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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Kündigungsschutz nach einem Entlassungsverlangen des Betriebsrats
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. März 2017,-Az. 2 AZR 551/16

Ist einem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats in einem Verfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG* rechtskräftig aufgegeben worden, einen Arbeitnehmer zu entlassen, liegt für eine ordentliche Kündigung dieses Arbeitnehmers ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor.

Die Klägerin war bei dem beklagten Versicherungsunternehmen langjährig als Sachbearbeiterin beschäftigt. Ende April 2015 forderte der Betriebsrat die Beklagte auf, die Klägerin zu entlassen, hilfsweise sie zu versetzen. Zur Begründung verwies er auf Vorfälle, die sich zwischen der Klägerin und ihren Arbeitskollegen im Oktober 2014 und Januar 2015 ereignet haben. Die Beklagte kam dem Verlangen zunächst nicht nach. In dem daraufhin vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahren gem. § 104 Satz 2 BetrVG gab das Arbeitsgericht der Beklagten antragsgemäß auf, die Klägerin „zu entlassen". Die Klägerin war in dem Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG angehört worden. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2016.

Dagegen hat sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat gemeint, es liege weder ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vor noch sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG. Beide Vorinstanzen haben festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage wurde jedoch abgewiesen. Im Revisionsverfahren verfolgen die Parteien ihre ursprünglichen Anträge weiter.
Die Rechtsmittel beider Parteien blieben vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Der Zweite Senat hat entschieden, dass aufgrund der - auch im Verhältnis zur Klägerin - rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts, wonach die Beklagte die Klägerin zu entlassen hatte, ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für die ordentliche Kündigung gegeben war. Dagegen war der Beklagten durch den Beschluss nicht die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgegeben worden.

Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2017&nr=19193&pos=0&anz=19&titel=K%FCndigungsschutz_nach_einem_Entlassungsverlangen_des_Betriebsrats

II.
F Schadensersatz des Arbeitgebers wegen Mobbings, Diskriminierung oder sexueller Belästigung ist kein Arbeitslohn und damit steuerfrei
G Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2017, Az. 5 K 1594/14
Mit Urteil vom 21. März 2017 (5 K 1594/14) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass eine Entschädigung, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer wegen Diskriminierung zahlen muss, auch dann steuerfrei (also kein Arbeitslohn) ist, wenn der Arbeitgeber die behauptete Benachteiligung bestritten und sich lediglich in einem gerichtlichen Vergleich zur Zahlung bereit erklärt hat.
Die Klägerin wohnt im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Worms-Kirchheimbolanden und ist Einzelhandelskauffrau. Gegen die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses „aus personenbedingten Gründen“ erhob sie eine Kündigungsschutzklage, mit der sie auch eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund ihrer Behinderung begehrte. Wenige Wochen vor der Kündigung hatte das Amt für soziale Angelegenheiten Landau eine Körperbehinderung von 30 % festgestellt. Vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern schlossen die Klägerin und ihr Arbeitgeber sodann einen Vergleich, in dem „eine Entschädigung gem. § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“ i.H.v. 10.000 € vereinbart und das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wurde.

Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen die Auffassung des beklagten Finanzamtes, dass es sich bei dieser Entschädigung um steuerpflichtigen Arbeitslohn gehandelt habe. Das FG gab der Klägerin Recht und führte zur Begründung Folgendes aus:

Dem beim Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich sei zu entnehmen, dass es sich bei der Zahlung nicht um Ersatz für entstandene materielle Schäden i.S. des § 15 Abs. 1 AGG (z.B. entgehenden Arbeitslohn) gehandelt habe, sondern um den Ausgleich immaterieller Schäden i.S. des § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Diskriminierung der Klägerin als Behinderte. Eine solche Entschädigung sei steuerfrei und nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren. Der Arbeitgeber der Klägerin habe die Benachteiligung zwar bestritten. Im Wege des Vergleichs sei er jedoch bereit gewesen, eine Entschädigung wegen (nur) behaupteter Benachteiligung zu zahlen. Solche Einnahmen hätten keinen Lohncharakter und seien daher steuerfrei.

