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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Stundenlöhne von nur 1,54 Euro beziehungsweise 1,65 Euro in Einzelfällen nicht sittenwidrig
Arbeitsgericht Cottbus, Urteile vom 09.04.2014, Az. 13 Ca 10477/13 und 13 Ca 10478/13
Das Arbeitsgericht Cottbus hat soeben eine Klage des Jobcenters Oberspreewald-Lausitz gegen einen Rechtsanwalt zurückgewiesen, weil dieser in seiner Kanzlei zwei Bürokräfte für Stundenlöhne von nur 1,54 Euro beziehungsweise 1,65 Euro beschäftigt hat.
In dem Fall hatten die beiden Bürokräfte bei 14 bzw. 15 Stunden pro Woche jeweils ein Monatsentgelt von 100 Euro erhalten. Der Stundenlohn lag damit rechnerisch bei nur 1,54 Euro bzw. 1,65 Euro pro Stunde. Die beiden Mitarbeiter konnten ihren Lebensunterhalt nur bestreiten, weil sie zusätzlich Hartz-IV-Leistungen erhielten. Das Jobcenter war der Auffassung, dass der hier jeweils gezahlte Lohn so niedrig sei, dass er als sittenwidrig einzustufen sei und die beiden Arbeitnehmer noch zusätzliche Ansprüche gegen den Arbeitgeber hätten, die nun wegen der gezahlten Unterstützungen auf das Jobcenter übergegangen seien.
Dem folgte das Arbeitsgericht Cottbus jedoch nicht.
Zwar liege auch nach Ansicht der Kammer hier ein Missverhältnis zwischen den erbrachten Arbeitsleistungen der beiden Mitarbeiter und dem jeweils gezahlten Lohn vor. Allerdings sei hier wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls keine „verwerfliche Absicht zur Ausnutzung einer Zwangslage“ der Mitarbeiter erkennen. Die beiden Beschäftigten hätten auf eigenen Wunsch zu diesen Löhnen gearbeitet um damit eine Chance zu erhalten auf dem Arbeitsmarkt erst einmal wieder Fuß zu fassen. Der Rechtsanwalt habe mit sechs ausgelasteten Vollzeitbeschäftigten eigentlich gar kein Bedürfnis gehabt zusätzlich noch zwei weitere Beschäftigte einzustellen. Er habe also hier nicht „ausbeuterisch“ gehandelt, sondern den Beschäftigten eher noch einen Gefallen getan, der ihm letztlich sogar unnötige Mehrkosten eingebracht habe. Die Kammer wies daher die Klagen des Jobcenters ab, das nun dagegen in Berufung gehen will.
Siehe:
http://www.arbg-cottbus.brandenburg.de/sixcms/list.php?page=allgemein_abgcb_pressemit&sv[relation_abgcb.gsid]=lbm1.c.326867.de
II.
Betriebsratswahlen 2014 – Stopp nur bei ganz offensichtlichen und besonders groben Fehlern möglich
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.04.2014, Az. 3 TaBVGa 2/14
Der Arbeitgeber kann gegenüber dem Wahlvorstand die Erteilung der Auskünfte für die Wählerliste nur verweigern, wenn die beabsichtigte Betriebsratswahl voraussichtlich nichtig ist. Das muss „wie ein Stempel auf der Stirn“ erkennbar sein. (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 02.04.2014, Aktenzeichen 3 TaBVGa 2/14).
Die in mehreren Bundesländern agierende Arbeitgeberin betreibt in Schleswig-Holstein an verschiedenen Standorten Bildungszentren. An zwei Standorten gibt es Betriebsräte, die auch den vorgeschriebenen Gesamtbetriebsrat gebildet haben. Diese Gremien kamen im Laufe der letzten Amtsperiode zu dem Ergebnis, für die Neuwahlen 2014 müsse ein einheitlicher Betriebsrat für ganz Schleswig-Holstein gewählt werden. Der Gesamtbetriebsrat bestellte daraufhin einen einzigen Wahlvorstand für alle Standorte. Die Arbeitgeberin weigerte sich, dem Wahlvorstand die angeforderten Auskünfte über alle in Schleswig-Holstein beschäftigten Arbeitnehmer für die Wählerliste zu erteilen und stoppte so vorerst die Weiterführung der Betriebsratswahl. Sie meinte, es müssten - wie zuvor - jeweils an den einzelnen Standorten Wahlvorstände bestellt und Betriebsräte gewählt werden. Deshalb dürfe sie die Informationen verweigern und so die Entstehung von Kosten für eine dann fehlerhafte Betriebsratswahl verhindern.
