimmt hatte. Anlass, eine verfassungsrechtlich legitimierte Anfechtungssperre bei Druckzahlungen zu erwägen, besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht, weil der Arbeitnehmer in solchen Fällen die zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen wie Grundsicherung und Insolvenzgeld in Anspruch nehmen kann. Daran hat der Senat auch für den Fall der Rückforderung einer Ausbildungsvergütung im Wege der Insolvenzanfechtung festgehalten.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2017&nr=19550&pos=1&anz=48&titel=Durch_Insolvenzanfechtung_erzwungene_R%FCckzahlung_von_Ausbildungsverg%FCtung

II.
Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers aufgrund einer Verlängerung seiner Kündigungsfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Oktober 2017, Az. 6 AZR 158/16

Wird die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erheblich verlängert, kann darin auch dann eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinn von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird.

Die klagende Arbeitgeberin beschäftigte den beklagten Arbeitnehmer in ihrer Leipziger Niederlassung seit Dezember 2009 als Speditionskaufmann in einer 45-Stunden-Woche gegen eine Vergütung von 1.400,00 Euro brutto. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine Zusatzvereinbarung. Sie sah vor, dass sich die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängerte, und hob das monatliche Bruttogehalt auf 2.400,00 Euro an, ab einem monatlichen Reinerlös von 20.000,00 Euro auf 2.800,00 Euro. Das Entgelt sollte bis zum 30. Mai 2015 nicht erhöht werden und bei einer späteren Neufestsetzung wieder mindestens zwei Jahre unverändert bleiben. Nachdem ein Kollege des Beklagten festgestellt hatte, dass auf den Computern der Niederlassung im Hintergrund das zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignete Programm „PC Agent“ installiert war, kündigten der Beklagte und weitere fünf Arbeitnehmer am 27. Dezember 2014 ihre Arbeitsverhältnisse zum 31. Januar 2015. Die Klägerin will festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bis zum 31. Dezember 2017 fortbesteht.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Verlängerung der Kündigungsfrist benachteiligt den Beklagten im Einzelfall entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung von Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Das Landesarbeitsgericht hat hier ohne Rechtsfehler eine solche unausgewogene Gestaltung trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist bejaht. Der Nachteil für den Beklagten wurde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2017&nr=19551&pos=0&anz=48&titel=Unangemessene_Benachteiligung_des_Arbeitnehmers_aufgrund_einer_Verl%E4ngerung_seiner_K%FCndigungsfrist_in_Allgemeinen_Gesch%E4ftsbedingungen

III.
Massenentlassungsanzeige - Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. November 2017, Az. 2 AZR 90/17 (A)

Die Beklagte betreibt Bildungseinrichtungen. Anfang November 2014 vereinbarte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich über ihre Absicht, insgesamt vier Einrichtungen zu schließen. Am 24. November 2014 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. Juli 2015. In der Zeit vom 24. November 2014 bis zum 24. Dezember 2014 erklärte die Beklagte mindestens elf weitere Kündigungen. Eine Massenentlassungsanzeige erstattete sie nicht.

Mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, es habe sich um eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtige Maßnahme gehandelt. Bei der Beklagten seien nicht mehr als 120 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Deshalb hätten bereits zwölf Kündigungen dazu geführt, dass die Beklagte 10 vH der in ihrem Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer entlassen habe. Demgegenüber hat die Beklagte gemeint, die bei ihr eingesetzten vier Leiharbeitnehmer müssten bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl berücksichtigt werden. Daher habe sie keine Massenentlassungsanzeige erstatten müssen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom heutigen Tage entschieden, den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen zu ersuchen. Für den Senat ist entscheidungserheblich, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG zu berücksichtigen sind.* Für die Beantwortung der Fragen ist der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig. Die Regelung in § 17 KSchG über anzeigepflichtige Massenentlassungen dient der Umsetzung der Richtlinie 98/59/EG.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2017&nr=19579&pos=0&anz=51&titel=Massenentlassungsanzeige_-_Ber%FCcksichtigung_von_Leiharbeitnehmern

IV.
Betriebsratswahl - Sitzverteilung - d´Hondtsches Höchstzahlverfahren
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22. November 2017, Az. 7 ABR 35/16

Die Anordnung des d´Hondtschen Höchstzahlverfahrens zur Verteilung der Betriebsratssitze bei der Betriebsratswahl in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO BetrVG ist verfassungsgemäß. Das d´Hondtsche Höchstzahlverfahren verletzt weder den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit.

