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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Betriebsbedingte Kündigung - freier Arbeitsplatz im Ausland
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2013, Az. 2 AZR 809/12
Volltext PE:
Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung - ggf. im Wege der Änderungskündigung - eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. In diesem Sinne muss auch der Betriebsbegriff in § 1 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 KSchG verstanden werden. Ob dies der Berücksichtigung von Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland entgegensteht, falls der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Betriebsteil unter Wahrung der Identität verlagert, war nicht zu entscheiden.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Textilindustrie mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Sie unterhält seit geraumer Zeit in der Tschechischen Republik eine Betriebsstätte, in der sie Verbandsstoffe herstellt. Die „Endfertigung“ der Stoffe erfolgte in einem am Sitz der Beklagten gelegenen Betrieb. In diesem war die Klägerin seit 1984 als Textilarbeiterin tätig. Im Juni 2011 beschloss die Beklagte, ihre gesamte Produktion in der tschechischen Betriebsstätte zu konzentrieren. In Deutschland sollte lediglich die Verwaltung nebst „kaufmännischem Bereich“ bestehen bleiben. Mit Blick hierauf erklärte die Beklagte gegenüber den an ihrem Sitz beschäftigten Produktionsmitarbeitern eine ordentliche Beendigungskündigung. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe ihr durch den Ausspruch einer Änderungskündigung die Möglichkeit geben müssen, über einen Umzug zumindest nachzudenken.
Die Kündigungsschutzklage blieb - wie in den Vorinstanzen - vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Aufgrund der Verlagerung der „Endfertigung“ in die ‑ mehrere hundert Kilometer von ihrem Sitz entfernte ‑ tschechische Betriebsstätte hatte die Beklagte keine Möglichkeit mehr, die Klägerin in einem inländischen Betrieb weiterzubeschäftigen. Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen wäre, Arbeitnehmer im Ausland weiterzubeschäftigen, lagen nicht vor.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16875&pos=0&anz=52&titel=Betriebsbedingte_K%FCndigung_-_freier_Arbeitsplatz_im_Ausland
II.
Verfahren um den dreibeinigen Hund
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 4.09.2013, Az. 8 Ca 7883/12
Volltext PE:
In dem vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren um das vom Arbeitgeber gegenüber einer Arbeitnehmerin ausgesprochene Verbot, ihren dreibeinigen Hund mit in das Büro zu nehmen, hat das Gericht heute die Klage der Arbeitnehmerin abgewiesen.
Die Kammer sah es nach Vernehmung von Zeugen als erwiesen an, dass sich sowohl Mitarbeiter als auch einer der Geschäftsführer von dem Hund bedroht fühlten. Ob dies letztlich im Charakter des Hundes begründet sei, könne dahinstehen. Auf jeden Fall seien Arbeitsabläufe gestört worden. Es sei auch den Besonderheiten einer Werbeagentur geschuldet, dass eine rege Kommunikation und damit viel Bewegung in den Räumen stattfinde. Eine Einschränkung dieser Kommunikation aufgrund der Befürchtungen, die Mitarbeiter vor dem Hund haben, müsse der Arbeitgeber nicht hinnehmen.
Die Kollegen der Klägerin hätten sich an ihrem Arbeitsplatz darüber hinaus nicht mehr wohl gefühlt. Auch die diesen Arbeitnehmern gegenüber bestehende Fürsorgepflicht stelle einen Sachgrund dar, aufgrund dessen der Arbeitgeber dem Hund der Klägerin den Zutritt zum Büro versagen könne, auch wenn er anderen Mitarbeitern erlaubt, ihren Hund zur Arbeit mitzubringen.
Für den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag auf Durchführung eines weiteren Trainings am Arbeitsplatz mit einem Hundetrainer fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Der Arbeitgeber sei auch nicht verpflichtet, der Klägerin die Mitnahme des Hundes zu gestatten, wenn dieser in einem Gitterlaufstall gehalten, bzw. an einer Leine geführt und mit einem Maulkorb versehen werden.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLArbGs/04_09_20132/index.php
III.
Klagestattgebende Urteile in den Kündigungsschutzverfahren bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main ./. Deutsche Bank AG
Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteile vom 11. 09.2013, Az. 9 Ca 1551/13, 9 Ca 1552/13, 9 Ca 1553/13, 9 Ca 1554/13
Volltext PE:
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat heute über vier Kündigungsschutzklagen von Mitarbeitern der Deutsche Bank AG entschieden und den Klagen gegen die Kündigungen in allen Fällen stattgegeben. Gegenstand der Verfahren sind Kündigungen, die die Deutsche Bank AG im Februar 2013 im Zusammenhang mit dem sogenannten Libor/Euribor Skandal ausgesprochen hat. Das Gericht hält die außerordentlichen Kündigungen ebenso für unwirksam wie die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen. Es hat die Deutsche Bank AG zur Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter und zur Nachzahlung der Gehälter verurteilt.
Die gekündigten Mitarbeiter sind bei der Deutsche Bank AG als Managing Director, Director bzw. Vice President in dem Bereich Global Markets eingesetzt. Ihre Aufgabe war es unter anderem, bei der Deutsche Bank AG die Euribor/Libor Referenzzinssätze zu ermitteln und an die für die Feststellung des jeweiligen Referenzzinssatzes zuständige Berechnungsstelle zu übermitteln.
Die Deutsche Bank AG stützt die Kündigungen auf den Vorwurf eines unzulässigen Kommunikationsverhaltens der klagenden Arbeitnehmer gegenüber den Derivatehändlern der Deutsche Bank AG. Dabei hätten sie zumindest den Anschein erweckt, bereit zu sein, derivative Handelspositionen von Händlern der Deutsche Bank AG bei der Festlegung des Euribor/Libor Zinssatzes zu berücksichtigen. Aus Sicht des Kreditinstituts begründet dies den Verdacht, die gekündigten Mitarbeiter hätten ihre Position ausgenutzt, um durch die Teilnahme am Prozess zur Ermittlung der Referenzzinssätze einen Profit der Händler zu ermöglichen.
