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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Anhörung des Arbeitnehmers - Kündigung in der Wartezeit - Treuwidrigkeit
ArbG, Urteil vom 31.5.2016, Az: 5 Ca 165/16
1. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Kündigung ist - außer bei der Verdachtskündigung - mangels gesetzlicher Grundlage keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
2. Der Arbeitnehmer muss bei der Anhörung vor einer Verdachtskündigung nur mit einem hinreichend konkreten Sachverhalt konfrontiert werden. Der Arbeitgeber ist dabei nicht verpflichtet, seine Erkenntnisquellen zum Kündigungssachverhalt offenzulegen. Dies gilt erst recht, wenn bereits die Anhörung entbehrlich ist.
3. Eine Spezialisierung auf einen bestimmten Berufstyp begründet nicht die Treuwidrigkeit einer Kündigung.
II.
Information über wirtschaftliche Rentabilität einer Immobilie
BGH, Versäumnisurteil vom 17.06.2016, Az: V ZR 134/15
Bei einem Schadensersatzanspruch wegen einer fehlerhaften Beratung über die Höhe der monatlichen Zuzahlung im Fall des Erwerbs einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage liegt die erforderliche Kenntnis anspruchsbegründender Umstände erst vor, wenn der Käufer nachvollziehen kann, worauf die höhere Zuzahlung zurückzuführen ist. Dies ist ihm regelmäßig erst nach Erhalt der Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. des Mietpools für den betroffenen Zeitraum möglich.
a)Wird als Kaufanreiz für eine Immobilie auf deren wirtschaftliche Rentabilität hingewiesen, muss der Verkäufer auch über die hierfür bedeutsamen tatsächlichen Umstände richtig und vollständig informieren. Er verletzt daher seine Beratungspflichten, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes Bild der Ertragserwartung oder des Wertsteigerungspotentials gibt und den Interessenten dadurch zum Vertragsschluss veranlasst (Bestätigung von Senat, Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 223/03 , NJW 2005, 983).
b) Wird eine langfristige Finanzierung eine Immobilienkaufs mit damit einhergehenden Steuervorteilen und zugleich ein Annuitätendarlehen vorgeschlagen, ist über eintretende negative Auswirkungen des sich Jahr für Jahr verringernden Zinsanteils der Darlehensraten auf den Steuervorteil aufzuklären.
III.
Begriff des neuen Kunden in § 89b HGB
BGH, Urteil vom 06.10.2016, Az: VII ZR 328/12
§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB ist im Lichte von Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a) erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG dahin auszulegen, dass die von einem Handelsvertreter für Waren geworbenen Kunden, mit deren Vertrieb ihn der Unternehmer beauftragt hat, auch dann als neue Kunden im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, wenn sie bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer unterhalten, sofern der Verkauf der erstgenannten Waren durch diesen Handelsvertreter die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat (Anschluss an EuGH, ZVertriebsR 2016, 172).
IV.
Nichteinhaltung der Baukostenobergrenze
BGH, Urteil vom 06.10.2016, Az: VII ZR 185/13
a)Hat der Architekt eine mit dem Auftraggeber vereinbarte Baukostenobergrenze nicht eingehalten, kann dem Auftraggeber ein Schadensersatzanspruch zustehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 362/01 ,BauR 2003, 566= NZBau 2003, 281). Der auf die Nichteinhaltung einer solchen Obergrenze gestützte Schadensersatzanspruch führt dazu, dass der Architekt den sich aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ergebenden Honoraranspruch auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten gemäß § 10 HOAI a.F. insoweit nicht geltend machen kann, als dieser das Honorar überschreitet, welches sich ergäbe, wenn die anrechenbaren Kosten der vereinbarten Baukostenobergrenze entsprochen hätten (dolo-agit-Einwand, § 242 BGB ).
b) Beruft sich der Auftraggeber auf eine Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm behauptete Beschaffenheitsvereinbarung.
V.
Untreue durch Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH
BGH, Beschluss vom 26.11.2015, Az: 3 StR 17/15
1. Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestands, das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten zusammenwirkt.
2. § 39 Ziff. 5 Satz 2 der Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz schützt die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers.
3. Zu der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und dem Eintritt eines Vermögensnachteils bei der Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen für ein Bundesland durch dessen Finanzminister.
4. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen.
5. Zu den Darlegungsanforderungen bezüglich der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht, wenn dem Angeklagten eine Handlungsvollmacht für die Gesellschaft erteilt wurde.
