10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Reichweite der Verjährungshemmung
BGH, Urteil vom 20.01.2016, Az: VIII ZR 77/15
Die in § 213 BGB angeordnete Erstreckung einer Hemmung der Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind, erfasst die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte nur insoweit, als sie auf demselben Mangel beruhen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14 , NJW 2015, 2106 Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen.
II.
Entschädigungsanspruch bei Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch bei wiederholten Bewerbungen
ArbG Karlsruhe, Urteil vom 26. Januar 2016, Az. 2 Ca 425/15
Eine unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch führt bei einer wiederholten Bewerbung nicht die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbei, wenn der Bewerber kurz zuvor an einem Vorstellungsgespräch teilgenommen hatte.
III.
Altvertrag über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen zur Finanzierung eines Grundstückskaufs
OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Januar 2016, Az. I-6 U 296/14, 6 U 296/14
Altvertrag über ein festverzinsliches Annuitätendarlehen zur Finanzierung eines Grundstückskaufs: Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung in Ansehung eines zwischenzeitlich erheblich gefallenen Marktzinsniveaus.
Der Widerruf eines nicht in einer Haustürsituation vor mehreren Jahren abgeschlossenen, festverzinslichen und durch ein Grundpfandrecht besicherten Annuitätendarlehensvertrags, der die gemäß § 492 Abs. 1, Abs. 1a Satz 1 BGB (in der Fassung vom 23. Juli 2002) notwendigen Vertragsangaben enthält, stellt eine gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Verbraucher ihn erst widerruft, nachdem das marktübliche Zinsniveau für solche Darlehen um mehr als 30% unter den Vertragszins gefallen war, obwohl er das mit den Mitteln des Darlehens erworbene Grundeigentum weiterhin zu eigenen Zwecken nutzt und sich der von ihm mit der Bank vereinbarte Festzins im Rahmen des seinerzeit marktüblichen Zinsniveaus bewegt hat. Bei dieser objektiven Sachlage dient der Widerruf nicht dem Schutz des Verbrauchers vor einer übereilten Entscheidung in der Vertragsabschlusssituation, sondern der vertragstreuwidrigen Verlagerung des Risikos fallender Zinsen auf die Bank.
IV.
Kartellrechtswidrige Diskriminierung
OLG Nürnberg, Urteil vom 22. Januar 2016, Az. 1 U 907/14
Kartellrechtswidrige Diskriminierung: Satzungsmäßiges Verbot für Mitglieder einer Taxigenossenschaft hinsichtlich von Tätigkeiten für den Betreiber einer Taxi-App.
Satzungsbestimmungen einer Taxigenossenschaft, die es ihren Mitgliedern untersagen, während eines von der Genossenschaft vermittelten Fahrauftrags ihre Positionsdaten an Wettbewerber (hier an die Betreiberin einer Taxi-App) zu übermitteln oder auf ihren Fahrzeugen für diese zu werben, stellen eine unzulässige Behinderung des Wettbewerbs dar (§ 1 GWB, § 33 Abs. 1 GWB).
V.
Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. November 2015, Az. V ZR 78/14
Eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes vor Vertragsschluss durch den Verkäufer, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, führt in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=73414&pos=11&anz=
VI.
Irreführung durch Streichpreise
LG Karlsruhe, Urteil vom 23. Dezember 2015, Az. 15 O 12/15
1. In einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag ist die Formulierung "auf der jeweils gleichen Internetseite" sowie "grundpreispflichtig" hinreichend bestimmt.
2. Die über Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 98/6/EG (PreisangabenRL) hinausgehende Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV (Grundpreisangabe "in unmittelbarer Nähe" zum Verkaufspreis) dürfte wegen Ablaufs der Frist gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 Richtlinie 2005/29/EG (UGP-RL) nicht mehr anwendbar sein.Das nationale Gericht ist befugt, Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL unmittelbar anzuwenden, falls § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV insoweit unanwendbar geworden sein sollte, denn es würde an einer (fristgerechten) mitgliedstaatlichen Richtlinienumsetzung fehlen.
3. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL müssen der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit "unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar" sein. Der unionsrechtliche Regelungszweck kann nur erreicht werden, wenn die Gestaltung von Onlineshops denen eines "realen" Ladengeschäfts im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Preisen und Grundpreisen nahe kommt, soweit dem nicht Besonderheiten der Online-Darstellung oder technischen Machbarkeit entgegenstehen. Daher muss der Grundpreis, soweit es dessen Angabe bedarf, auf derselben Internetseite dargestellt werden wie der Verkaufspreis.
