Kurzarbeit - eine echte Alternative zu Massenentlassungen?
Nachdem die Kurzarbeit in den vergangenen Jahren kaum ein Thema war, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, sei es nun leider an der Zeit, sich wieder einmal mit ihren aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.
Kurzarbeit bedeutete zunächst eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit, was bis zu einer Arbeitszeit von null Wochenstunden (Kurzarbeit Null) führen könne. Da Arbeitnehmer bei der Einführung von Kurzarbeit weniger Gehalt bekommen als bisher, stelle diese Maßnahme einen für den Arbeitnehmer nachteiligen Eingriff in das Arbeitsverhältnis dar und könne somit nicht einseitig durch bloße Ausübung des Direktionsrechts angeordnet werden. Vielmehr bedürfe die Einführung von Kurzarbeit eines besonderen Rechtsgrundes.
Die Einführung könne nur aufgrund eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder aufgrund einer individualvertraglichen Ergänzung des Arbeitsvertrages erfolgen. Die Sonderregelung in § 19 Absatz 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) spiele als gesetzliche Rechtsgrundlage zur Einführung von Kurzarbeit nur in Ausnahmefällen eine Rolle.
Besondere Rechtsgrundlage
Tarifverträge, die die Kurzarbeit regeln, ermächtigen den Arbeitgeber in aller Regel nur im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat zur Einführung von Kurzarbeit. Tarifliche Vorgaben, wie zum Beispiel bestimmte Ankündigungsfristen, seien dabei strikt einzuhalten. Wenn im Betrieb ein Betriebsrat bestehe, komme die Einführung von Kurzarbeit auch durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung in Betracht. Der Betriebsrat habe hier ein zwingend zu beachtendes Mitbestimmungsrecht gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Existiere kein Betriebsrat, müsse sich der Arbeitgeber mit den einzelnen Arbeitnehmern über den Weg von individuellen Änderungsverträgen über die Einführung von Kurzarbeit einigen. Sei eine Einigung nicht zu erzielen, sei auch eine Änderungskündigung denkbar, wobei diese in der Praxis kaum in Betracht komme. Im Regelfall werden Arbeitnehmer vor dem Hintergrund ansonsten drohender Entlassungen der Einführung von Kurzarbeit aber häufig zustimmen, zumal die Bundesagentur für Arbeit bei Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 beziehungsweise 67 Prozent der Nettogehaltsdifferenz gewähre.
Die Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit setze nach den einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuch (SGB) III voraus, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliege, bestimmte betriebliche und persönliche Voraussetzungen erfüllt seien und
der Arbeitsausfall schriftlich vom Arbeitgeber oder der Betriebsvertretung der Agentur für Arbeit am Betriebssitz angezeigt worden ist.
Unvermeidbare wirtschaftliche Gründe
Ein erheblicher Arbeitsausfall liege nach dem Gesetzeswortlaut vor, so erläutert sein VdAA Vorstandskollege und Vizepräsident des Verbandes, der Münchner Fachanwalt für Arbeitsrecht Christoph J. Hauptvogel, aus der renommierten Anwaltskanzlei Graf von Westphalen, wenn er auf nicht vermeidbaren, vorübergehenden wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruhe und im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres Bruttogehalts betroffen seien. Um der Kurzarbeit stärkere Impulse zu geben, habe die Bundesregierung in dem am 13. Januar 2009 beschlossenen „Konjunkturpaket II" vorgesehen, dass diese letzte Voraussetzung für zwei Jahre (2009 und 2010) ausgesetzt werden soll.
Unvermeidbare wirtschaftliche Gründe werden dann angenommen, wenn eine durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingte Veränderung der betrieblichen Strukturen vorliege.
Die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld seien erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetze, aus zwingenden Gründen oder im Anschluss an die Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses aufnehme, wenn das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst sei und der Arbeitnehmer nicht vom Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen ist. Letzteres sei beispielsweise der Fall, wenn ein Anspruch auf Krankengeld bestehe.
Um die betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld zu erfüllen, müsse lediglich im Betrieb beziehungsweise in der Abteilung regelmäßig mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt sein. Insoweit sei ein Antrag auf Kurzarbeitergeld schon bei sehr kleinen betrieblichen Strukturen möglich.
Maßnahmen der Bundesregierung
Die Bundesregierung habe jüngst einige Maßnahmen in die Wege geleitet, um Kurzarbeit zu fördern und dadurch Entlassungen zu verhindern. So trat beispielsweise am 1. Januar 2009 eine neue Verordnung über die Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld in Kraft, durch die die mögliche Bezugsdauer auf 18 Monate verlängert wurde. Diese Verlängerung soll für alle Arbeitnehmer gelten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld im Laufe des Jahres 2009 entsteht. In dem von der Bundesregierung am 13.Januar 2009 beschlossenen „Konjunkturpaket II" sind weitere Maßnahmen zur Förderung von Kurzarbeit vorgesehen. So sollen Arbeitgeber bei Kurzarbeit in den Jahren 2009 und 2010 die von ihnen zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet bekommen. Für Zeiten der Qualifizierung der Arbeitnehmer während Phasen der Kurzarbeit sollen den Arbeitgebern auf Antrag die Sozialversicherungsbeiträge sogar in voller Höhe erstattet werden. Schließlich sollen Minusstunden auf Arbeitszeitkonten keine Voraussetzung zur Erlangung von Kurzarbeitergeld mehr sein müssen, so dass auch der sofortige Antrag auf Kurzarbeitergeld möglich ist, ohne vorher positive Arbeitszeitkonten abbauen zu müssen.
Sicherlich sei Kurzarbeit nur ein temporäres Hilfsmittel, und wenn die Wirtschaftskrise länger als erwartet andauere, werden die Unternehmen trotzdem aus wirtschaftlichen Gründen zur Aussprache von Kündigungen übergehen müssen, betont Hauptvogel. Aber glücklicherweise würden die Wirtschaftsforschungsinstitute eine zwar harte, aber nur recht kurze Rezession erwarten. Deshalb sei es durchaus verständlich, ja sogar empfehlenswert, wenn Unternehmen versuchten, mit Hilfe von Kurzarbeit über diese Durststrecke hinwegkommen zu können.
Da bei der Einführung von Kurzarbeit zahlreiche gesetzliche Vorschriften zu beachten seien, sollte bereits im Vorfeld dieser Entscheidung auch fachkundiger anwaltlicher Rat eingeholt werden, um rechtliche Fehler oder spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Ausgewiesene Spezialisten für Arbeitsrecht seien in der Regel an dem Zusatz „Fachanwalt/Fachanwältin für Arbeitsrecht" zu erkennen, wie sie in überwiegender Zahl u. a. auch im VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. - www.vdaa.de - organisiert seien.
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Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
VdAA - Präsident
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Christoph J. Hauptvogel
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Fachanwalt für Arbeitsrecht
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