Das Gericht hält die Kündigungen für unverhältnismäßig und daher unwirksam. Zwar kann grundsätzlich eine unzulässige Absprache zwischen Ermittlern/Übermittlern der Euribor/Libor Referenzzinssätze und Händlern einen wichtigen Kündigungsgrund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung darstellen. Auch bestehen aus Sicht des Gerichts Anhaltspunkte dafür, dass die klagenden Arbeitnehmer in unzulässiger Weise mit Händlern kommuniziert und vorgegeben haben, deren Präferenzen bei der Ermittlung des Euribor/Libor Referenzzinssatzes zu berücksichtigen. Es kann dabei offen bleiben, ob die Deutsche Bank AG – wie von den klagenden Arbeitnehmern behauptet – derartige Kommunikationen kannte, duldete oder gar förderte. Denn jedenfalls sind die Kündigungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile rechtsunwirksam.
Für entscheidend hält das Gericht, dass bei der Deutsche Bank AG zu der Zeit, in der die streitgegenständlichen Kommunikationen stattfanden, weder klare Regularien implementiert waren, noch Kontrollen erfolgten, um eine strikte Trennung zwischen den Ermittlern/Übermittlern des Referenzzinssatzes und den Derivatehändlern zu gewährleisten. Das Gericht geht in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass die Deutsche Bank AG selbst durch ihre interne Organisation und insbesondere durch eine zum Teil gegebene Personenidentität von Derivatehändlern und Ermittlern/Übermittlern des Referenzzinsatzes einen erheblichen Interessenkonflikt herbeigeführt hat. Wenn die Deutsche Bank AG als Arbeitgeberin einerseits die Produktverantwortung für Derivate und die Ermittlung/Übermittlung der Referenzzinssatzmeldungen zum Teil in einer Person vereint, kann sie nicht andererseits den gekündigten Mitarbeitern als Ermittlern/Übermittlern der Referenzzinssätze die Kommunikation mit den Derivatehändlern vorwerfen. Vor diesem Hintergrund hätte es nach Ansicht des Gerichts vor Ausspruch der Kündigungen zumindest einer vorherigen Abmahnung bedurft, da durch die interne Organisation der Bank für die klagenden Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass eine Hinnahme der Kommunikation durch die Deutsche Bank AG offensichtlich ausgeschlossen war.
Gegen die Urteile ist das Rechtsmittel der Berufung zum Hessischen Landesarbeitsgericht möglich.
Siehe:
http://www.arbg-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/ArbG_Frankfurt_am_Main_Internet?rid=HMdJ_15/ArbG_Frankfurt_am_Main_Internet/sub/908/9083d105-1dce-0417-9cda-a2b417c0cf46,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
IV.
Befristeter Arbeitsvertrag mit „Optionskommune“
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.09.2013, Az. 7 AZR 107/12
Volltext PE:
Die Kommunen können die Befristung von Arbeitsverträgen mit ihren Arbeitnehmern nicht allein mit der „Experimentierklausel“ des § 6a SGB II rechtfertigen.
§ 6a SGB II eröffnete bundesweit höchstens 69 kommunalen Trägern - den sog. Optionskommunen - die Möglichkeit, auf Antrag anstelle der Bundesagentur für Arbeit als Träger der Leistungen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugelassen zu werden. Das Optionsmodell war zunächst auf die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 begrenzt. Im August 2010 wurden die Zulassungen unter bestimmten Voraussetzungen über den 31. Dezember 2010 hinaus unbefristet verlängert.
Nach dem TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages grundsätzlich zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Ein solcher ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gegeben, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Hierzu muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine entsprechende Prognose zu erstellen. Diese ist nicht bereits dann begründet, wenn dem Arbeitgeber dauerhaft anfallende sozialstaatliche Aufgaben nur zeitweise übertragen sind. Es reicht nicht aus, dass eine Aufgabe beim Arbeitgeber möglicherweise entfällt. Die zunächst bestehende Ungewissheit über die Fortführung des Optionsmodells rechtfertigt daher keine Befristung eines Arbeitsvertrages.
Anders als beim Landesarbeitsgericht hatte die Befristungskontrollklage einer Arbeitnehmerin vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klägerin war bei dem beklagten Landkreis, einer der Optionskommunen, aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 21. Oktober 2005 in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2010 zuletzt als Sachbearbeiterin in der Arbeitsvermittlung beschäftigt. Der Landkreis berief sich gegenüber der Klägerin - anders als bei zahlreichen Arbeitnehmern, die er nach dem 31. Dezember 2010 unbefristet übernahm - auf die Befristung. Er begründete dies damit, dass das - von ihm fortgeführte - Optionsmodell zur Zeit des Vertragsschlusses befristet gewesen sei. Das allein rechtfertigte die Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin jedoch nicht.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16896&pos=1&anz=54&titel=Befristeter_Arbeitsvertrag_mit_%84Optionskommune%93
V.
Kein Ausschluss nicht angemeldeter Forderungen durch Insolvenzplan
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12,09.2013, Az. 6 AZR 907/11
Volltext PE:
„Nachzügler“ sind mit Forderungen, die bei rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans unbekannt waren, grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Die Insolvenzordnung sieht nicht vor, dass Ansprüche, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden, nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr gegen den Insolvenzschuldner geltend gemacht werden können. „Nachzügler“ müssen ihre Forderungen jedoch zunächst rechtskräftig durch das Prozessgericht feststellen lassen, bevor sie ihre Ansprüche durch Leistungsklage gegenüber dem Schuldner durchsetzen können.