Das Arbeitsgericht Lübeck und das Landesarbeitsgericht sahen das - gestützt auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts - anders. Sie gaben dem Wahlvorstand in dem von ihm betriebenen Eilverfahren auf Erteilung der für die Wählerliste notwendigen Angaben Recht.
Eine etwaige bloße Anfechtbarkeit wegen normaler Fehler genügt danach nicht, die weitere Durchführung einer Betriebsratswahl zu stoppen oder gar abzubrechen. Die beabsichtigte Betriebsratswahl muss voraussichtlich nichtig sein. Das ist sie nur im besonderen Ausnahmefall. Der liegt vor, wenn so schwerwiegende, besonders grobe und offensichtliche Fehler gemacht wurden, dass auch nicht mehr der Anschein einer demokratischen Wahl besteht. Die Verkennung des Betriebsbegriffs führt regelmäßig nicht zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl oder Wahlvorstandsbestellung. Es müssen dafür viele Einzelfallgesichtspunkte zusammengetragen und gegeneinander abgewogen werden. Unterlaufen dabei Fehler, sind sie in der Regel nicht grob und offensichtlich.
Der Arbeitgeber musste deshalb hier die Auskünfte für die Wählerliste für die Durchführung der Betriebsratswahl erteilen und sich auf ein mögliches späteres Anfechtungsverfahren verweisen lassen.
Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist rechtskräftig. Im Eilverfahren gibt es keinen weiteren Weg zum Bundesarbeitsgericht.
Siehe:
http://www.schleswig-holstein.de/LAG/DE/Service/MedienInformationen/PI/prm514.html
III.
Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt
Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 21.03.2014, Az. S 34 R 580/13
Ein GmbH-Geschäftsführer, der über eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft verfügt, ist als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig, wenn er zwar für die Firma wesentliche Fachkenntnisse und Kundenkontakte besitzt, sich jedoch Arbeitnehmerrechte wie ein leitender Angestellter sichert.
Dies entschied das Sozialgericht Dortmund im Falle des Geschäftsführers einer Softwarefirma aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, der einen Gesellschafteranteil von 49,71 % besitzt, ohne über eine umfassende Sperrminorität zu verfügen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund hatte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens entschieden, dass der Geschäftsführer als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sei.
Die hiergegen von der Firma erhobene Klage hat das Sozialgericht Dortmund als unbegründet abgewiesen. Der beigeladene Geschäftsführer übe eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV aus. Er habe allein auf Grund seiner Gesellschafterrechte nicht die Möglichkeit, seine Weisungsgebundenheit aufzuheben. Die Ausgestaltung seines Anstellungsvertrages mit Gehaltsvereinbarung, Urlaubsanspruch, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und anderen Nebenleistungen spreche für eine typische Beschäftigung als leitender Angestellter. Dies gehe so weit, dass die Vertragsparteien Ansprüche des Geschäftsführers aus einem vorangegangenen Arbeitsvertrag fortschrieben.
Die mit der Klage herausgestellte besondere Rolle des Geschäftsführers bei der Entwicklung von Softwareprodukten und der Pflege von Kundenkontakten führe zu keiner anderen Beurteilung. Die branchenspezifischen Kenntnisse und Kundenkontakte habe der Geschäftsführer während seiner vorangegangenen langjährigen abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin als Entwickler erworben. Von daher leuchte es nicht ein, diesen Aspekt nunmehr zur Begründung seiner Selbständigkeit heranzuziehen. Auch sei es nicht unüblich, dass kleinere Firmen von dem Fachwissen und den Kundenkontakten leitender Angestellter abhängig seien.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLSG/10_04_20141/index.php
IV.