Kontext der Entscheidung
Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG ist der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG verpflichtet, den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wird z.B. (wegen Kündigung) entgehender Arbeitslohn ersetzt, handelt es sich um steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Nach § 15 Abs. 2 AGG hat der Arbeitgeber allerdings auch einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist (= immaterielle Schäden), zu ersetzen. Solche Zahlungen (z.B. wegen Mobbings, Diskriminierung oder sexueller Belästigung) haben keinen Lohncharakter und sind deshalb steuerfrei.

Siehe:
https://fgnw.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/detail/News/mit-urteil-vom-21-maerz-2017-5-k-159414-hat-das-finanzgericht-rheinland-pfalz-fg-entschieden-d/

III.
Ausschlussfrist - Fälligkeit von Schadensersatzansprüchen
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.2016, Az. 9 Sa 51/16,

Eine vertragliche Ausschlussfrist, deren Lauf von der Fälligkeit des Anspruchs abhängt, beginnt bei Schadensersatzansprüchen, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist, also sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können (im Anschluss an BAG 30.10.2008 - 8 AZR 886/07, Rn. 23).

Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Arbeitnehmer, der sich auf den Schaden, der der Arbeitgeberin durch einen vertragswidrigen Entzug eines PKW durch einen Dritten entstanden ist richtet, wird fällig, wenn bei objektiver Betrachtung mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der PKW dauerhaft entzogen und mit seiner Rückgabe oder Bezahlung nicht zu rechnen ist.

(Hier: Fälligkeit spätestens mit dem Entschluss der Arbeitgeberin, gegen den Dritten nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen zur Herausgabe nach 11 Monaten Klage zu erheben).

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2016-12&nr=22201&pos=3&anz=6


IV.
Kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen nach Unternehmensspaltung - Kein Verschlechterungsverbot durch Scattolon-Entscheidung des EuGH
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 8.2.2017, Az. 4 Sa 34/16,

1. Betriebsvereinbarungen gelten nach Unternehmensspaltungen beim Erwerber auch dann kollektivrechtlich weiter, wenn die Spaltung nicht mit einem Teilbetriebsübergang einhergeht, wenn die abgespaltenen Vermögensteile beim neuen Rechtsträger in eine erstmals geschaffene neue betriebliche Verbundenheit ohne wesentliche organisatorische Änderungen eingegliedert werden.

2. Nach einem Betriebsübergang werden gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BetrVG beim Betriebsveräußerer geltende Betriebsvereinbarungen durch die beim Erwerber geltenden Betriebsvereinbarungen abgelöst. Die Ablösung unterlegt keinem generellen Verschlechterungsverbot. Ein solches kann auch der Scattolon-Entscheidung des EuGH (EuGH 6. September 2011 - C-108/10) nicht entnommen werden.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&nr=22094&pos=8&anz=12

V.
Einstweiliges Verfügungsverfahren - Beschäftigungsanspruch
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.2.2017, Az. 21 SaGa 1/16

Einstweiliges Verfügungsverfahren - Beschäftigungsanspruch eines Ingenieurs im ungekündigten Arbeitsverhältnis nach einseitiger Freistellung durch den Arbeitgeber.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&nr=22129&pos=6&anz=12

VI.
Bildungszeit - Bildungsurlaub - politische Bildung
Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 07.04.2017, Az. 26 Ca 1506/16

1. Nach § 1 Abs. 4 Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW) dient eine Veranstaltung dann der politischen Bildung, wenn über politische Zusammenhänge und Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben informiert wird. Dies ist auch dann gegeben, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden sollen. § 1 Abs. 4 BzG BW liegt ein weiter Politikbegriff zugrunde. Dies folgt aus einer an Wortlaut, Sinn und Zweck orientierten, völkerrechts- und verfassungskonformen Auslegung.

