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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Pferdeeinstellvertrag: Einordnung des Vertrages; Recht des Pensionswirts, Turnierpferde tierärztlich untersuchen zu lassen
LG Lübeck, Urteil vom 02. Februar 2017, Az. 14 S 231/15
1. Beinhaltet der zwischen den Parteien vereinbarte Pferdeeinstellvertrag neben der miet- und verwahrungsrechtlichen Unterbringung zweier Turnierpferde als dominierende Elemente zusätzlich Fütterung, Pflege, Beritt und Ausbildung, überwiegt der dienstvertragliche Charakter dieses Vertrages mit der Folge, dass Geschäftsbesorgungsrecht gilt. Hat der Pferdeeinsteller dem Pensionswirt Weisungen erteilt, findet § 665 BGB Anwendung. Der beauftragte Pensionswirt, der sich bei der Auftragsausführung infolge unberechtigter Weisungsabweichung vertragswidrig verhält, begeht eine Pflichtverletzung und ist dem Auftraggeber bei einem Verschulden zum Schadenersatz verpflichtet.(Rn.11)
2. Für die Frage, ob eine Weisungsabweichung vorliegt, kommt der Übung und Verkehrssitte des geschäftlichen Lebens maßgebliche Bedeutung zu. Nicht ins Gewicht fallende geringfügige Abweichungen - vorliegend die Hingabe der Pferde an den Tierarzt zur Untersuchung der Maulhöhle und ggf. Beraspeln - sind nach Treu und Glauben nicht zu berücksichtigen.(Rn.12)
3. Es entspricht dem Standard, der Übung und Verkehrssitte eines Reitstalles, zumindest Turnierpferde einmal jährlich tierärztlich untersuchen zu lassen und die Zähne, soweit erforderlich, beraspeln zu lassen.(Rn.14)
4. Ein Tierarzt hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die nach Abschluss der Behandlung fällig ist (vgl. LG Mainz, Urteil vom 30. April 2002, 6 S 4/02).(Rn.15)
II.
Grundbuchsache: Anspruch eines Maklers auf erweiterte Grundbucheinsicht
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06. Januar 2017, Az. Wx 270/16
Ein Makler, der Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks jeweils auf Zahlung einer Provision in Anspruch nimmt, kann nicht zum Zwecke der Überprüfung der Frage der Kongruenz des Hauptvertrages und des Ursachenzusammenhangs zwischen Maklerleistung und Vertragsschluss - seinem durch Auslegung ermittelten Begehren entsprechend - „erweiterte Grundbucheinsicht“ in Bezug auf die der Eigentumsübertragung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vorgänge verlangen.(Rn.14)
III.
Einwilligung in Werbe-E-Mail
BGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. VI ZR 721/15
1. Die ohne wirksame Einwilligung an eine geschäftliche E-Mail-Adresse versandte Werbe-E-Mail stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. September 2013 - I ZR 208/12, GRUR 2013, 1259).
2. Eine wirksame Einwilligung in den Empfang elektronischer Post zu Werbezwecken setzt u.a. voraus, dass der Adressat weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt, und dass klar ist, welche Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. Eine vorformulierte Einwilligungserklärung ist an den §§ 305 ff. BGB zu messen (Fortführung von BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 169/10, GRUR 2013, 531).
3. Zur Anwendbarkeit von § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG, wenn der zur Unterlassung von Werbung mittels elektronischer Post Verpflichtete die E-Mail-Adresse des Betroffenen gegen dessen Willen nutzen möchte, um sie zu Lösch- oder Sperrzwecken an seine Werbepartner weiterzuleiten.
IV.
Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten der Anlieger
BGH, Urteil vom 14. Februar 2017 – VI ZR 254/16
1. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen winterliche Räum- und Streupflichten setzt entweder das Vorliegen einer allgemeinen Glätte voraus oder das Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen.(Rn.7)
2. Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen.(Rn.9)
V.
Aufklärungspflicht des Treuhandkommanditisten
BGH, Urteil vom 16.03.2017, Az. III ZR 489/16
a) Ein Treuhandkommanditist ist verpflichtet, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind.
b) Von einem Treuhandkommanditisten kann jedenfalls erwartet werden, dass er den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüft, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dies mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich richtig und vollständig sind.
VI.
Haftung des Insolvenzverwalters für unternehmerische Fehlentscheidung
BGH, Urteil vom 16.03.2017, Az. IX ZR 253/15
a) Ob der Insolvenzverwalter für eine unternehmerische Fehlentscheidung haftet, ist am Insolvenzzweck der bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger unter Berücksichtigung der von den Insolvenzgläubigern getroffenen Verfahrensentscheidungen zu messen.
b) Der Insolvenzverwalter darf keine Geschäftschance persönlich nutzen, die aufgrund der Umstände des jeweiligen Falles dem von ihm verwalteten Schuldnerunternehmen zuzuordnen ist.
VII.