Der Kläger war in den Jahren 2007 und 2008 als Leiharbeitnehmer für die Beklagte tätig. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach den Tarifverträgen zwischen dem Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister e. V. und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) richteten. Im September 2009 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Der vom Insolvenzgericht rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan enthielt ua. einen Ausschluss unangemeldeter Forderungen. Das Insolvenzverfahren wurde im November 2009 aufgehoben. Der Kläger nimmt die Beklagte mit seiner Anfang Januar 2011 zugestellten Klage auf höhere Vergütung entsprechend einer Vergleichsperson im Entleihunternehmen („Equal-Pay-Zahlungen“) in der Gesamthöhe von 9.845,52 Euro in Anspruch. Die Forderungen wurden zuvor nicht rechtskräftig festgestellt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen und die Ausschlussklausel im Insolvenzplan für wirksam gehalten. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts schon nach dem gesetzlichen Regelungsprogramm der §§ 254 ff. InsO keinen Erfolg. Ist eine Forderung nicht zur Tabelle festgestellt und hat das Insolvenzgericht auch keine Entscheidung über das Stimmrecht oder über die vorläufige Berücksichtigung der Forderung nach § 256 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO getroffen, kann der Gläubiger einer nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner bestrittenen Forderung erst dann wirksam eine Frist nach § 255 Abs. 1 Satz 2 InsO setzen, wenn seine Forderung vom Prozessgericht rechtskräftig festgestellt wurde. Frühere Fristsetzungen sind wirkungslos. Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Der Senat konnte deshalb offenlassen, ob der Ausschluss unbekannter Forderungen in einem Insolvenzplan wirksam ist oder gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstößt.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16898&pos=0&anz=54&titel=Kein_Ausschluss_nicht_angemeldeter_Forderungen_durch_Insolvenzplan
VI.
Abgrenzung von Arbeits- und Werkvertrag
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, Az. 10 AZR 282/12
Volltext PE:
Nach § 631 BGB wird der Unternehmer durch einen Werkvertrag zur Herstellung des versprochenen Werkes verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags ist die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg. Gegenstand eines Dienstvertrags nach § 611 Abs. 1 BGB ist dagegen die Tätigkeit als solche. Bei einem Arbeitsverhältnis wird die vereinbarte Tätigkeit weisungsgebunden, dh. in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend.
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis oder ein Werkvertrag besteht. Der Kläger ist für den Beklagten mit Unterbrechungen seit 2005 auf der Grundlage von zehn als Werkvertrag bezeichneten Verträgen tätig geworden. Im letzten Vertrag vom 23. März/1. April 2009 ist die „Vorarbeit für die Nachqualifizierung der Denkmalliste für die kreisfreie Stadt und den Landkreis Fürth sowie für den Landkreis Nürnberger Land“ vereinbart. Danach war Aufgabe des Klägers, im Rahmen des Nachqualifizierungs- und Revisionsprojekts des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) Bodendenkmäler in einem EDV-gestützten System zu erfassen und nachzuqualifizieren. Abhängig vom Standort der Ortsakten konnte die Tätigkeit nur in den Dienststellen des BLfD erbracht werden. Einen Schlüssel zu diesen Dienststellen besaß der Kläger nicht. Er hat regelmäßig von 07.30 Uhr bis 17.00 Uhr gearbeitet, über einen zur Verfügung gestellten PC-Arbeitsplatz mit persönlicher Benutzerkennung wurde ihm der Zugang zu den Eingabemasken ermöglicht. Der Termin zur Fertigstellung der vereinbarten Leistungen wurde anhand der Zahl der im Arbeitsgebiet bekannten archäologischen Fundstellen kalkuliert und auf den 30. November 2009 festgelegt. Dem Kläger war gestattet, die Vergütung iHv. 31.200 Euro incl. Mehrwertsteuer nach Abschluss der Bearbeitung bestimmter Gebiete in Einzelbeträgen von 5.200 Euro abzurechnen.
Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass zwischen den Parteien nach dem wahren Geschäftsinhalt ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Revision des Beklagten blieb vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Bereits die Gestaltung des „Werkvertrags“ lässt erkennen, dass nicht die Herstellung einer Sache oder eines Erfolgs, sondern eine bestimmte Tätigkeit geschuldet wird. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kumulation und Verdichtung der Bindung des Klägers sei in einer Gesamtschau als Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit zu werten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16911&pos=4&anz=59&titel=Abgrenzung_von_Arbeits-_und_Werkvertrag
VII.
Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, Az.10 AZR 270/12
Volltext PE:
Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verlangen, wenn dies für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist.
Die Klägerin ist als Verwaltungsangestellte im Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört die Veröffentlichung von Ausschreibungen bei Vergabeverfahren. Seit dem 1. Januar 2010 erfolgen diese Veröffentlichungen nur noch in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Bundes. Zur Nutzung wird eine qualifizierte elektronische Signatur benötigt, die nach den Bestimmungen des Signaturgesetzes (SigG) nur natürlichen Personen erteilt wird. Die Beklagte wies daraufhin die Klägerin an, eine solche qualifizierte Signatur bei einer vom SigG vorgesehenen Zertifizierungsstelle, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, zu beantragen. Dazu müssen die im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Die Kosten für die Beantragung trägt die Arbeitgeberin
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sie nicht verpflichten, ihre persönlichen Daten an Dritte zu übermitteln; dies verstoße gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei nicht sichergestellt, dass mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben werde.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Zehnten Senat erfolglos.
Die Beklagte hat von ihrem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht (§ 106 GewO) angemessen Gebrauch gemacht. Der mit der Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Klägerin zumutbar. Die Übermittlung der Personalausweisdaten betrifft nur den äußeren Bereich der Privatsphäre; besonders sensible Daten sind nicht betroffen. Der Schutz dieser Daten wird durch die Vorschriften des SigG sichergestellt; sie werden nur durch die Zertifizierungsstelle genutzt. Auch durch den Einsatz der Signaturkarte entstehen für die Klägerin keine besonderen Risiken. So enthält die mit dem Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung ausdrücklich eine Haftungsfreistellung; die gewonnenen Daten dürfen nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber verwendet werden.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16916&pos=3&anz=59&titel=Verpflichtung_zur_Nutzung_einer_elektronischen_Signaturkarte
VIII.