Im Betrieb der Arbeitgeberin fand im Mai 2014 eine Betriebsratswahl statt, bei der ein aus 17 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt wurde. Die Liste V erhielt 557 Stimmen, die Liste D 306 Stimmen und die Liste H 279 Stimmen. Die Sitzverteilung wurde nach dem d´Hondtschen Höchstzahlverfahren vorgenommen. Danach entfielen auf die Liste V neun Sitze und auf die Listen D und H jeweils vier Sitze. Die antragstellenden Arbeitnehmer haben die Wahl angefochten. Sie meinen, das in der Wahlordnung vorgesehene d´Hondtsche Höchstzahlverfahren sei verfassungswidrig, da es kleinere Gruppierungen benachteilige. Bei einer Verteilung der Sitze nach dem Verfahren Hare/Niemeyer oder dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers hätte die Liste D fünf Sitze und die Liste V acht Sitze erhalten.

Der Antrag blieb beim Bundesarbeitsgericht - wie bereits in den Vorinstanzen - ohne Erfolg. Die in § 15 Abs. 1 und 2 WO BetrVG vorgesehene Sitzverteilung nach dem d´Hondtschen Höchstzahlverfahren ist verfassungsgemäß. Bei der Umrechnung von Wählerstimmen in Betriebsratssitze lässt sich bei der Verhältniswahl eine vollständige Gleichheit des Erfolgswertes einer Wählerstimme mit keinem der gängigen Sitzzuteilungsverfahren erreichen, da nur ganze Sitze verteilt werden können. Daher fällt die Entscheidung, wie die Sitzverteilung vorzunehmen ist, in den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers. Das d´Hondtsche Höchstzahlverfahren fördert zudem die Mehrheitssicherung und dient damit einem unter Berücksichtigung der Funktion der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung anzuerkennenden Ziel.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2017&nr=19586&pos=0&anz=53&titel=Betriebsratswahl_-_Sitzverteilung_-_d%B4Hondtsches_H%F6chstzahlverfahren

V.
Anpassung Betriebsrente
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 5.7.2017, Az. 21 Sa 13/16

1. Für die bei der Anpassungsprüfung einer Betriebsrente zu erstellende Prognose der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens darf im Rahmen der Rückschau auf die Eigenkapitalrenditen der vor dem Anpassungszeitpunkt liegenden Jahre grundsätzlich auch die Eigenkapitalrendite eines Jahres berücksichtigt werden, in dem Unternehmensteile verkauft wurden.

2. Wirtschaftliche Daten des Unternehmens aus der Zeit nach dem Anpassungsstichtag können die zum Anpassungsstichtag getroffene Prognose entkräften, wenn diese offensichtlich unrealistisch war.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&Seite=1&nr=22852&pos=12&anz=48

VI.
Betriebsrat - Anspruch auf Vorlage von Unfallanzeigen - Arbeitnehmer einer Drittfirma - Arbeitsunfall - Betriebsgelände - Unterrichtungsanspruch
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.7.2017, Az. 21 TaBV 15/16

1. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Vorlage/auf Beschaffung von Kopien der durch eine Drittfirma gegenüber der Berufsgenossenschaft gefertigten Unfallanzeigen, die einen Arbeitsunfall eines Arbeitnehmers einer Drittfirma, die der Arbeitgeber auf der Grundlage von Werk-/Dienstverträgen für sein Unternehmen einsetzt, auf seinem Betriebsgelände anzeigen.

2. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterrichtung über auf dessen Betriebsgelände geschehene Arbeitsunfälle von Arbeitnehmern einer Drittfirma, die der Arbeitgeber auf der Grundlage von Werk-/Dienstverträgen für sein Unternehmen u. a., auf seinem Betriebsgelände einsetzt.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&Seite=0&nr=22853&pos=9&anz=48

VII.
Zeitzuschläge; Abbau von Mehrarbeitsstunden; Annahmeverzug; Lohnausfallprinzip
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.8.2017, 19 Sa 69/16

1. Bei einem antragsgemäßen Mehrarbeitsstundenabbau an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen und/oder nachts in - auch entsprechender - Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen des Manteltarifvertrages für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 19. November 2004 besteht kein Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges. Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 293ff. BGB sind nicht erfüllt.