Betriebsrentenanpassung - wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsschuldners - Auswirkungen der Finanzkrise
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.04.2014, Az. 3 AZR 51/12
Der Kläger war langjährig bei der D AG, einer Bank, beschäftigt. Er bezog von dieser seit dem 1. Januar 1998 eine Betriebsrente. Die Betriebsrente wurde von der D AG alle drei Jahre, zuletzt zum 1. Januar 2007, an den Kaufkraftverlust angepasst. Im Mai 2009 wurde die D AG auf die Beklagte, ebenfalls eine Bank, verschmolzen. Die Beklagte lehnte eine Anhebung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2010 mit der Begründung ab, ihre wirtschaftliche Lage stehe einer Anpassung entgegen.
Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung einer höheren Betriebsrente gerichtete Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers nicht anzupassen, entspricht billigem Ermessen iSv. § 16 Abs. 1 BetrAVG. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Danach ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet, wenn er annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Davon durfte die Beklagte am 1. Januar 2010 ausgehen. Sie hatte in den Jahren 2008 und 2009 - auch aufgrund der Finanzkrise - Verluste erwirtschaftet und war gezwungen, Mittel aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund war ihre Prognose gerechtfertigt, dass sich die Folgen der Finanzkrise auch in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag 1. Januar 2010 in einem einer Betriebsrentenanpassung entgegenstehendem Umfang auf ihre wirtschaftliche Lage auswirken würden. Das Vermögen des Pension-Trust e.V. und dessen Erträge musste die Beklagte bei ihrer Anpassungsentscheidung nicht berücksichtigen.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2014&nr=17314&pos=0&anz=18&titel=Betriebsrentenanpassung_-_wirtschaftliche_Leistungsf%E4higkeit_des_Versorgungsschuldners_-_Auswirkungen_der_Finanzkrise
V.
Bildung eines Arbeitsschutzausschusses
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.04.2014, Az. 1 ABR 82/12
§ 11 Satz 1 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann sich der Betriebsrat nach § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden. Diese hat die Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses nach § 12 ASiG anzuordnen und kann im Weigerungsfall eine Geldbuße verhängen (§ 20 ASiG). Dem Betriebsrat steht kein Initiativrecht zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses zu.
Die Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in Hamburg und Filialen im gesamten Bundesgebiet. Bei ihr ist auf Unternehmensebene ein Arbeitsschutzausschuss errichtet, in den vom Gesamtbetriebsrat Mitglieder entsandt werden. Die Stuttgarter Filiale gilt wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb als selbständiger Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Der dort bestehende Betriebsrat hält die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Arbeitsschutzausschusses für unzureichend und hat von der Arbeitgeberin die Bildung eines solchen für die Filiale verlangt.
Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Dessen Rechtsbeschwerde blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. § 11 ASiG regelt zugunsten des Betriebsrats keinen Anspruch auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses. Vielmehr handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers. Hierbei steht ihm kein Handlungsspielraum zu. Das schließt nach dem Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes aus. Es bedurfte daher keiner Entscheidung, ob die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung aus dem Arbeitssicherheitsgesetz dadurch genügt, dass sie im Hauptbetrieb unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss errichtet hat.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2014&nr=17313&pos=1&anz=18&titel=Bildung_eines_Arbeitsschutzausschusses
VI.
Anwendungsbereich der Vorschrift über die Rückwirkung der demnächstigen Zustellung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2014, Az. 21 Sa 42/13
Die Bestimmung des § 167 ZPO ist grundsätzlich nicht in den Fällen anwendbar, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2014&nr=18050&pos=5&anz=12
VII.
Nachweispflicht des Arbeitgebers
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2014, Az. 21 Sa 54/13
1.Inhalt der Nachweispflicht des Arbeitgebers gem. § 8 a Abs. 3 Satz 1 ATG betreffend die Sicherung des Arbeitnehmerwertguthabens iSd. § 8 a Abs. 1 Satz 1 ATG
2.Rechtsfolge bei Versäumung der Monatsfrist des § 8 a Abs. 4 Satz 1 ATG
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2014&nr=18051&pos=6&anz=12
VIII.
Werk-/Dienstvertrag; verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag); Rechtsfolge bei Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 8.04.2014, Az. 16 BV 121/13
1.Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in einem anderen Unternehmen im Wege eines Werk-/Dienstvertrages eingesetzt und stellt sich der Einsatz in Wirklichkeit als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag) heraus, wird kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem anderen Unternehmen (Entleiher) begründet, soweit der Arbeitgeber (Verleiher) über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis iSd. § 1 Abs.1 Satz 1 AÜG verfügt.