Kein Rechtsanspruch auf Abschluss eines (bestimmten) Tarifvertrags
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2013, Az. 4 AZR 173/12
Volltext PE:
Eine gerichtliche Verurteilung einer Tarifvertragspartei zum Abschluss eines bestimmten, vom klagenden Tarifpartner vorgelegten Entwurf eines Tarifvertrags kann nur erfolgen, wenn eine rechtlich verbindliche Verpflichtung hierzu besteht. Diese muss sich ebenso zweifelsfrei wie der Inhalt der eingeklagten Erklärung aus der Verpflichtungsgrundlage (bspw. einem Vorvertrag oder einer tariflichen Regelung) ergeben. Ansonsten besteht allenfalls ein Verhandlungsanspruch der Tarifparteien gegeneinander.
Die klagende Gewerkschaft (Deutsche Orchestervereinigung) hatte mit dem beklagten Arbeitgeberverband (Deutscher Bühnenverein) seit Jahren Tarifverträge für die Arbeitsverhältnisse der Mitglieder von Kulturorchestern geschlossen. Für die Vergütung sehen die tariflichen Regelungen in § 19 Tarifvertrag für Kulturorchester (TVK) eine Anpassungsverpflichtung vor, nach der bei einer allgemeinen Veränderung im Bereich der Kommunen und der Länder die Gehälter der tarifunterworfenen Musiker „durch Tarifvertrag sinngemäß anzupassen“ sind. Hieraus hat die klagende Gewerkschaft einen Anspruch gegen den beklagten Verband abgeleitet, einem von ihr formulierten Tarifvertragsentwurf zuzustimmen. Nach ihrer Auffassung sind die letzten Entgelterhöhungen im TVöD/VKA bzw. TV-L „eins zu eins“ umzusetzen. Der Deutsche Bühnenverein hat dagegen die Auffassung vertreten, die Anpassungsklausel im Manteltarifvertrag enthalte lediglich eine Verhandlungspflicht.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision der Gewerkschaft zurückgewiesen und eine Rechtspflicht des Arbeitgeberverbandes zum Abschluss eines bestimmten Tarifvertrages verneint. Zwar kann sich ein solcher Anspruch grundsätzlich aus einem verbindlichen Vorvertrag oder aus einer eigenen vorher vereinbarten tariflichen Regelung ergeben. Eine entsprechende Verpflichtung kann aber nur dann anerkannt werden, wenn sich sowohl der darauf gerichtete Bindungswille als auch der hinreichend konkretisierte Inhalt der angestrebten Tarifeinigung aus der verpflichtenden Regelung selbst ergibt. Für den Inhalt des Tarifvertrages bedeutet dies regelmäßig, dass es nur eine einzige, der Vorgabe entsprechende Regelungsmöglichkeit geben darf. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, besteht - wie hier - lediglich eine - qualifizierte - Verhandlungspflicht der Tarifpartner.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16913&pos=2&anz=59&titel=Kein_Rechtsanspruch_auf_Abschluss_eines_%28bestimmten%29_Tarifvertrags
IX.
Übergang eines Arbeitsverhältnisses auf eine sogenannte Optionskommune - § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26.09.2013, Az. 8 AZR 775/12
Volltext PE:
Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wegen eines unzulässigen Eingriffs in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers für verfassungswidrig. Nach dieser Vorschrift geht das Arbeitsverhältnis eines bei der Agentur für Arbeit beschäftigten Arbeitnehmers, der seit mindestens zwei Jahren Tätigkeiten nach dem SGB II ("Hartz IV") wahrgenommen hat, auf einen kommunalen Träger über, wenn diese Aufgaben auf Antrag des kommunalen Trägers durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf diesen übertragen werden.
Die Klägerin war seit 1. November 2008 als Teamleiterin im Bereich SGB II in der Agentur für Arbeit in S. tätig. Ihr oblag die Leitung des sogenannten gemeinsamen Arbeitgeberserviceteams, welches bei der Agentur für Arbeit gemeldete Arbeitslose sowohl aus dem Bereich SGB II (Hartz IV) als auch aus dem Bereich SGB III (Bezieher von Arbeitslosengeld) an interessierte Arbeitgeber vermittelte. Nachdem der Landkreis S. ab 1. Januar 2011 als weiterer kommunaler Träger nach dem SGB II durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zugelassen worden war, wurde der Klägerin sowohl durch die Agentur für Arbeit als auch durch den Landkreis S. mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ab diesem Zeitpunkt auf den Landkreis übergehen werde. Diesen Übergang hält die Klägerin für unwirksam. Sie macht geltend, ihr Arbeitsverhältnis bestehe mit der Agentur für Arbeit fort.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der entsprechenden Klage stattgegeben. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält die gesetzliche Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG für unwirksam. So werde dem Arbeitnehmer insbesondere kein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses eingeräumt. Der Senat hat nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG den Rechtsstreit daher ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16930&pos=0&anz=59&titel=%DCbergang_eines_Arbeitsverh%E4ltnisses_auf_eine_sogenannte_Optionskommune_-_%A7_6c_Abs.%A01_Satz%A01_SGB_II
X.