VI.
Unternehmerdarlehen: Formularmäßige Vereinbarung eines Bearbeitungsentgelts
OLG Frankfurt, Urteil vom 12.10.2016, Az. 17 U 165/15
1. Eine Klausel über ein Bearbeitungsentgelt für ein Darlehen in Höhe von rund 50.000 € ist als kontrollfähige Preisnebenabrede einzuordnen.
2. Ein in einem Unternehmensdarlehensvertrag im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des bisherigen Kreditengagements formularmäßig vereinbartes Bearbeitungsentgelt stellt auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung keine unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers dar und hält der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand.
VII.
Einziehung eines Gesellschaftsanteils nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses
OLG München, Urteil vom 05.10.2016, Az. 7 U 3036/15
1. Eine Satzungsbestimmung, nach der die Einziehung eines GmbH-Gesellschaftsanteils, der maßgeblich im Hinblick auf die partnerschaftliche Mitarbeit des Gesellschafters in der Gesellschaft (hier: einer Unternehmensberatungsgesellschaft) eingeräumt wurde, an die Beendigung der Mitarbeit geknüpft ist, ist grundsätzlich wirksam (vergleiche BGH vom 19. September 2005, II ZR 342/03).
2. Eine Satzungsbestimmung, wonach im Falle eines Streits über die Wirksamkeit der Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft die wirksame Beendigung fingiert wird und eine Einziehung des Geschäftsanteils durch Gesellschaftsbeschluss deshalb gerechtfertigt ist, ist unwirksam. Die Möglichkeit willkürlicher Einziehung begründet die Sittenwidrigkeit der Klausel.
3. Ein Gesellschafter, dessen Anteil durch Gesellschaftsbeschluss eingezogen wurde, kann sich jedoch im Falle faktischer Beendigung der Partnerschaft nach Treu und Glauben dann nicht mehr auf eine ungeklärte Beendigung des Vertragsverhältnisses berufen, wenn nach den Umständen des Falles nicht mehr zu erwarten ist, dass der Gesellschafter die tatsächliche Mitarbeit als Partner wieder aufnimmt.
VIII.
Gesundheitsbezogene Angabe
OLG Stuttgart, Urteil vom 03.11.2016, Az. 2 U 37/16
Durch die Verwendung des Begriffs "bekömmlich" für Bier wird ein Wirkzusammenhang zwischen diesem Getränk und der Gesundheit hergestellt. Damit liegt eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor.
IX.
Leitender Angestellter, Personalkompetenz im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft
(nicht erforderlich)
LAG Köln, Beschluss vom 13.09.2016, Az. 12 TaBV 25/16
1. Die Rechtsnatur einer personellen Einzelmaßname nach § 99 BetrVG steht einer abstrakten Klärung eines Mitbestimmungsrechts im Vorfeld, losgelöst von einer konkreten personellen Einzelmaßnahme, entgegen. Ein diesbezüglicher abstrakter Feststellungsantrag ist daher regelmäßig bereits mangels Vorliegen des erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses unzulässig.
2. In einem Filial-Einzelhandelsunternehmen setzt die Einordnung eines Personalverantwortlichen als Leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Satz 2Ziffer 1 BetrVG nicht voraus, dass die Personalkompetenz für eine bestimmte Mindestzahl an Beschäftigten im Verhältnis zur Gesamtbelegschaft des Unternehmens besteht. Dem steht die Betriebsbezogenheit des BetrVG entgegen.
X.
Einstweiliges Verfügungsverfahren - Freistellung eines gekündigten, leitenden Angestellten
ArbG Berlin, Urteil vom 31.08.2016
1. Ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers kann nach dem Ausspruch einer Kündigung jedenfalls dann auch formularmäßig vereinbart werden, wenn es sich beim Arbeitnehmer um einen Mitarbeiter in leitender Stellung handelt.(Rn.38)
2. Eine Kündigung führt in der Regel auf beiden Seiten zu einer Vertrauenseinbuße und zu Spannungen und kann das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters in leitender Position nachhaltig zerstören. Da der Arbeitgeber aber von einer loyalen und engagierten Leistung seiner leitenden Angestellten abhängt, ist insbesondere bei berechtigter Kündigung ein berechtigtes Interesse an der Freistellung zu bejahen.(Rn.43)
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Michael Henn
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