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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
Auslegung einer Bezugsberechtigung
BGH, Urteil vom 22.07.2015, Az: IV ZR 437/14
Die Erklärung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, im Falle seines Todes solle "der verwitwete Ehegatte" Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll (Bestätigung Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR 150/05 , VersR 2007, 784).
II.
Betriebsbedingte Kündigung, Interessenausgleich
LG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Mai 2015, Az. 8 Sa 368/14
1.Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG vor, dh eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG sowie ein Interessenausgleich nebst Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer, wird das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ohne weiteren Vortrag des Arbeitgebers gesetzlich vermutet. Diese Vermutung bezieht sich sowohl auf den Wegfall der bisherigen Beschäftigung als auch auf das Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb.
2.Beschäftigt der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel )Arbeitsvolumen abzudecken, kann von einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG auszugehen sein, die vorrangig für sonst zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden muss.
3.Erhebliche Schwankungen hinsichtlich der Zahl eingesetzter Leiharbeitnehmer können auf ein extrem schwankendes Arbeitsvolumen und die damit verbundene Abdeckung eines unsteten Arbeitskräftebedarfs hinweisen.
4.Entscheidend für die Wirksamkeit der Kündigung ist die im Zeitpunkt der Kündigung zu treffende Prognoseentscheidung. Bei einer späteren positiven Entwicklung ist auch eine Sondersituation in einem von Schwankungen geprägten Betätigungsfeld zu berücksichtigen, so dass es an greifbaren Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit der Prognose fehlen kann.
III.
Haftung bei Fahrt zu Sportveranstaltung
BGH, Urteil vom 23.07.2015, Az: III ZR 346/14
Wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich - auch im Verhältnis zum Sportverein - um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein (hier: Ersatz eines Verkehrsunfallschadens) ausscheiden.
IV.
Rechtswegzuständigkeit für die Zahlungsklage eines Paketzustellers/Kurierfahrers
LG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13. Juli 2015, Az. 3 Ta 6/15
Grundsätzlich übt ein Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff HGB ein selbstständiges Gewerbe aus. Jedoch ist ein solches Rechtsverhältnis dann als Arbeitsverhältnis anzusehen, wenn die Tätigkeit des Transporteurs durch den Auftraggeber stärker eingeschränkt wird, als es auf Grund der gesetzlichen Regelungen geboten ist.
V.
GmbH & Co. KG: Nichtigerklärung des Entlastungsbeschlusses für die Geschäftsleitung
OLG München, Urteil vom 22. Juli 2015, Az. 7 U 2980/12
Verstößt die Geschäftsleitung in erheblicher Weise sowohl gegen Satzung als auch gegen Gesetz (hier: verspätete Vorlage des Entwurfs des Jahresabschlusses), ohne diesen Verstoß spätestens in der Gesellschafterversammlung zu erklären oder zu rechtfertigen, darf ihr Entlastung nicht erteilt werden.(Rn.62)(Rn.68)
VI.
Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners
Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 01. Juli 2015, Az. 2 W 19/15
1.Die Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners aufgrund des § 2077 Abs. 1 BGB wegen Auflösung der Ehe vor dem Tod des Erblassers stellt einen Wegfall des zunächst bedachten Erben im Sinne des § 2096 BGB dar, so dass der Ersatzerbfall eintritt.
2.Die Einsetzung eines Ersatzerben ist im Verhältnis zur primären Erbeinsetzung eine selbständige Verfügung im Sinne des § 2085 BGB und bleibt deshalb wirksam, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie ohne die unwirksame Erbeinsetzung nicht erfolgt wäre. Dies kommt auch dann in Betracht, wenn Verwandte des später gemäß § 2077 Abs. 1 BGB weggefallenen Ehepartners als Ersatzerben bestimmt wurden.
VII.
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - programmgestaltender Mitarbeiter/Moderator einer Sendeanstalt
Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Juli 2015, Az. L 1 KR 73/10
1.Zum Beschäftigungsverhältnis eines Moderators. (Rn.24)
2.Programmgestaltende Mitarbeiter einer Sendeanstalt stehen zu dieser nur dann in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn die Sendeanstalt innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann (Anschluss an BSG vom 28.1.1999 - B 3 KR 2/98 R - juris RdNr 23 = BSGE 83, 246 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5; BAG vom 14.3.2007 - 5 AZR 499/06 - juris RdNr 28 = AfP 2007, 289). (Rn.28)
VIII.
Schadensersatz bei Verkehrsunfall: Ermittlung der Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten
LG Stuttgart, Urteil vom 07. August 2015, Az. 24 O 421/14
1.Für die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten kann der maßgebliche Normaltarif im Wege der tatrichterlichen Schadensschätzung ermittelt werden, wobei sowohl aus der Schwacke-Liste als auch aus der Fraunhofer-Liste jeweils das darin ausgewiesene arithmetische Mittel zu entnehmen ist (Anschluss OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. August 2011, 1 U 27/11).
2.Zu den Einzelheiten der Berechnung des arithmetischen Mittelwertes.
IX.
Instandhaltungspflicht eines mitvermieteten Teppichbodens
LG Stuttgart, Urteil vom 01. Juli 2015, Az. 13 S 154/14
Der Vermieter einer Wohnung darf im Rahmen seiner Instandhaltungspflicht einen mitvermieteten Teppichboden nicht ohne Weiteres gegen den Willen des Mieters durch einen Laminatboden ersetzen.
X.
Mieterpflicht zur Duldung des Einbaus bauordnungsrechtlich vorgeschriebener Rauchwarnmelder trotz bereits erfolgter Eigeninstallation
BGH, Urteil vom 17. Juni 2015, Az. VIII ZR 290/14
Den Einbau von Rauchwarnmeldern, den der Vermieter mit Rücksicht auf eine entsprechende bauordnungsrechtliche Verpflichtung - hier § 47 Abs. 4 Satz 4 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) - vornimmt, hat der Mieter auch dann zu dulden, wenn er die Wohnung bereits mit von ihm ausgewählten Rauchwarnmeldern ausgestattet hat.(Rn.22)
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Michael Henn
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