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein
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Einstelldatum
Aktenzeichen
Gericht
Schlagworte
Datei
30.09.2013
5 TaBV 6/13
LAG Schleswig-Holstein
Einigungsstelle, Einigungsstellenspruch, Wirksamkeit, Anfechtung, Betriebsvereinbarung, Kameraeinsatz, Betriebsabläufe (Steuerung), Persönlichkeitsrecht, Verletzung der Persönlichkeit, Verhältnismäßigkeit
B_5TaBV6-13_29-08-2013.pdf
(160,5 KB)
25.09.2013
6 Ta 157/13
LAG Schleswig-Holstein
Prozesskostenhilfe, Beiordnung eines Rechtsanwalts, Versagung, Gewerkschaftsmitglied, Rechtsschutz, gewerkschaftlicher, Vermögen (einzusetzendes), Rechtsvertretung, Inanspruchnahme, Unzumutbarkeit
N_6Ta157-13_12-09-2013.pdf
(113,9 KB)
24.09.2013
3 Sa 236/12
LAG Schleswig-Holstein
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Altersvorsorge, Weiterleitung von Versicherungsunterlagen, Unterlassung, negative Tatsachen, Beweislast, Darlegungslast, sekundäre, substantiierter Vortrag
U_3Sa236-12_07-08-2013.pdf
(110,0 KB)
24.09.2013
5 Ta 95/13
LAG Schleswig-Holstein
Kostenfestsetzung, sofortige Beschwerde, Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug, Vorsteuerabzugsberechtigung, Antragsteller, Erklärung, Gesetz, Glaubhaftmachung, keine Glaubhaftmachung
N_5Ta95-13_16-08-2013.pdf
(85,8 KB)
24.09.2013
5 Sa 95/13
LAG Schleswig-Holstein
Befristetes Arbeitsverhältnis, Befristung, Vertretung, Sachgrund, unmittelbare Vertretung, mittelbare Vertretung, Kausalität
U_5Sa95-13_22-08-2013.pdf
(126,0 KB)
24.09.2013
1 Sa 80/13
LAG Schleswig-Holstein
Kündigung, fristlos, Pflichtverletzung, schwerwiegende, Rauchverbot, Verstoß, Lackierbetrieb, Abmahnung
U_1Sa80-13_27-08-2013.pdf
(102,0 KB)
18.09.2013
6 Ta 136/13
LAG Schleswig-Holstein
Streitwert, Gegenstandswert, Wertfestsetzung, Vergleich, Mehrvergleich, Vergleichsmehrwert, Freistellung von der Arbeit, Freistellungsvereinbarung, Zwischenzeugnis, Weiterbeschäftigungsantrag
N_6Ta136-13_21-08-2013.pdf
(143,0 KB)
18.09.2013
6 Ta 118/13
LAG Schleswig-Holstein
Streitwert, Wertfestsetzung, Einstweilige Verfügung, nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, Gewerkschaft, Zutrittsrecht, Zutritt zum Betrieb
N_6Ta118-13_20-08-2013.pdf
(128,0 KB)
18.09.2013
6 Sa 96/13
LAG Schleswig-Holstein
Schmerzensgeld, Schadensersatz, Mobbing, Schwerbehinderte, Wäscherin, Diskriminierung, Entschädigung
U_6Sa96-13_14-08-2013.pdf
(209,1 KB)
04.09.2013
3 Sa 72/12
LAG Schleswig-Holstein
Arbeitszeit, Rettungsassistent, Wochenendfeiertage, Arbeitszeitkonto, Zeitgutschrift, Zeitzuschläge, Ist-Stunden, Soll-Stunden, Arbeitsbedingungen
U_3Sa72-12_07-08-2013.pdf
(172,8 KB)
02.09.2013
5 Ta 110/13
LAG Schleswig-Holstein
sofortige Beschwerde, Widerklage, Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, sachliche Zuständigkeit, Arbeitgeberdarlehen, Darlegung
N_5Ta110-13_08-07-2013.pdf
(89,2 KB)
02.09.2013
5 Sa 31/13
LAG Schleswig-Holstein
Kündigung, fristlos, Leistungsbereich, Schlechtleistung, Alten- und Pflegeheim, Küchen- und Hauswirtschaftsleiter, Abmahnung, Rügefunktion, Warnfunktion
U_5Sa31-13_27-06-2013.pdf
(119,0 KB)
02.09.2013
6 Ta 139/13
LAG Schleswig-Holstein
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, Strafgefangener, Justizvollzugsanstalt, Arbeitsverhältnis
N_6Ta139-13_12-08-2013.pdf
(111,6 KB)
02.09.2013
5 Sa 400/12
LAG Schleswig-Holstein
Änderungskündigung, Zurückweisung, Vollmachtsurkunde, Fehlen einer Vollmacht, Prokura, Betriebsübergang (Teil-), Widerspruch, Betriebsratsanhörung, Betrieb, Zuordnung, Änderungsangebot, Bestimmtheit, Kündigungsschutz, tariflicher
U_5Sa400-12_20-06-2013.pdf
(225,3 KB)
02.09.2013
5 Sa 309/12
LAG Schleswig-Holstein
Kündigung, außerordentlich, Zurückweisung, Vollmachtsurkunde, Fehlen einer Vollmacht, Öffentlicher Dienst, Kündigungsbefugnis, Personalrat, Anhörung, Umstände, entlastende, Mitteilung, Verdachtskündigung, Voraussetzungen, Weiterbeschäftigungsanspruch, Beschäftigung, Unzumutbarkeit, Arbeitgeber
U_5Sa309-12_25-04-2013.pdf
(192,1 KB)
XI.
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Mainz
Bitte auf das AZ klicken!
Gericht
Entsch.-
datum
Aktenzeichen
LArbG
Mainz
10. Kammer
18.07.2013
10 Sa 44/13
Widerruf einer Versorgungszusage - Schadensersatz aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung
XII.
Betriebsrentenanpassung - Berechnungsdurchgriff - Existenzvernichtungshaftung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3.7.2013, Az. 4 Sa 112/12
Leitsätze:
Regelt eine konzerninterne Vereinbarung, dass der externe Umsatz eines Konzernunternehmens dergestalt mit dem internen Umsatz dieses Unternehmens, welcher durch Kostenerstattungen für konzernintern erbrachte Dienstleistungen erzielt wird, in Beziehung steht, dass mit Ansteigen des externen Umsatzes der "Preis" für die internen Dienstleistungen sinkt, so liegt darin zugleich eine Steuerung des im Jahresabschluss auszuweisenden Gewinns. Selbst wenn dieses Modell (gewollt) dazu führt, dass durch die Steuerung der Höhe des im Jahresabschluss auszuweisenden Gewinns in der Regel keine ausreichenden Eigenkapitalverzinsungen für Betriebsrentenanpassungen zu erwarten sind, kann eine Betriebsrentenanpassung seit Aufgabe des Konzepts der Außenhaftung im qualifiziert faktischen Konzern nicht mehr über einen Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern erreicht werden. Auch eine Anpassung unter Anwendung der Grundsätze der Existenzvernichtungshaftung scheitert, wenn nur die Höhe des Gewinns gesteuert wird, jedoch ansonsten kein Eingriff in das Schutzgut des Gesellschaftsvermögens des Konzernunternehmens vorliegt. Die Möglichkeit zur Erwirtschaftung einer für künftige Betriebsrentenanpassungen auskömmlichen höheren Eigenkapitalverzinsung wird über § 826 BGB im Innenverhältnis zwischen Konzernunternehmen und ihren Gesellschaftern nicht geschützt.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17293&pos=6&anz=37
XIII.
