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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Kündigung wegen verweigerter Duldung von Modernisierungsarbeiten
BGH, Versaeumnisurteil vom 15.04.2015, Az: VIII ZR 281/13

a)Eine Kündigung des Vermieters wegen der Verletzung der Pflicht des Mieters, Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten zu dulden, kommt nicht erst dann in Betracht, wenn der Vermieter gegen den Mieter vor Ausspruch der Kündigung einen (rechtskräftig) titulierten Duldungstitel erstritten hat.
b)Dem Vermieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein mit der Folge, dass eine fristlose Kündigung das Mietverhältnis beendet; gleichermaßen kann die verweigerte Duldung eine derart schwere Vertragsverletzung sein, dass (auch) eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.
c)Ob das Mietverhältnis nach verweigerter Duldung durch den Mieter aufgrund der ausgesprochenen Kündigung sein Ende gefunden hat, hat der Tatrichter allein auf der Grundlage der in § 543 Abs. 1 BGB beziehungsweise in § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB genannten Voraussetzungen unter Abwägung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände zu prüfen.

II.
Entstehung des Schadensersatzanspruchs bei Wertpapierkauf
BGH, Urteil vom 24.03.2015, Az: XI ZR 278/14

Der auf Verletzung einer Aufklärungs- oder Beratungspflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens beruhende Schadensersatzanspruch entsteht mit dem schuldrechtlichen Erwerb der pflichtwidrig empfohlenen Wertpapiere (Bestätigung Senatsurteil vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04 , BGHZ 162, 306 ).

III.
Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) trotz Elternzeit
Landesarbeitsgericht Saarbrücken, Urteil vom 22.4.2015, 2 Sa 103/14

1.Eine Sonderzahlung hat dann keinen reinen Entgeltcharakter, wenn in dem sie tragenden Regelwerk Rückzahlungs- oder Ausschlussklauseln für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. ausdrückliche Kürzungsregeln aufgenommen sind.
2.Vereinbarungen in einem Arbeitsvertrag, die ohne Differenzierung die Möglichkeit der ratierlichen Kürzung im Betrieb gewährter Sonderzahlungen ohne reinen Entgeltcharakter für angefallene Fehlzeiten und Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses vorsehen, sind als unangemessen benachteiligende Regelungen i.S.d. § 307 BGB unwirksam. Solche Bestimmungen erfassen nämlich auch Fehlzeiten als Folge von Beschäftigungsverboten nach §§ 3, 6 MuSchG, in welchen das Arbeitsverhältnis gerade nicht ruht.
3.Eine Kürzung des aufgrund betrieblicher Übung gewährten Urlaubsgeldes wegen Fehlzeiten im Zusammenhang mit von Beschäftigten genommener Elternzeit kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das Urlaubsgeld als saisonale Sonderzahlung unabhängig von der tatsächlichen Urlaubsnahme im Betrieb gewährt wird.

Siehe:
http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=sl&Art=en&Datum=2015&nr=5031&pos=9&anz=93

IV.
Arbeitsentgelt, Sittenwidrigkeit, Prozessvortrag, Verschwiegenheitspflicht, Verlustrisiko
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 21.04.2015, Az.14 Sa 1249/14

1.Eine Vergütungsvereinbarung ist sittenwidrig, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers belastet wird, indem eine Beteiligung am Honorar der für Mandanten des Arbeitgebers erbrachten Leistungen davon abhängig gemacht wird, dass die Mandanten das Honorar bezahlen.

2.Die Verschwiegenheitspflicht eines als Steuerfachgehilfe beschäftigten Arbeitnehmers über die durch die Bearbeitung von Mandaten erworbenen Informationen aus dem Mandatsverhältnis hindert den Arbeitnehmer nicht daran, die zur Begründung seiner Forderung auf Arbeitsentgelt notwendigen Informationen aus dem Mandatsverhältnis im Prozess gegen seinen Arbeitgeber auch ohne Entbindung von der Schweigepflicht vorzutragen.

Siehe:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2015/14_Sa_1249_14_Urteil_20150421.html

V.
falsche Angaben in Schenkungsteuererklärung
BGH, Beschluss vom 10.02.2015, Az. 1 StR 405/14

1.Die in einer Schenkungsteuererklärung enthaltene unzutreffende Angabe, vom Schenker keine Vorschenkungen erhalten zu haben, stellt sowohl für die Besteuerung der Schenkung, auf die sich die Erklärung bezieht, als auch für diejenige der Vorschenkungen eine unrichtige Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar.
 
2.Eine hierdurch im Hinblick auf eine Vorschenkung begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) ist gegenüber einer zuvor durch Unterlassen für diese Schenkung begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit entfällt, wenn die Vortat nicht mehr verfolgbar ist.
 
Siehe:
 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=71241&pos=0&anz=494

VI.
Kinderlärm als Mietmangel
BGH, Urteil vom 29.04.2015, Az: VIII ZR 197/14

a)Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert

b)Die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm ist auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemieteten Wohnung zu berücksichtigen.

c)Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.

Insoweit hat der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil.