2. Eine den Anspruch auf Bildungszeit ausschließende Veranstaltung (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW) liegt vor, wenn bei dieser die Teilnahme von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei, Gewerkschaft, einem Berufsverband, einer Religionsgemeinschaft oder einer ähnlichen Vereinigung abhängig gemacht wird. Veranstaltungen von Gewerkschaften, die auf der Internetseite der Gewerkschaft als für "interessierte Arbeitnehmer(innen)" offenstehend beworben werden, sind für jedermann zugänglich.

3. Weder (hohe) Teilnahmekosten, die vom anerkannten Bildungsträger für Gewerkschaftsmitglieder übernommen werden, noch der Umstand, dass die Veranstaltung auch als Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG ausgeschrieben wurde, stehen der Zugänglichkeit für jedermann entgegen (BAG 21. Juli 2015 - 9 AZR 418/14 -).

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&nr=22199&pos=0&anz=12

VII.
Anfechtung - Auslegung - fehlerhafte Protokollierung - Feststellung der Erledigung - Fortsetzung des Verfahrens - Irrtum - Prozessvergleich
Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 16.3.2017, 8 Ca 161/16

1. Die fehlerhafte Protokollierung eines Prozessvergleichs führt nicht zur Anfechtbarkeit wegen eines Inhaltsirrtums, wenn der Vergleich materiell-rechtlich dahin ausgelegt werden kann, dass er die von den Parteien tatsächlich getroffene Vereinbarung wiedergibt.

2. Aufgrund der Doppelnatur des Prozessvergleichs folgt seine Auslegung als Vollstreckungstitel anderen Regeln als als materiell-rechtlicher Vertrag. Während für die Auslegung als Titel auf die Sicht des Vollstreckungsorgans abzustellen ist, ist für die Auslegung als Vertrag der Empfängerhorizont des Vertragspartners unter Berücksichtigung der Verkehrssitte maßgeblich.

3. Der übereinstimmende Parteiwille kann nach dem Grundsatz der falsa demonstratio auch hinsichtlich des Inhaltes des Prozessvergleichs als materiell-rechtlicher Vertrag festgestellt werden. Hat der Vertragspartner den wirklichen Willen erkannt, so ist allein dieser maßgeblich auch dann, wenn er in der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat.

4. Der Inhalt der tatsächlich getroffenen Einigung kann dann in einem Folgeprozess geltend gemacht werden; eine Fortführung des Verfahrens scheidet aus.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&nr=22204&pos=1&anz=12

VIII.
Anspruch auf Beschäftigung auf einer bestimmten Hierarchieebene - Entfernung einer Ermahnung aus der Personalakte - Ermessen - richterliche Ersatzleistungsbestimmung - Tantieme - Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung - § 315 BGB
Arbeitsgericht Ulm, Urteil vom 14.3.2017, Az. 5 Ca 328/16

1. Im Rahmen der richterlichen Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 2 Satz 2 BGB (s. BAG 03.08.2016 - 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334) über das Maß, inwiefern die in einer Zielvereinbarung enthaltenen Ziele erreicht wurden, kann eine zwischen den Parteien abgesprochene vorläufige Zielerreichung zugrunde gelegt werden, wenn zwischen den Parteien allein streitig ist, ob nach dieser Absprache dem Arbeitgeber bekannt gewordene Vorfälle die Zielerreichung beeinträchtigen.

2. Ein Arbeitnehmer kann gerichtlich einen Anspruch auf Beschäftigung auf einer bestimmten Hierarchieebene geltend machen. Insofern bestehen insbesondere keine Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Anspruchs (ausf. LAG Baden-Württemberg 12.06.2006 - 4 Sa 68/05, juris Rn. 94 ff.).

3. Die Grundsätze über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte gelten gleichermaßen für Ermahnungen und andere Schreiben, die zu der Personalakte genommen werden und die weitere berufliche Entwicklung eines Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können (LAG Hamm 25.09.2009 - 19 Sa 383/09, juris Rn. 57).