Rentenanpassung - wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers - Konzernverbindung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.6.2013, Az. 11 Sa 134/12
Leitsätze:
1. Nach § 16 I BetrAVG ist bei der Anpassungsprüfung die wirtschaftliche Lage des versorgungspflichtigen Arbeitgebers auch dann maßgeblich, wenn eine Konzerneinbindung vorliegt.
2. Weisen die Bilanzen dieses Unternehmens mitsamt Gewinn- und Verlustrechnungen seit Jahren positive Geschäftsergebnisse aus und gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich daran etwas ändern könnte, kann sich das Unternehmen nicht auf eine schlechte wirtschaftliche Lage berufen.
3. Dies gilt auch dann, wenn die Bilanzergebnisse (nur) deshalb stets positiv ausfallen, weil die Muttergesellschaft im Konzern, die alle hergestellten Produkte des versorgungspflichtigen Unternehmens abnimmt, dessen gesamte Herstellungskosten zuzüglich eines Aufschlags übernimmt.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&Seite=1&nr=17294&pos=10&anz=37
XIV.
Benachteiligung im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 10.9.2013, Az. 4 S 547/12
Leitsätze:
1. In einem Stellenbesetzungsverfahren kann eine Benachteiligung im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG bereits in der entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unterlassenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und der damit einhergehenden Vorenthaltung einer möglichen Verfahrensabsicherung oder -begleitung durch diese Vertretung zu sehen sein.
2. Eine Benachteiligung im Sinne von § 7 Abs. 1 AGG setzt keine Verletzung in subjektiven Rechten voraus.
3. Zur Heilung eines Verstoßes gegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX durch nachträgliche Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (hier verneint).
4. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs im Falle des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ist bei Geltendmachung einer Benachteiligung in einem Beförderungsverfahren nicht auf die Differenz zwischen der dreifachen monatlichen Grundbesoldung des bislang innegehabten und derjenigen des angestrebten Amts beschränkt.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Verwaltungsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17287&pos=0&anz=222
XV.
Ausschlussfrist für Urlaubsabgeltung
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 13.08.2013, Az. 9 Sa 138/13
Leitsätze:
Ein Arbeitnehmer macht mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage beim Arbeitsgericht die von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängenden Ansprüche (hier: Urlaubsabgeltung) geltend und wahrt damit eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist sowohl für die erste Stufe (schriftliche Geltendmachung) als auch für die zweite Stufe (gerichtliche Geltendmachung).
Siehe:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE130015747&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint
XVI.
Unzulässigkeit sachgrundloser Befristung auch bei länger als 3 Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.9.2013, Az.6 Sa 28/13
Volltext PE:
Der Kläger war bei einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie aufgrund jeweils befristeter Arbeitsverträge vom 27. August 2007 bis 30. November 2007 und wieder vom 1. Februar 2011 bis 30. Juni 2011, verlängert bis 31. Mai 2012 und noch einmal verlängert bis 31. Januar 2013 beschäftigt. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages gewandt.
Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hat das Tatbestandsmerkmal „bereits zuvor“ in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2011 - 7 AZR 716/09) dahin ausgelegt, dass in Anlehnung an die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber, die länger als 3 Jahre zurückliegen, nicht zu berücksichtigen sind.
Von dieser Rechtsprechung weicht die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ab. Das Landesarbeitsgericht hält die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das Bundesarbeitsgericht für überschritten. Jedenfalls hätte das Bundesarbeitsgericht die Norm dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. Außerdem weiche die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts von der des 2. Senats ab, so dass der 7. Senat das Verfahren zur Wahrung der Rechtseinheit nach § 45 ArbGG hätte durchführen müssen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Siehe:
http://www.lag-baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/Unzulaessigkeit+sachgrundloser+Befristung+auch+bei+laenger+als+3+Jahre+zurueckliegender+Vorbeschaeftigung/?LISTPAGE=1206040
XVII.
Auszubildender verletzt Auge eines Kollegen - 25.000 € Schmerzensgeld
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 20.8.2013, Az. 13 Sa 269/13
Volltext PE:
Am 24. Februar 2011 war der Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits in seinem Ausbildungsbetrieb, einer Kfz-Werkstatt in Bad Homburg, mit dem Auswuchten von Autoreifen beschäftigt. Der zum damaligen Zeitpunkt 18-jährige Kläger, ebenfalls Auszubildender, stand etwa 10 m weiter weg. Der Beklagte warf ohne Vorwarnung ein etwa 10 g schweres Wuchtgewicht aus Aluminium in Richtung des Klägers und traf ihn am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Der Kläger trug eine Hornhautverletzung und eine Oberlidrandverletzung davon. Er wurde mehrfach operiert. Ihm wurde eine künstliche Augenlinse eingesetzt. Wegen der verbliebenen Hornhautnarbe leidet der Kläger an einer dauerhaften Sehverschlechterung und dem Verlust des räumlichen Sehvermögens.
Der Kläger hat den Beklagten deshalb auf Schmerzensgeld und die Feststellung in Anspruch genommen, dass dieser auch zukünftig jeden Schaden aus dem schädigenden Ereignis ersetzen muss.