2. Ein Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen folgt auch nicht aus § 611 BGB iVm. den Regelungen der §§ 20, 14 Abs. 5 des Manteltarifvertrages über Zeitzuschläge und den Mehrarbeitsstundenabbau. Denn diese sehen Zuschläge nur für geleistete Arbeit voraus. Daran fehlt es bei einem Mehrarbeitsstundenabbau, der in die zuschlagspflichtige Zeit fällt (Abgrenzung zu BAG 12. August 2009 - 7 AZR 218/08 -).

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&Seite=0&nr=22864&pos=6&anz=48



VIII.
Überwachung der betrieblichen Berufsbildung durch den Betriebsrat; Abberufung eines Ausbilders auf Verlangen des Betriebsrats; Fachliche Eignung eines Ausbilders; Vernachlässigung der Aufgaben eines Ausbilders; Verbundausbildung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.10.2017, Az. 15 TaBV 2/17

1. Dem Betriebsrat obliegt die ihm von § 98 Abs. 2 BetrVG anvertraute Überwachung der fachlichen Eignung einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person eigenständig. An eine Bejahung der fachlichen Eignung durch die Industrie- und Handelskammer sind weder er noch die Gerichte für Arbeitssachen gebunden.

2. Die fachliche Eignung iSv. § 98 Abs. 2 BetrVG eines Ausbilders iSv. § 28 Abs. 2 BBiG richtet sich nach § 30 BBiG. Der Ausbilder muss unter anderem die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, die für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte erforderlich sind.

3. Die eigene Ausbildung des Ausbilders betrifft eine "entsprechende Fachrichtung" iSv. § 30 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, wenn sie dem Ausbildungsberuf, für den er ausbilden soll, inhaltlich so weit angenähert ist, dass davon auszugehen ist, dass der Ausbilder auch die berufliche Handlungsfähigkeit dieses Ausbildungsberufs vermitteln kann.

4. Eine dem Ausbilder eines ausbildenden Unternehmens teilweise fehlende fachliche Eignung kann durch eine Verbundausbildung iSv. § 10 Abs. 5 BBiG nicht kompensiert werden, wenn nicht geregelt ist, für welchen Ausbildungsabschnitt das andere Verbundunternehmen statt des ausbildenden Unternehmens die Verantwortlichkeit trägt, und wenn nicht in dem anderen Verbundunternehmen ein insoweit fachlich geeigneter weiterer Ausbilder für das Ausbildungsverhältnis bestellt ist.

5. Eine Vernachlässigung der Aufgaben einer mit der Durchführung der betrieblichen Berufsbildung beauftragten Person iSv. § 98 Abs. 2 BetrVG liegt vor, wenn der Aufgabenträger seine Aufgaben nicht mit der erforderlichen Gewissenhaftigkeit ausführt und deshalb zu befürchten ist, dass die Auszubildenden das Ziel der Ausbildung nicht erreichen, ohne dass es auf Verschulden des Aufgabenträgers ankommt.

6. Der Tatbestand der Vernachlässigung der Aufgaben eines Ausbilders iSv. § 98 Abs. 2 BetrVG ist zu bejahen, wenn der Ausbilder ohne sachlich vertretbaren Grund von einem vorhandenen betrieblichen Ausbildungsplan abweicht oder wenn er seiner Tätigkeit keinen vollständigen, nachvollziehbaren Ausbildungsplan zugrundelegt und nicht nachweisbar ist, dass aus besonderen Gründen kein Plan erforderlich war, um das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit zu erreichen.