2.Die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 - 9 AZR 51/13 - bezüglich der nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung aufgestellt hat, gelten auch bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung (Scheinwerk-/Scheindienstvertrag).
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2014&nr=18086&pos=0&anz=15
IX.
Begünstigung wegen Betriebsratstätigkeit/Antragsbefugnis
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.02.2014, Az. 3 TaBV 7/13
Ein Betriebsratsmitglied ist nicht befugt, sich im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens gegen die angebliche Begünstigung anderer Betriebsratsmitglieder in Vergütungsfragen zu wenden, da es insoweit an einer unmittelbaren Betroffenheit in seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung und damit an der Antragsbefugnis fehlt (ebenso LAG München 5. Februar 2009 - 3 TaBV 107/08). Eine solche ergibt sich auch nicht aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2014&nr=18087&pos=5&anz=15
X.
Altersdiskriminierung im Bewerbungsverfahren – fingierte Testbewerbung
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil 09.04.2014, Az. 3 Sa 401/13
Allein der Altersunterschied zwischen zwei unterschiedlich behandelten Bewerbern lässt noch keine Diskriminierung wegen Alters vermuten. Notwendig ist größtmögliche Vergleichbarkeit der Personen, der Bewerbungssituation und das Fehlen anderer Aspekte. Eine fiktive Testbewerbung kann gegen Gesetze verstoßen (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 09.04.2014 – Aktenzeichen 3 Sa 401/13).
Die Arbeitgeberin suchte Servicetechniker bzw. Serviceingenieure im Innendienst. Der 50-jährige Kläger bewarb sich. Er verfügte über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse. Einige der geforderten Praxiserfahrungen lagen aber bereits mehrere Jahre zurück. Der Kläger schickte zusätzlich eine Testbewerbung einer von ihm fingierten, 18 Jahre jüngeren Person ab, die auch über die nach der Ausschreibung notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügte. Dafür hatte er sich einen in Teilen ähnlichen Lebenslauf aber mit anderen Tätigkeiten ausgedacht, Briefkopfbögen von Schulen und teilweise existierenden, teilweise nicht existierenden Firmen genutzt bzw. kreiert und Zeugnisse erstellt sowie ein altes Foto von sich verwendet. Die gewünschten Praxiserfahrungen dieser Testperson waren aber wesentlich aktueller und teilweise auch spezieller. Die unbemerkt getestete Arbeitgeberin lud den fiktiven Bewerber umgehend zum Vorstellungsgespräch ein. Dieser sagte sofort ab. Dem Kläger schickte die Arbeitgeberin einige Zeit später eine allgemeine Absage. Daraufhin klagte er auf Zahlung einer Entschädigung von mindestens 10.500,00 Euro wegen Altersdiskriminierung.
Das Arbeitsgericht Neumünster hat dem Kläger 2.000,00 Euro zugesprochen. Beide Parteien zogen vor das Landesarbeitsgericht. Das gab der getesteten Arbeitgeberin Recht und wies die Klage insgesamt ab.
Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts liegen keine Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, also benachteiligt worden ist. Allein auf das Bestehen eines Altersunterschiedes kann nicht abgestellt werden. Andere Indizien hatte der Kläger nicht darlegen können. Inszenierte Testverfahren zur Klärung von Diskriminierungsfällen sind nach der Gesetzesbegründung zum Antidiskriminierungsgesetz zwar zulässig, müssen aber, so das Landesarbeitsgericht, einen Auslöser haben, die Strafgesetze beachten und dürfen nicht rechtsmissbräuchlich sein. Ob all das beachtet wurde, war hier bedenklich, aber letztendlich nicht mehr entscheidend. Ist aufgrund konkreter Tatsachen, die im Arbeitsleben üblicherweise von Bedeutung sind, für den getesteten Arbeitgeber Raum für eine andere Auswahlentscheidung, besteht keine Vermutung für eine Altersdiskriminierung. Das war hier der Fall. Aus Sicht des Landesarbeitsgerichts hatte die Arbeitgeberin ihre Auswahlentscheidung auf die nach der Papierform aktuelleren Erfahrungen des fiktiven Bewerbers im Bereich der elektronischen Entwicklung und von diesem jahrelang durchgeführten Kundensupport gestützt.
