Haftungsinanspruchnahme von Bankmitarbeitern wegen Mithilfe bei Steuerhinterziehung
(Kiel) Nach einem Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf können Bankmitarbeiter grundsätzlich auch wegen Mithilfe bei einer Steuerhinterziehung als Ersatz für den Schaden in Anspruch genommen werden, den der Fiskus durch die Hinterziehung der Einkommensteuer seitens nicht enttarnter Kunden erleidet.
Dies, so der Nürnberger Steuerfachanwalt Dr. Norbert Gieseler, Präsident des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, ist die Konsequenz eines am 15.03.2009 veröffentlichten Beschlusses des Finanzgerichts Düsseldorf vom 10.02.2009 – FG Düsseldorf, AZ.: 8 V 2459/08 A (H).
In dem Verfahren hat das Gericht einen Antrag einer Bank auf Aussetzung eines Haftungsbescheides gegen verschiedene Mitarbeiter wegen Mithilfe bei einer Steuerhinterziehung zurückgewiesen, obwohl der Steuerschaden mangels Enttarnung der Täter nur geschätzt war.
Die Wirksamkeit des angefochtenen Haftungsbescheides sei nicht ernstlich zweifelhaft. Der Senat vermochte sich der Ansicht der Bank, der Haftungsbescheid sei nichtig, weil es ihm ohne Angabe der Steuerschuldner und der Höhe der einzelnen Steuerschulden an der hinreichenden Bestimmtheit mangele, nicht anzuschließen, betont Gieseler.
Nach § 119 Abs. 1 AO müsse ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die hinreichende Bestimmtheit setze die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag und die Person des Steuerschuldners voraus (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Besteuerungsgrundlagen müssen hingegen, soweit sie nicht gesondert festzustellen sind, nicht im anfechtbaren Teil des Steuerbescheides angegeben werden. Übertragen auf den Haftungsbescheid bedeute dies nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließe, dass ein besonders schwerer Fehler nur dann anzunehmen sei, wenn der Haftungsbescheid nicht die ihn erlassende Behörde, den Haftungsschuldner, die Haftungsschuld und/oder die Art der Steuer angibt, für die der Haftungsschuldner haften soll.
Es sei für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheides nach früheren BFH-Entscheidungen nicht erforderlich, dass aus ihm der oder die Steuerschuldner hervorgehen, und dass erkennbar ist, in welcher Höhe die Steuerschuld auf den jeweiligen Steuerschuldner entfalle. Da der angefochtene Haftungsbescheid den Antragsgegner als erlassende Behörde, den Antragsteller als Haftungsschuldner, die Haftungsschuld der Höhe und der Art (Einkommensteuer 1993) nach sowie den Haftungsgrund in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend erkennen lasse, sei er hinreichend bestimmt und wirksam.
In dem Fall, so ergänzt sein Kieler Vorstandskollege und DUV-Vizepräsident, Steuerberater Jörg Passau, hatten das STRAFA-Finanzamt und das Amtsgericht festgestellt, dass Kunden der A-Bank im Hinblick auf die bevorstehende Einführung der sogenannten Zinsabschlagsteuer bereits zu Beginn des Jahres 1992 durch die Verlagerung von Vermögenswerten ins Ausland die späteren Erträge der deutschen Besteuerung endgültig entziehen wollten. Zahlreiche Kunden der A-Bank machten von der seitens der Bank geschaffenen Möglichkeit, Bargeld und Wertpapiere ohne Legitimationsprüfung anonym ins Ausland zu transferieren, Gebrauch.
Das STRAFA-FA hatte während der 1996 begonnenen Steuerfahndungsprüfung wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Mitarbeiter in unterschiedlicher Stellung bei der A-Bank mit Hilfe der Bank einen Teil der Kunden, die anonym Bargeld und/oder Wertpapiere zu den Auslandstöchtern der A-Bank transferiert hatten, enttarnen können. Der Antragsgegner beziffert die Zahl der enttarnten Kunden unwidersprochen auf "etwa ....". Bei diesen Kunden hatte das STRAFA-FA festgestellt, dass es so gut wie keinen Kunden gab, der die Kapitalerträge aus dem anonym transferierten Vermögen in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte. Das Motiv für die Anonymisierung der Transfers habe in der Absicht bestanden, die Kapitaleinkünfte aus diesem Vermögen nicht zu versteuern. Lediglich bei rund 6 % habe keine Steuerverkürzung festgestellt werden können. Bei etwa 94 % der identifizierten Kunden ist es nach diesen - unstreitigen - Feststellungen tatsächlich zu einer Steuerhinterziehung der Kapitaleinkünfte gekommen.