Das Arbeitsgericht und ihm folgend das Hessische Landesarbeitsgericht haben der Klage insoweit stattgegeben und den Beklagten zu einem Schmerzensgeld von 25.000 € verurteilt.
Nach der Überzeugung des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte den Kläger fahrlässig an dessen Gesundheit geschädigt. Der Beklagte hätte wissen können und müssen, dass ein kraftvoller Wurf mit einem Wuchtgewicht eine solche Verletzung hervorrufen kann. Der Beklagte sei auch nicht von seiner Haftung befreit gewesen, weil es sich bei dem Wurf gerade nicht um eine betriebliche Tätigkeit im Rechtssinne gehandelt habe, bei der für Personenschäden nur für Vorsatz, nicht aber für Fahrlässigkeit gehaftet wird. Das Herumwerfen von Wuchtgewichten in einem Kfz-Betrieb sei vielmehr dem persönlich-privaten Bereich zuzuordnen, für den ein Arbeitnehmer in vollem Umfang hafte.
Bei der Höhe des Schmerzensgeldes ließ sich das Hessische Landesarbeitsgericht insbesondere von den erlittenen Schmerzen, der dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensführung des Klägers leiten und dem Risiko weiterer Verschlechterungen des Augenlichts.
Abgewiesen hat das das Landesarbeitsgericht das Begehren des Klägers auf eine zusätzliche monatliche Schmerzensgeldrente. Deren Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Siehe:
http://www.lag-frankfurt.justiz.hessen.de/irj/LAG_Hessen_Internet?rid=HMdJ_15/LAG_Hessen_Internet/sub/eed/eed70f6e-ab2e-6141-79cd-aa2b417c0cf4,,11111111-2222-3333-4444-100000005003%26overview=true.htm
XVIII.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Sozialplanansprüche auch nach neun Jahren noch nicht verjährt
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.10.2013, Az. 5 Sa 823/13
Volltext PE:
Die Parteien streiten über einen Sozialplananspruch. Der Kläger war bis zum 31.01.2004 bei der Arbeitgeberin beschäftigt, über deren Vermögen am 01.10.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden war. Dieser zeigte gegenüber dem Insolvenzgericht am 02.10.2003 Masseunzulänglichkeit an und schloss am 10.10.2003 mit dem Betriebsrat einen Sozialplan. Aus diesem ergab sich für den Kläger ein Abfindungsanspruch in Höhe von 14.761,39 Euro. In den seit 2003 erstellten 17 halbjährlichen Zwischenberichten des Insolvenzverwalters waren die Sozialplanansprüche mit einer Quote berücksichtigt. Erstmals im 18. Zwischenbericht vom 17.12.2012 teilte der Beklagte mit, dass diese Ansprüche auf Grund des Eintritts der Verjährung nicht mehr zu berücksichtigen seien. Dieser Rechtsauffassung tritt der Kläger entgegen und begehrt die Feststellung, dass ihm nach wie vor der Sozialplananspruch zusteht.
Ebenso wie das Arbeitsgericht Duisburg hat heute die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf der Klage mit zwei parallelen Begründungen stattgegeben. Zum einen seien die Ansprüche noch nicht fällig, d.h. die Verjährungsfrist habe noch nicht zu laufen begonnen. Zwar verjährten Sozialplanansprüche innerhalb von drei Jahren ab Fälligkeit und diese Fälligkeit sei grundsätzlich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, d.h. hier am 31.01.2004, gegeben. Anders sei dies aber, wenn wie im konkreten Fall vor Abschluss des Sozialplans Masseunzulänglichkeit angezeigt werde. Der Anspruch werde dann erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens und Verteilung der Masse fällig. Vorher sei der Anspruch sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unsicher, so dass die Verjährung unterbrechende Leistungs- oder Feststellungsklagen nicht möglich seien. Zum anderen verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn der Insolvenzverwalter sich auf Verjährung berufe, nachdem er die Ansprüche jahrelang - auch nach dem von ihm angenommenen Ablauf der Verjährung - in den Zwischenberichten aufgenommen hatte. Die Arbeitnehmer hätten objektiv davon ausgehen dürfen, so die Kammer in ihrer mündlichen Urteilsbegründung, "dass mit ihrem Sozialplananspruch alles in Ordnung sei".
Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen.
In acht weiteren Verfahren hat die 5. Kammer wie in der Sache 5 Sa 823/12 entschieden, wobei es um Abfindungen zwischen ca. 3.000 Euro und 40.000 Euro ging.
Siehe:
http://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/presse_weitere/PresseLArbGs/10_10_20131/index.php
XIX.
Verbreitung eines Streikaufrufs im Intranet
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.10.2013, Az. 1 ABR 31/12
Volltext PE:
Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account (Vorname.Name@Arbeitgeber.de) für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigten. Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer ist Betriebsratsvorsitzender und Mitglied von ver.di. Nach einer Anordnung der Arbeitgeberin ist die Nutzung ihres Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten. Für den 13. April 2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei der Arbeitgeberin auf. Diesen Aufruf leitete der Arbeitnehmer über das Intranet der Arbeitgeberin an alle Mitarbeiter weiter und rief die Beschäftigten auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte die E-Mail mit den Worten: „Für die ver.di-Betriebsgruppe“ und fügte seinen Namen an. Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, ihr stehe wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch zu. Der Arbeitnehmer hat sich darauf berufen, nicht als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt zu haben. Die Arbeitgeberin habe zum Schutze seiner individuellen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden.
Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ergibt sich zwar aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin. Dieser folgt jedoch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen. Hierfür ist unerheblich, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene Intranetzugang in seiner Funktion als Amtsträger oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt wurde. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Von ihr kann nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16956&pos=0&anz=62&titel=Verbreitung_eines_Streikaufrufs_im_Intranet
XX.