VII.
Swap-Geschäfte
BGH, Urteil vom 28.04.2015, Az. XI ZR 378/13

1.Swap-Geschäfte einer nordrhein-westfälischen Gemeinde, die ausschließlich der Erzielung eines Spekulationsgewinns dienen, sind weder wegen einer Überschreitung des der Gemeinde gesetzlich zugewiesenen Wirkungskreises unwirksam noch wegen eines Verstoßes gegen ein etwaiges gemeindliches Spekulationsverbot nichtig.
2.Ein Swap-Geschäft ist sittenwidrig und nichtig, wenn es darauf angelegt ist, den Vertragspartner der Bank von vornherein chancenlos zu stellen (Anschluss an Senatsurteile vom 9. März 2010, XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 26, vom 13. Juli 2010, XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 39 und vom 12. Oktober 2010, XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 40).
3.Die beratende Bank ist im Zweipersonenverhältnis grundsätzlich bei allen Swap-Geschäften, denen kein konnexes Grundgeschäft zugeordnet ist, verpflichtet, unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts über die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts und dessen Höhe aufzuklären (Fortführung von Senatsurteil vom 22. März 2011, XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 38).
4.Ist Schadensereignis eine Beratungspflichtverletzung anlässlich des Abschlusses konkreter Swap-Geschäfte, können Vorteile, die aus zu anderen Zeiten geschlossenen Swap-Verträgen aufgrund einer gesonderten Beratung resultieren, auch bei Gleichartigkeit der Pflichtverletzung mangels Nämlichkeit des Schadensereignisses im Zuge der Vorteilsausgleichung keine Berücksichtigung finden. Das gilt auch, wenn den Swap-Geschäften der Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte zugrunde liegt (Fortführung von Senatsbeschlüssen vom 22. Januar 2013, XI ZR 471/11, NJW-RR 2013, 948 Rn. 11 und XI ZR 472/11, juris Rn. 11). Verhält sich der Vertragspartner der Bank in seiner Reaktion auf die immer gleiche Pflichtverletzung widersprüchlich, indem er an für ihn günstig verlaufenden Geschäften festhält, während er ihm nachteilige Geschäfte rückabzuwickeln sucht, ist dies bei der Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität zu würdigen (Bestätigung von Senatsurteil vom 8. Mai 2012, XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 50).
5.Das Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB, mit dem der Schuldner eine Forderung des Gläubigers abwehrt, die der Gläubiger durch eine zum Schadenersatz verpflichtende Pflichtverletzung erlangt hat, verjährt außerhalb des Anwendungsbereichs des § 853 BGB mit dem zugrundeliegenden Anspruch auf Aufhebung der Forderung aus § 280 Abs. 1 BGB.

VII.
Geschäftsführer kann Haftungsfreistellung verlangen
Landgericht München, Urteil vom 22.05.2015, Az. 14 HK O 867/14

1.Wenn die Gesellschafter einer GmbH im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) die Stellung eines Insolvenzantrages durch den Geschäftsführer nicht genehmigen (vgl. OLG München NZI 2013, 542 ff), kann der Geschäftsführer zur Abwehr seiner Risiken insbesondere aus § 64 GmbH umfassende Haftungsfreistellung verlangen
2.In diesem Zusammenhang kann der Status "drohende Zahlungsunfähigkeit" auch durch Indizien festgestellt werden.

IX.
Aufhebung der PKH-Bewilligung bei verspäteter Mitteilung der Anschriftenänderung; Verschuldensmaßstab
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.06.2015, Az. 4 T 8/15

Eine PKH-Bewilligung kann nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO wegen verspäteter Mitteilung einer Anschriftenänderung nur aufgehoben werden, wenn auch diese Verspätung der Anschriftenänderung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit erfolgte. Eine grobe Nachlässigkeit ist nicht bereits dann anzunehmen, wenn lediglich der objektive Tatbestand erfüllt wurde und die PKH-Partei in der PKH-Antragstellung auf die Folgen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hingewiesen wurde. Es bedarf vielmehr weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte für die Annahme einer groben Nachlässigkeit.

X.
Kündigung einer Schwangeren ohne Beteiligung der Schutzbehörde
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 08.05.2015, Az. 28 Ca 18485/14

1.Kündigt der Arbeitgeber (hier: Rechtsanwalt) das Arbeitsverhältnis einer schwangeren Frau zum wiederholten Male ohne Beteiligung der Schutzbehörde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG), so kann die darin liegende Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zugunsten der werdenden Mutter deren Benachteiligung wegen Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG i.V.m. § 1 AGG) indizieren (wie BAG 12.12.2013 - 8 AZR 838/12 - NZA 2014, 722 - Rn. 31).
2.Diese indizielle Wirkung seines Handelns kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres mit dem Einwand ausräumen, er habe nach Ablauf eines individuellen Beschäftigungsverbots (§ 3 Abs. 1 MuSchG) für den anschließenden Lauf der Mutterschutzfrist (§ 3 Abs. 1 MuSchG) in Ermangelung irgendwelcher Nachrichten der Frau irrtümlich angenommen, die Schwangerschaft (und damit der Sonderkündigungsschutz) sei unterdessen "anders schon beendet" gewesen.
3.Hier: Verurteilung zur Geldentschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG) von 1.500,-- Euro.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Schriftleiter mittelstandsdepesche
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