7. Allein der Umstand, dass in einem Betrieb bisher alle Auszubildenden die Prüfung überhaupt bestanden haben, schließt nicht aus, dass eine das Ausbildungsziel gefährdende Vernachlässigung der Aufgaben des Ausbilders iSv § 98 Abs. 2 BetrVG vorliegt.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&Seite=0&nr=22863&pos=1&anz=48

IX.
Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit in einem Einigungsstellenbesetzungsverfahren gemäß § 100 ArbGG
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 14.11.2017, Az. 5 Ta 124/17

Ein Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber um die Errichtung einer Einigungsstelle ist nichtvermögensrechtlicher Art und im Regelfall mit dem Anknüpfungswert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 Hs 2 RVG von 5.000,00 EUR zu bemessen. Kommt ein weiterer Streit um die Person des Einigungsstellenvorsitzenden und/oder die Anzahl der Beisitzer hinzu, erhöht sich der Gegenstandswert um jeweils 1/4 (Anlehnung an die Empfehlungen II.4.1 - 3 im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 05.04.2016 ).

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&Seite=0&nr=22887&pos=0&anz=48

X.
Bruttolohn- und Gehaltslisten, Anonymisierung
Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 19.09.2017, Az. 7 TaBV 43/17

Die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BetrVG dürfen nicht anonymisiert zur Einsichtnahme bereitgestellt werden; außerhalb seines Anwendungsbereiches gebieten auch die Bestimmungen des Entgelt-TranspG - insbesondere § 13 Abs. 2 und 3 i.V.m. §§ 11 und 12 Abs. 3 - keine Anonymisierung

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2017/7_TaBV_43_17_Beschluss_20170919.html

XI.
Inhaltskontrolle, Provision, Provisionsvorschuss, Rückzahlung, Zielvereinbarung
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 12.09.2017, Az. 14 Sa 325/17

1. Eine Provisionsvereinbarung liegt auch dann vor, wenn für einen Provisionsanspruch neben der Vermittlung von Geschäften noch ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis aus diesen Geschäften, das wiederum jährlich als Ziel vereinbart wird, Voraussetzung ist.
2. Eine solche Regelung unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2017/14_Sa_325_17_Urteil_20170912.html

XII.
Sofortige Beschwerde, Auslegung
Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 28.09.2017, Az. 5 Ta 473/17

Dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 19 Abs. 4 GG und dem daraus resultierenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ist im Prozesskostenhilfeverfahren dadurch Rechnung zu tragen, dass Eingaben der Partei sachdienlich dahingehend auszulegen sind, dass die Erreichung des regelmäßig gewünschten Ziels, eine günstige anderweitige Entscheidung zu erreichen, möglich ist (so schon LAG Hamm, Beschluss v. 19. 10. 2015, 5 Ta 395/15, juris; Beschluss v.10.04.2014, 5 Ta 191/14, Beschluss v. 29.01.2013, 5 Ta 35/13 jeweils n.v.; im Anschluss an LAG Schleswig-Holstein, 3 Ta 117/11, Beschluss v. 20.07.2011, juris; LAG Rheinland-Pfalz, 2 Ta 281/04, Be-schluss v. 13.01.2005, juris).

Die Handlung einer Naturalpartei, die innerhalb der Beschwerdefrist gegen einen Aufhebungsbescheid gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO eine Abschrift der ihr übersandten Aufhebungsentscheidung nebst den vom Gericht für eine möglich Abänderung geforderten Belegen einreicht, ist als sofortige Beschwerde auszulegen. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht die Partei auf die seiner Auffassung nach einzuhaltenden Formalien einer ausdrücklichen Beschwerdeschrift hingewiesen hat.

Die Partei braucht einen so auslegbaren Antrag nicht ausdrücklich wiederholen (insoweit anschließend an LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Juli 2011, 3 Ta 117/11, juris).

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2017/5_Ta_473_17_Beschluss_20170928.html

XIII.
Beitragsorientierte Leistungszusage, Festschreibeeffekt
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 4.10.2017, Az. 4 Sa 1120/15

1. Scheidet ein Arbeitnehmer vor Eintritt des Versorgungsfalls mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft auf Grundlage einer beitragsorientierten Leistungszusage aus dem Arbeitsverhältnis aus, gilt für Altfälle (§ 30g Abs. 1 BetrAVG) der Festschreibeeffekt nach § 2 Abs. 5 BetrAVG.
2. Hat der Arbeitgeber es versäumt, bei der Anlage der eingezahlten Beiträge im Rahmen einer beitragsorientierten Leistungszusage die gesetzlichen Anforderungen zu beachten und fehlt es für vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer in einer auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden Versorgungsordnung an Regelungen über die Höhe der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft, kann auf regelmäßig mitgeteilte Zwischenstände abgestellt werden (im Anschluss an BAG, Urteil vom 30.08.2016 – 3 AZR 228/15). Der Arbeitgeber kann sich gegenüber einem Betriebsrentner nicht darauf berufen, dass eine unbeabsichtigte Regelungslücke vorliege, die nur von den Betriebsparteien geschlossen werden dürfe.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2017/4_Sa_1120_15_Urteil_20171004.html