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&nr=22170&pos=3&anz=12

IX.
Flucht in die Säumnis; Richterlicher Hinweis auf Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage; Befangenheitsantrag; Entscheidung nach Aktenlage im ersten Kammertermin
Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 7.3.2017, 25 Ca 5337/16

1. Erteilt d. Vorsitzende bei Säumnis der klagenden Partei (hier: Nichtverhandeln iSd. § 333 ZPO) den Hinweis, dass die beklagte Partei neben einem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 330 ZPO) auch einen Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) stellen kann, begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit d. Vorsitzenden. Der Hinweis ist von § 139 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 ZPO gedeckt.

2. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren ist streitig, ob bereits im ersten Kammertermin eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen kann. Ist d. Vorsitzende der Auffassung, dass eine Entscheidung nach Aktenlage bereits im ersten Kammertermin ergehen kann, unterliegt die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung nicht der Überprüfung im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs.

Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2017&nr=22224&pos=4&anz=12

X.
Stichtagsklausel für eine Weihnachtsgratifikation
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.2.2017, Az. 7 Sa 397/16

Führt die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Stichtagsklausel für eine Weihnachtsgratifikation zu einer längeren Bindungsdauer als die im selben Vertrag enthaltene Rückzahlungsklausel, sind die Regelungen intransparent und damit unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 BGB. Die Klauseln können nicht so geteilt werden, dass nur eine wirksame Rückzahlungsklausel aufrechterhalten wird. In Fällen, in denen die Intransparenz gerade aus der Kombination mehrerer Klausel besteht, kann die Streichung nicht erfolgen und damit die Klausel "transparent" gemacht werden. Hier würde die Grenze zur geltungserhaltenden Reduktion überschritten (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10).

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2017/NRWE_LAG_D_sseldorf_7_Sa_397_16_Urteil_20170215.html

XI.
Auslegung einer Bezugnahmeklausel; Gleichstellungsabrede
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 6.3.2017, 9 Sa 809/16

Wird in einem Arbeitsvertrag die Geltung von näher konkretisierten Tarifverträgen mit der Einschränkung "soweit sie für den Arbeitgeber verbindlich sind" vereinbart, handelt es sich auch nach den seit dem 01.01.2002 geltenden Beurteilungsmaßstäben um eine Gleichstellungsabrede.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2017/NRWE_LAG_D_sseldorf_9_Sa_809_16_Urteil_20170306.html

XII.
Ablehnung eines Bewerbers für ein Lehramt aufgrund fehlender charakterlicher Eignung
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2017, Az. 2 Sa 122/17

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat einen Anspruch eines zunächst ausgewählten Bewerbers auf eine Einstellung als Lehrer abgelehnt. Damit hat das Landesarbeitsgericht eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt.

Das Land Berlin hat dem Bewerber eine Einstellung als Lehrer in Aussicht gestellt, diese aber nach Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses abgelehnt. In dem erweiterten Führungszeugnis des Bewerbers ist ein Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten aufgeführt. Nach diesem rechtskräftigen Strafbefehl wurde der Bewerber wegen versuchten Betrugs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt, weil er ohne gültigen Fahrschein S-Bahn gefahren und bei der Fahrscheinkontrolle einen verfälschten Fahrschein vorgezeigt habe.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, damit fehle dem Bewerber die für eine Einstellung als Lehrer gemäß Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz erforderliche charakterliche Eignung. Eine rechtsverbindliche Zusage einer Einstellung sei entgegen der Auffassung des Bewerbers nicht erfolgt.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Siehe:
https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2017/pressemitteilung.579023.php

XIII.
Kostenfestsetzung, Kostenerstattung, Reisekosten der Partei, Erforderlichkeit, Berufungstermin, Mitarbeiter der Arbeitgeberin, Anreise von andere
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16.01.2017, Az. 1 Ta 111/16

Die Parteien streiten über die Kostenfestsetzung hinsichtlich erstinstanzlich angefallener Reisekosten eines Mitarbeiters der Beklagten. Die Klage der Klägerin auf Inanspruchnahme der tariflichen Ruhensregelungen nach § 11 Abs. 1 TVUmBW ist durch Urteil des Arbeitsgerichts kostenpflichtig abgewiesen worden. Ein Rechtsmittel legte die Klägerin nicht ein. Vor dem Arbeitsgericht haben ein Gütetermin und zwei Kammertermine stattgefunden, der zweite mit einer Beweisaufnahme.

Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/7447B04453DC3862C1258101003936BD/$file/N_1Ta111-16_16-01-2017.pdf

XIV.
Kündigung, außerordentlich, Pflichtverletzung, schwerwiegende, Beleidigung des Geschäftsführers, Äußerung, ehrverletzende, "Soziales Arschloch", Affektsituation
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.01.2017, Az. 3 Sa 244/16

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung vom 19.02.2016 mit dem Vorwurf der Beleidigung des Geschäftsführers und des ehemaligen Geschäftsführers.

Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/B1B48D7E0C948D3DC125810100394437/$file/U_3Sa244-16_24-01-2017.pdf

XV.
Einstweilige Verfügung, Stellenbesetzung, Konkurrentenklage
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.12.2016, Az. 6 SaGa 6/16

Der Kläger will dem beklagten Land untersagen lassen, ausgeschriebene Stellen zu besetzen, bevor erneut über die Bewerberauswahl entschieden worden ist bzw. dem Land aufgeben lassen, vorläufig erfolgte Stellenübertragungen rückgängig zu machen.

Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/C490FA62B1971C87C12580F9004008FC/$file/U_6SaGa6-16_14-12-2016.pdf

XVI.
Wechselschichtzulage, Krankenpflegerin, Tätigkeit, ununterbrochene, Organisationseinheit, Bereitschaftsdienst
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.03.2016, Az. 4 Sa 454/15

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Zahlung einer tariflichen Wechselschichtzulage hat.

Siehe:
https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/7062532F2528FAF1C12580F700260414/$file/U_4Sa454-15_03-03-2016.pdf

XVII.
Berufungsurteil gegen das die Revision stattfindet
BGH, Urteil vom 21. Februar 2017, Az. VI ZR 22/16

Aus einem Berufungsurteil, gegen das die Revision stattfindet, muss zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gerichtausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen. Fehlen solche Darstellungen, hat das Revisionsgericht das Urteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (Fortführung Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216).

Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=78038&pos=1&anz=552

XVIII.
Ein Rechtsanwalt, der einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet
BGH, Beschluss vom 14. März 2017, Az. XI ZB 16/16

Ein Rechtsanwalt, der einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet, übernimmt mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes, wenn seiner Unterschrift maschinenschriftlich der Name des anderen Rechtsanwalts beigefügt wird.

Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=78045&pos=15&anz=531

XIX.
Partnerschaftsgesellschaft kann nicht Gesellschafterin einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein
BGH, Urteil vom 20. März 2017, Az. AnwZ (Brfg) 33/16

Eine Partnerschaftsgesellschaft kann gemäß § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht Gesellschafterin einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein (Anschluss an und Fortführung von BGH, Beschluss vom 9. Juli 2001 - PatAnwZ 1/00, BGHZ 148, 270).

Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=78058&pos=10&anz=531

XX.
Weiterleitung von Schriftstücken
BGH, Beschluss vom 29. März 2017, Az. XII ZB 567/16

Eröffnet ein Gericht die Möglichkeit der Weiterleitung von Schriftstücken an das zuständige Gericht, so genügt der Anwalt seinen Sorgfaltspflichten bereits dann, wenn er einen fristgebundenen Schriftsatz so rechtzeitig abgibt, dass er einen fristgemäßen Eingang beim zuständigen Gericht mit Sicherheit erwarten darf (im Anschluss an BGH Beschlüsse vom 23. März 2006 – IX ZB 56/05 – AnwBl 2006, 491 und vom 12. Juli 1961 – I ZB 2/61 - VersR 1961, 923).

Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=78081&pos=27&anz=537

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr

Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident

 
VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Kronprinzstr. 14
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Tel.: 0711 – 3058 9320
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