4. Die Bewerbung von Waren im Versandhandel mit einer Rabattierung gegenüber gestrichenen Preisen, die bei Selbstabholung zu bezahlen sind, ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG unlauter, wenn der Selbstabholerpreis nach der Gesamtgestaltung des Angebots vom Werbenden nicht ernsthaft gefordert wird.
VII.
Handelsvertreter: Begriff des Bezirksvertreters; Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs
OLG München, Urteil vom 09. Dezember 2015, Az. 7 U 1163/15
1. Unter einem Bezirksvertreter ist ein Handelsvertreter zu verstehen, dem ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist. Rechtsfolge ist, dass dem Handelsvertreter auch ein Anspruch auf Provisionen aus solchen Geschäften aus dem Bezirk zusteht, die ohne seine Mitwirkung zustande gekommen sind.
2. Sind sämtliche im Bezirk geschlossenen Geschäfte provisionspflichtig, so ist dem Handelsvertreter ein in diesem Umfang bestehender Anspruch auf Buchauszug gemäß § 87 Abs. 1, 87c Abs. 2 HGB zuzuerkennen.
VIII.
Allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Handelsvertretervertrag mit einem Vermögensberater: Intransparenz einer Formularklausel über ein nachvertragliches Verbot der Kundenabwerbung
BGH, Urteil vom 03. Dezember 2015, Az. VII ZR 100/15
Die in einem Handelsvertretervertrag enthaltene, vom Unternehmer als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Bestimmung "Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Kunden abzuwerben oder dies auch nur zu versuchen" ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB unwirksam.
IX.
Wettbewerbsverstoß eines Versicherungsvertreters: Vermittlung von Kapitalanlagen anderer Anbieter aus Gefälligkeit für die Kunden; Überlassung der eigenen Gewerbeerlaubnis an einen Immobilienmakler
OLG München, Urteil vom 18. November 2015, Az. 7 U 4851/14
1. Verstößt der Handelsvertreter gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot, indem er sich an der Vermittlung von Kapitalanlagen anderer Anbieter an die Kunden seines Geschäftsherrn beteiligt, ist es unerheblich, ob er dabei nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern lediglich „aus Gefälligkeit“ für die Kunden gehandelt haben will. Denn das Wettbewerbsverbot besteht nicht, um ihm Gewinne abzuschneiden, sondern um die Interessen seines Geschäftsherrn zu wahren, die auch bei bloßen Gefälligkeiten tangiert sind.
2. Die Überlassung seiner Gewerbeerlaubnis nach § 34c GewO (für das Gewerbe als Makler, Bauträger, Baubetreuer) an einen Immobilienmakler stellt eine dem Versicherungsvertreter untersagte Wettbewerbshandlung und damit einen Grund für eine fristlose Kündigung dar, auch wenn die Geschäftsherrin (hier: Versicherungsgesellschaft) selbst keine Immobilien vertreibt. Denn der Immobilienerwerb kommt (auch) als Kapitalanlage in Betracht und konkurriert damit mit den von der Geschäftsherrin angebotenen Kapitalanlageformen, insbesondere Lebensversicherungen.
X.
Allgemeine Geschäftsbedingungen: Uneingeschränkte Haftung des Kunden für die Vergütung aller mit seinen persönlichen Zugangsdaten bestellten Leistungen; Vertragsstrafe bei Lastschriftrückgabe wegen nicht fristgerechter Information des Dienstleisters über mangelnde Deckung des Girokontos
OLG München, Urteil vom 12. November 2015, Az. 29 U 2092/15
1. Eine Klausel, nach welcher der Kunde ohne weitere Voraussetzungen für die Vergütung aller unter seiner (nicht gesperrten) persönlichen Geheimzahl bestellten Leistungen haftet, ist mit wesentlichen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung des Vertretungsrechts nicht vereinbar und deshalb gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
2. Eine Klausel, nach welcher der Kunde eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, wenn er bei Einziehung der von ihm geschuldeten Vergütung im Banklastschriftverfahren den Verwender schuldhaft nicht fristgerecht über die mangelnde Deckung seines Girokontos informiert und die Lastschrift nicht eingelöst wird, stellt eine Schadenspauschalierung dar, die gemäß § 309 Nr. 5 BGB unwirksam ist, wenn sie dem Kunden den Nachweis nicht gestattet, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll.
Kronprinzstr. 14
70173 Stuttgart
Tel.: 0711/ 30 58 93-0Fax: 0711/ 30 58 93-11
e-Mail: henn@drgaupp.dewww.drgaupp.de
« zurück