XIV.
Annahmeverzug, tatsächliches Angebot, Leistungsunwilligkeit
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 8.09.2017, Az. 4 Sa 62/17

1. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis ist die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich im Sinne des § 294 BGB anzubieten. Ein wörtliches Angebot kann ein tatsächliches Angebot nicht ersetzen, auch wenn es mehrfach wiederholt wird.

2. Ist der Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung leistungsunwillig, hat er einen etwa wieder gefassten Leistungswillen durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren. Ein wörtliches Angebot ist dann auch nach Ausspruch einer Kündigung regelmäßig nicht ausreichend (vgl. BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11 –, Rn. 27).

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2017/4_Sa_62_17_Urteil_20170908.html

XV.
Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung: Betriebsabspaltung, Übergangsmandat und personelle Zusammensetzung
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 18.10.2017, Az. 12 TaBVGa 4/17

1.a. Behält bei einer Betriebsabspaltung der bisherige Betrieb seine Identität, bleibt dessen Betriebsrat im Amt. Für ein Übergangsmandat ist in diesem Fall kein Raum. Dies gilt entsprechend für die Schwerbehindertenvertretung. § 21a BetrVG kommt nicht über § 94 Abs. 8 SGB IX zur Anwendung.
1.b.Die personelle Zusammensetzung des Betriebsrats bestimmt nach den allgemeinen Regeln. Nach der Abspaltung betriebsfremde Mitarbeiter scheiden aus dem Betriebsrat aus. Entsprechendes gilt für die Schwerbehindertenvertretung. Dadurch, dass die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen durch einen Widersprich gegen den Betriebsübergang betriebsfremd wird, ändert sich nichts.

2.a.Für den abgespaltenen Betriebsteil, der nicht mit bisherigen Betrieb identisch ist, besteht gemäß § 21a BetrVG ein Übergangsmandat. Dieses wird von dem Betriebsrat ausgeübt, der im Regelmandat für den bisherigen Betrieb zuständig ist, dessen Identität erhalten gebelieben ist. Dies gilt entsprechend gemäß § 94 Abs. 8 SGB IX für das Übergangsmandat der Schwerbehindertenvertretung.

2.b.Der Betriebsrat des bisherigen Betriebs, der seine Identität behalten hat, nimmt in der gleichen personellen Zusammensetzung das Übergangsmandat wahr. Dies folgt aus dem Vorrang des Regelmandats. Entsprechendes gilt für die Schwerbehindertenvertretung

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2017/NRWE_LAG_D_sseldorf_12_TaBVGa_4_17_Beschluss_20171018.html

XVI.
Ansprüche auf Vorruhestand in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.09.2017, Az. 1 Sa 284/17

Siehe:
http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/v4d/page/bsrlpprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE170039596&documentnumber=2&numberofresults=7198&doctyp=juris-r&showdoccase=1&doc.part=L¶mfromHL=true#focuspoint

XVII.
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Beschluss vom 14.11.2017, Az. 5 Ta 555/17

Einem allgemeinen Feststellungsantrag gem. § 256 ZPO, der neben dem Antrag gem. § 4 S. 1 KSchG gestellt wird, fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis, da die Streitgegenstände nicht identisch sind. Bereits die anwaltliche Vorsorge gebietet es, diesen Antrag für den Zeitraum ab dem Ablauf der Kündigungsfrist zu stellen. Die gebotene weitgehende Gleichstellung der unbemittelten mit der bemittelten Partei gebietet es, auch der unbemittelten Partei für einen solchen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren (im Anschluss an Hessisches LAG, Beschluss vom 09. November 2006, 2 Ta 472/06, juris).

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr

Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident

 
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