Der Senat hielt es - entgegen der Ansicht des Antragstellers - für zulässig, diese Erkenntnisse über das Entstehen einer Steuerschuld und das Vorliegen einer Steuerhinterziehung bei den etwa..... enttarnten Kunden für die Überzeugungsbildung heranzuziehen, ob auch bei den nicht enttarnten Wertpapierkunden eine Einkommensteuerschuld 1993 auf Kapitaleinkünfte aus den anonym ins Ausland transferierten Wertpapieren entstanden ist und ob die Steuer auf diese Erträge hinterzogen wurde. Die .... Wertpapierkunden, die das STRAFA-FA nicht identifizieren konnte, hätten wie die enttarnten Kunden über die A-Bank Wertpapiere ohne Legitimationsprüfung anonym ins Ausland transferiert.
Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsteller an der Steuerhinterziehung der nicht enttarnten Wertpapierkunden teilgenommen habe. Er habe zur Überzeugung des Gerichts vorsätzlich den nicht identifizierten Kunden zu deren Steuerhinterziehung Hilfe geleistet. Als Hilfeleistung i.S. des § 27 des Strafgesetzbuches sei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs des (Haupt-) Täters objektiv fördere. Bei den Handlungen des Antragstellers, ... , handele es sich um kausale Hilfeleistungen für die Steuerhinterziehung der nicht identifizierten Wertpapierkunden.
Der Antragsteller, der ... über wirtschaftliches Verständnis verfüge, habe zwar in seiner Klagebegründung behauptet, er habe keine Kenntnis vom Vorliegen einer geplanten Haupttat gehabt. Er habe jedoch nicht erläutert, welche anderen Gründe eine Anonymisierung des Wertpapiertransfers ins Ausland notwendig gemacht haben könnten und warum es gerade vor dem Hintergrund der Einführung der Zinsabschlagsteuer zu der enormen Nachfrage von Kunden auf Verzicht einer Legitimationsprüfung bei der Einlieferung effektiver Werte kam. Zudem habe er selbst anonym Kapital über die A-Bank ins Ausland transferiert, um die Erträge der deutschen Besteuerung zu entziehen. Diese Steuerhinterziehung sei ebenso wie die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Kunden der A-Bank mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts geahndet worden.
Bei der Schätzung der hinterzogenen Einkommensteuer 1993 hatte das Finanzamt den Nennwert der von den nicht enttarnten Kunden transferierten Wertpapiere i.H. von …DM zu Grunde gelegt und darauf den festgestellten durchschnittlichen Kapitalertrag der identifizierten Kunden i.H. von 8 % angewandt. Die sich daraus ergebenden Kapitalerträge hatte das Finanzamt einem durchschnittlichen Steuersatz von 35 %, den er aus den Veranlagungen von identifizierten Kunden errechnet hat, unterworfen.
Zwar handele es sich bei der Annahme eines Steuersatzes von 35 % um eine Schätzung. Der genaue Steuersatz der nicht enttarnten Kunden könne aufgrund der Anonymität, die der Antragsteller durch seine Anweisungen ermöglicht habe, nicht ermittelt werden. Allerdings deute die Spannbreite der Wertpapiertransfers nicht auf einen Durchschnittssteuersatz von unter 35 % hin. Zudem beruht der Steuersatz von 35 % auf Ermittlungen bei den enttarnten Kunden, bei denen sich auch der vom Antragsteller angeführte Aspekt des nicht ausgenutzten Freibetrages bereits ausgewirkt hat. Es sei nichts dafür erkennbar, dass der durchschnittliche Steuersatz bei der Gruppe der nicht enttarnten Kunden deutlich von dem der Gruppe der identifizierten Kunden abweichen könnte. Zudem liege der angenommene Steuersatz von 35 % deutlich unter dem damaligen Spitzensteuersatz von 53 %. Durch den Abschlag i.H. von 25 % sei weiteren Unsicherheiten im Rahmen der Schätzung hinreichend Rechnung getragen worden.
Das Finanzamt habe daher sein (Entschließungs-)Ermessen nicht überschritten. Das STRAFA-FA und das Amtsgericht hätten Feststellungen getroffen, die sich das Finanzamt zu Eigen gemacht und aus denen der Senat die Überzeugung gewonnen habe, dass eine Steuerhinterziehung von nicht enttarnten Kunden begangen wurde und der Antragsteller dazu Beihilfe geleistet habe.
Gieseler und Passau betonten jedoch, dass der Senat wegen der grundsätzlicher Bedeutung der Frage die Beschwerde zugelassen hat, ob bei der Überzeugungsbildung vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch unbekannte Täter, zu der der in Haftung Genommene Beihilfe geleistet hat, Feststellungen zu anderen Steuerhinterziehungen berücksichtigt werden können, auf die sich der angefochtene Haftungsbescheid nicht erstreckt.
Beide Steuerexperten empfahlen jedoch unabhängig davon, diese Rechtsprechung unbedingt zu beachten und in Zweifelsfällen steuerliche und rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, wobei sie u. a. auch auf den DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. – www.duv-verband.de – verwiesen.
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Dr. Norbert Gieseler
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