BGH, Urteil vom 14. März 2017, Az. VI ZR 721/15
1. Die ohne wirksame Einwilligung an eine geschäftliche E-Mail-Adresse versandte Werbe-E-Mail stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 208/12, GRUR 2013, 1259).
2. Eine wirksame Einwilligung in den Empfang elektronischer Post zu Werbezwecken setzt u.a. voraus, dass der Adressat weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt, und dass klar ist, welche Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. Eine vorformulierte Einwilligungserklärung ist an den §§ 305 ff. BGB zu messen (Fortführung von BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – I ZR 169/10, GRUR 2013, 531).
3. Zur Anwendbarkeit von § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG, wenn der zur Unterlassung von Werbung mittels elektronischer Post Verpflichtete die E-Mail-Adresse des Betroffenen gegen dessen Willen nutzen möchte, um sie zu Lösch- oder Sperrzwecken an seine Werbepartner weiterzuleiten.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=77970&pos=10&anz=562
VIII.
Stichtagsklausel für eine Weihnachtsgratifikation
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.2.2017, Az. 7 Sa 397/16
Führt die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Stichtagsklausel für eine Weihnachtsgratifikation zu einer längeren Bindungsdauer als die im selben Vertrag enthaltene Rückzahlungsklausel, sind die Regelungen intransparent und damit unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 BGB. Die Klauseln können nicht so geteilt werden, dass nur eine wirksame Rückzahlungsklausel aufrechterhalten wird. In Fällen, in denen die Intransparenz gerade aus der Kombination mehrerer Klausel besteht, kann die Streichung nicht erfolgen und damit die Klausel "transparent" gemacht werden. Hier würde die Grenze zur geltungserhaltenden Reduktion überschritten (vgl. BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10).
Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/duesseldorf/lag_duesseldorf/j2017/NRWE_LAG_D_sseldorf_7_Sa_397_16_Urteil_20170215.html
IX.
Unwirksame krankheitsbedingte Kündigung trotz erheblich hoher und erheblich häufiger Ausfallzeiten
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07. März 2017 – 2 Sa 158/16
1. Der Prüfungsmaßstab für häufige (Kurz-)Erkrankungen ist auch dann anzulegen, wenn sich unter den medizinischen Ausfallursachen einzelne Krankheiten befinden, die zu längeren Ausfallzeiten geführt haben (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - AP Nr. 52 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = DB 2015, 1290 = NZA 2015, 612).
2. Verletzungen des Skeletts oder des Gewebes, die man sich bei einem Unfall zuzieht, heilen im Regelfall aus. Die Ausfallzeiten, die auf derartigen Heilungsprozesse zurückzuführen sind, fallen daher als Prognosegrundlage für zukünftige Fehlzeiten im Regelfall aus.
3. Lebenskrisen wie beispielsweise eine Scheidung können zu einem vorübergehenden Verlust des Lebensmuts führen, der sich in krankheitsbedingten Ausfallzeiten niederschlägt. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass der angesichts solcher Lebenskrisen verlorene Lebensmut mit dem zeitlichen Abstand zu dem auslösenden Ereigniskomplex wiederkehrt, weil sich im Regelfall herausstellt, dass es trotz der erlebten Krise möglich ist, das Leben auch unter den veränderten Bedingungen fortzuführen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann man daher nicht davon ausgehen, dass eine noch nicht ausgestandene Lebenskrise zukünftig notwendig zu Ausfallzeiten führen wird, die es erforderlich machen, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufzulösen.
4. Soll die Fehlzeitenprognose auch mit der Krankheitsanfälligkeit des Arbeitsnehmers gestützt werden, verlangt das zunächst die gerichtliche Feststellung, dass sich die Anzahl der Krankheitsereignisse und deren Dauer signifikant über dem zu erwartenden Durchschnitt des Auftritts gleicher oder vergleichbarer Krankheiten bei anderen Beschäftigten bewegt (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit = NZA 2006, 655). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Fehlzeitenprognose aufgrund einer Krankheitsanfälligkeit erschöpft sich allerdings nicht in einer statistischen Analyse der Ausfallzeiten. Vielmehr verlangt das Bundesarbeitsgericht zusätzlich so etwas wie eine plausible Erklärung für die Krankheitsanfälligkeit.
X.
Handelsvertretervertrag: Unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit durch Verknüpfung der Kündigung mit die Vertragsbeendigung erschwerenden finanziellen Nachteilen
OLG München, Urteil vom 09. März 2017, Az. 23 U 2601/16
Eine nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit zulasten des Handelsvertreters kann auch dann vorliegen, wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende finanzielle Nachteile geknüpft werden. Das kann bei Vertragsklauseln der Fall sein, die eine Rückzahlung langfristiger, erheblicher Provisionsvorschusszahlungen bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter vorsehen.(Rn.33)
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
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Schriftleiter mittelstandsdepesche
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Tel.: 0711/ 30 58 93-0Fax: 0711/ 30 58 93-11
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