Anspruch auf Wiedereinstellung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2013, Az. 9 AZR 564/12
Volltext PE:
Räumt ein Arbeitgeber anlässlich der Ausgliederung eines Geschäftsbereichs und des Übergangs eines Betriebsteils auf einen anderen Inhaber unter bestimmten Voraussetzungen den vom Arbeitgeberwechsel betroffenen Arbeitnehmern ein unbefristetes Rückkehrrecht ein, haben diese Anspruch auf die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber, wenn die in der Rückkehrzusage genannten Bedingungen erfüllt sind. Entsprechendes gilt, wenn die Rückkehrzusage vor der Übernahme von Arbeitnehmern durch eine Betriebskrankenkasse (§ 147 Abs. 2 SGB V) erfolgt. Ob der bisherige Arbeitgeber das Angebot rückkehrwilliger Arbeitnehmer auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags anzunehmen oder selbst ein solches Angebot abzugeben hat, hängt von der Rückkehrzusage und den weiteren Umständen des Einzelfalls ab. Diese sind auch für den Inhalt des neu zu begründenden Arbeitsverhältnisses maßgebend.
Die Klägerin war seit September 1992 beim beklagten Land angestellt und im Rahmen einer Personalgestellung als Sachbearbeiterin in der Betriebskrankenkasse (BKK Berlin), einer rechtlich selbständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts, beschäftigt. Sie stimmte dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die BKK Berlin zum 1. Januar 1999 zu, nachdem das beklagte Land ihr und ca. 200 anderen Beschäftigten am 20. April 1998 für den Fall der Schließung/Auflösung der BKK Berlin schriftlich ein unbefristetes Rückkehrrecht eingeräumt hatte. Aus der BKK Berlin ging aufgrund mehrerer Zusammenschlüsse mit anderen Betriebskrankenkassen die City BKK hervor. Noch vor deren Schließung durch das Bundesversicherungsamt zum 30. Juni 2011 machte die Klägerin ihr Rückkehrrecht gegenüber dem beklagten Land geltend. Dieses nahm das Arbeitsvertragsangebot der Klägerin nicht an und meinte, seine Rückkehrzusage habe sich nur auf eine Schließung/Auflösung der BKK Berlin und nicht der City BKK bezogen.
Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land zur Annahme des Arbeitsvertragsangebots der Klägerin verurteilt und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin über die beim beklagten Land bis zum 31. Dezember 1998 zurückgelegte Beschäftigungszeit hinaus ihre Beschäftigungszeiten bei der BKK Berlin und der City BKK im neuen Arbeitsverhältnis berücksichtigt wissen wollte. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin das beklagte Land verurteilt, auch die Beschäftigungszeit vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2003 bei der BKK Berlin zu berücksichtigen.
Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar bezog sich die Rückkehrzusage des beklagten Landes vom 20. April 1998 ihrem Wortlaut nach nur auf eine Schließung/Auflösung der BKK Berlin. Die Zusage sollte jedoch die Klägerin und die anderen ca. 200 Beschäftigten veranlassen, ihren sicheren Arbeitsplatz beim beklagten Land aufzugeben. Ihr Sinn und Zweck gebietet das Verständnis, dass das beklagte Land auch nach der Vereinigung der BKK Berlin mit anderen Betriebskrankenkassen an seine Rückkehrzusage gebunden bleibt. Die Schließung der City BKK als Rechtsnachfolgerin der BKK Berlin hat das Rückkehrrecht der vormals beim beklagten Land Beschäftigten ausgelöst mit der Folge, dass diese bei Ausübung des Rechts so zu stellen sind, als wären sie durchgehend beim beklagten Land beschäftigt gewesen.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16955&pos=1&anz=62&titel=Anspruch_auf_Wiedereinstellung
XXI.
Hinterbliebenenversorgung - Spätehenklausel - erneute Eheschließung mit der früheren Ehefrau nach Eintritt in den Ruhestand
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.10.2013, Az. 3 AZR 294/11
Volltext PE:
Eine Bestimmung in einer Versorgungsordnung einer Unterstützungskasse, wonach ein Anspruch auf eine Witwen-/Witwerversorgung nur besteht, wenn die Ehe geschlossen wurde, bevor beim versorgungsberechtigten Mitarbeiter ein Versorgungsfall eingetreten ist (sog. Spätehenklausel), ist wirksam.
Der Kläger war bis 1992 bei der M. GmbH und deren Rechtsnachfolgerin beschäftigt. Die M. GmbH hatte ihm Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, die über eine Unterstützungskasse durchgeführt werden sollten. Der Kläger befindet sich seit Januar 1993 im Ruhestand und bezieht von der beklagten Unterstützungskasse Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach deren Versorgungsordnung. Danach wird der hinterlassenen Ehefrau beim Tod eines Rentners Witwenrente gewährt, wenn die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen wurde und bis zum Tode fortbestanden hat. Der Kläger war seit dem 12. September 1959 verheiratet. Die Ehe wurde am 7. Dezember 1993 geschieden. Seit dem 18. Juni 2008 ist der Kläger wieder mit seiner früheren Ehefrau verheiratet. Die beklagte Unterstützungskasse teilte dem Kläger mit, seine Ehefrau habe bei seinem Versterben keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, da die (zweite) Ehe mit ihr erst nach Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen worden sei. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass sein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch eine Witwenrente zugunsten seiner Ehefrau umfasst. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers blieb vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Dem Anspruch des Klägers steht die Spätehenklausel der Versorgungs-ordnung entgegen. Die zweite, ggfls. zur Witweneigenschaft führende Ehe wurde erst nach Eintritt des Versorgungsfalls des Klägers geschlossen. Dass der Kläger bereits während des Arbeitsverhältnisses in erster Ehe mit seiner jetzigen Ehefrau verheiratet war, ist unerheblich. Die Spätehenklausel ist wirksam. Sie bewirkt weder eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters, noch verstößt sie gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Sie führt auch unter Beachtung grundrechtlicher Wertungen nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 BGB.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16954&pos=2&anz=62&titel=Hinterbliebenenversorgung_-_Sp%E4tehenklausel_-_erneute_Eheschlie%DFung_mit_der_fr%FCheren_Ehefrau_nach_Eintritt_in_den_Ruhestand
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident
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