Die Revision gegen das Urteil wurde wegen der Besonderheiten des Einzelfalles nicht zugelassen.
Siehe:
http://www.schleswig-holstein.de/LAG/DE/Service/MedienInformationen/PI/prm614.html
XI.
Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Mai 2014, Az. 9 AZR 678/12
Nach § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BUrlG unabdingbar. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG bindet den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordnet es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an. Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) findet sich dagegen nicht. Kommt es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.
Die Klägerin war bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. September 2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Beklagten die Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahr 2011. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub stand dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegen. Er berechtigte die Beklagte auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2014&nr=17362&pos=0&anz=21&titel=Gesetzlicher_Urlaubsanspruch_nach_unbezahltem_Sonderurlaub
XII.
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein
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Einstelldatum
Aktenzeichen
Gericht
Schlagworte
Datei
28.04.2014
6 Sa 325/13
LAG Schleswig-Holstein
Branchenzuschlag, Beschränkung, Entgelt, Arbeitnehmer, vergleichbarer, Arbeitnehmerüberlassung
U_6Sa325-13_12-02-2014.pdf
(113.5 KB)
28.04.2014
1 Sa 382/13
LAG Schleswig-Holstein
Sonderzahlung, AT-Angestellter, Änderungsvereinbarung, Gehaltsverzicht, Tarivertrag, Kündigung, Auslegung, ergänzende, Gegenseitigkeitsverhältnis
U_1Sa382-13_25-02-2014.pdf
(182.6 KB)
28.04.2014
6 Sa 297/13
LAG Schleswig-Holstein
Kündigung, außerordentlich, Zugang, Zeitpunkt, Arbeitnehmer, Haftaufenthalt
U_6Sa297-13_19-03-2014.pdf
(111.0 KB)
28.04.2014
1 Sa 252/13
LAG Schleswig-Holstein
Kündigung, Wirksamkeit, Zurückweisung, Vollmacht, Vollmachtsurkunde, Befugnis, Kenntnisnahme, Handeln des Arbeitgebers
U_1Sa252-13_25-02-2014.pdf
(154.5 KB)
28.04.2014
3 Ta 36/14
LAG Schleswig-Holstein
Kostenfestsetzung, Rechtsanwaltskosten, Erstattungsfähigkeit, Verfahrensgebühr, Berufung (eingelegte), Zurückweisungsantrag, unnötig, Berufungsrücknahme
N_3Ta36-14_19-03-2014.pdf
(68.5 KB)
10.04.2014
5 Sa 324/13
LAG Schleswig-Holstein
Entgeltfortzahlung, Kündigung, Anscheinsbeweis, Anlass, Arbeitsunfähigkeit
U_5Sa324-13_06-02-2014.pdf
(101.5 KB)
XIII.
Inhalt einer Berufungsbegründung
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2014, Az. VI ZB 22/13
Zu den Anforderungen an den Inhalt einer Berufungsbegründung.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=67420&pos=12&anz=635
XIX.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2014, Az. VI ZB 45/13
Zur Überwachungspflicht des Rechtsanwalts bei einer voll ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten mit mehrjähriger Berufserfahrung, die seit nahezu sechs Monaten in der Rechtsanwaltskanzlei tätig ist.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=67544&pos=11&anz=595
XX
Schadensersatzanspruch anwaltlicher Falschberatung
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2014, Az. IX ZR 217/12
Zum Beginn des Laufs der Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen anwaltlicher Falschberatung
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=67614&pos=7&anz=548
XXI.
AVB Rechtsschutzversicherung; hier ARB-RU 2000 § 3 (4)
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. 04.2014, Az. IV ZR 124/13
Der Leistungsausschluss nach § 3 (4) d) ARB-RU 2000, wonach Rechtsschutz nicht besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus vom Versicherungsnehmer in eigenem Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen, greift nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer originär eigene Ansprüche verfolgen will, die er lediglich zur Sicherheit an einen Dritten übertragen hat
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=67623&pos=5&anz=548
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident
VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Theodor-Heuss-Str. 11
70174 Stuttgart
Tel.: 0711 – 3058 9320
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