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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart


I.
Weiterbeschäftigungsantrag
Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss vom 06.05.2013, Az. 1 Ta 105/13

Zur Bewertung des Weiterbeschäftigungsantrags, der für den Fall des Scheiterns des Gütetermins gestellt ist
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/ydp/page/bslaredaprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=4275&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE130011069&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint

II.
Verbot der Diskriminierung wegen des Alters nach Gemeinschaftsrecht: Zulässigkeit der automatischen Versetzung von Richterinnen und Richtern in den Ruhestand nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze.
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom  16.05.2013, Az. 9 L 1393/13.F

1. Die allgemeine Altersgrenze für Richterinnen und Richter in Hessen für den automatischen Übertritt in den Ruhestand gemäß § 7 Abs. 2 HRiG, der gemäß § 7 Abs. 5 HRiG nicht hinausgeschoben darf, wird vom Geltungsbereich des Art. 3 Abs. 1 lit. c RL 2000/78/EG erfasst, weil diese landesrechtlichen Regelungen die betreffenden Personen daran hindern, über die gesetzliche Altersgrenze hinaus im aktiven Dienst zu verbleiben. Die vorgenannten landesrechtlichen Regelungen führen zu einer Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von RL Art. 2 Abs. 1, 2 lit.a, da sie diesen Personen eine weniger günstige Behandlung zuteil werden lässt, als sie andere Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, genießen. Zu den von RL Art. 3 Abs. 1 erfassten Personen im öffentlichen Bereich gehören auch Berufsrichterinnen und Berufsrichter in Hessen.
2. Diese Altersdiskriminierung ist weder nach RL Art. 4 Abs. 1 noch nach RL Art. 6 Abs. 1 gerechtfertigt.
a. Zu RL Art. 4 Abs. 1: Durch die Anhebung der Altersgrenze auf höchstens 67 Jahre durch die Stufenregelung gemäß § 7 Abs. 2 HRiG wird eine neue allgemeine Altersgrenze etabliert, in deren zeitlichen Korridor bis zur Geltung für alle Personen sich der Gesetzgeber nicht darauf berufen kann, dass spezifische berufliche Anforderungen die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Anhaltspunkte für spezifische berufliche Anforderungen, wie sie etwa für Beamte im Vollzugsdienst gelten mögen, sind nicht ersichtlich.
b. Zu RL Art. 6 Abs. 1:
Auch aus dem Kontext der einschlägigen Bestimmungen, ihrer Entstehungsgeschichte und dem gesetzgeberischen Wollen lässt sich kein Rechtfertigungsgrund für diese Altersdiskriminierung gewinnen. Es fehlt an Zielen, die dem Kontext der Regelung aufgrund entsprechender Verantwortungsübernahme des Gesetzgebers zuzurechnen sind. Dem Gesetzgeber steht zwar ein weiter Ermessensspielraum in Bezug auf die europarechtlich als legitim erachteten Ziele der Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur, der Planbarkeit des Ausscheidens von Beschäftigten, des Freimachens von Beförderungsmöglichkeiten und der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten zu, es spricht jedoch viel dafür, dass die Mittel zur Erreichung des jeweiligen Ziels nicht angemessen, erforderlich und verhältnismäßig insbesondere am Maßstab des Art. 15 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 GRCh sind.
3. Soweit die starre Altersgrenze mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der richterlichen Unabhängigkeit begründet wird, hält sie den unionsrechtlichen Regelungen und Anforderungen nicht stand.

a. Diese Begründung ist widersprüchlich, d.h. inkohärent, weil das HRiG seit Jahrzehnten flexible Altersgrenzen unterhalb der starren Altersgrenze gibt. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass es auch unter Rücksicht auf die Unabhängigkeit der Richter keiner starren Altersgrenze bedarf.
b. Diese Begründung ist unschlüssig, d.h. inkohärent, weil § 7 Abs. 5 HRiG mit Wirkung zum 01.04.2009 seinen bundesgesetzlichen Bezug verloren hat. Seitdem eröffnet § 76 Abs. 2 DRiG die Möglichkeit einer freiwilligen Fortsetzung der Amtsausübung auf Initiative der Amtsträgerin oder des Amtsträgers über eine - für den Regelfall geltende - Ruhestandsaltersgrenze hinaus. Es geht zu Lasten des Landes Hessen, diese Möglichkeit nicht in sein Ermessen eingestellt zu haben und im Hinblick auf das grundsätzliche Verbot der Altersdiskriminierung die unionsrechtlich vorgegebenen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer nationalen, jedenfalls im Ansatz unmittelbar wegen des Alters diskriminierenden Regelung verfehlt zu haben.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/xy9/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=MWRE130002012&documentnumber=2&numberofresults=4275&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint

III.
Betriebsratsausschluss - Diffamierung - "Hitler-Vergleich" - Kostenübernahme
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom  23. 05.2013, Az. 9 TaBV 17/13

Ein Antragsteller in einem Ausschlussverfahren gegen ein Betriebsratsmitglied nach § 23 Abs. 1 BetrVG hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die Beteiligung an einem entsprechenden Beschlussverfahren gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG. Eine Vereinbarung eines Antragstellers mit dem Arbeitgeber über die Kostenübernahme im Umfang der im Betrieb auch für die Anwaltsberatung des Betriebsrats üblichen Höhe (Stundenhonorar von EUR 250,-) stellt keinen Ausschließungsgrund gegenüber einem Betriebsratsmitglied, das Antragsteller in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist, dar.

Der zweimalige Personenvergleich der Betriebsratsvorsitzenden mit Adolf Hitler und seinen Methoden im Wochenabstand durch ein Betriebsratsmitglied rechtfertigt grundsätzlich dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat.
Siehe:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/xy9/page/bslaredaprod.psml?doc.hl=1&doc.id=JURE130011290&documentnumber=1&numberofresults=4275&showdoccase=1&doc.part=K¶mfromHL=true#focuspoint

IV.
Betriebsvefassungsgesetz
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2013, Az. 13 TaBV 2/13

1. Eine Neueinstellung, die im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG auch in der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages liegen kann, ist als solche nicht automatisch mit einer Eingruppierung verbunden. Da die Eingruppierung von der Tätigkeit abhängt, erfordert eine Einstellung nur dann zugleich eine Eingruppierung, wenn mit ihr auch eine neue Tätigkeit aufgenommen wird.

2. Bei der Überleitung von Arbeitnehmern vom Entgeltsystem des ETV 2007 in das Entgeltsystem des ETV 2011 als einem Akt der Rechtsanwendung nach dem ETV-EinfTV 2011 handelt es um eine Umgruppierung, die nach § 99 Abs. 1 BetrVG dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats unterliegt. In welcher Form die Umgruppierung im Rahmen der Überleitung stattzufinden hat, richtet sich nach den Regelungen des ETV-EinfTV 2011 und ist grundsätzlich schematisch durchzuführen. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates bei dieser Umgruppierung richtet sich insbesondere darauf, ob die Überleitungsregeln des ETV-EinfTV 2011 eingehalten wurden.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17130&pos=0&anz=26

V.
Europäische Betriebsrat; Intranet

Arbeitsgericht Lörrach, Beschluss vom 26.06.2013, Az. 5 BV 7/12

Der Europäische Betriebsrat hat keinen Anspruch auf unmittelbare Kommunikation mit den Arbeitnehmern über das Intranet, wenn Arbeitnehmervertretungen in deren Betrieben oder Unternehmen bestehen.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17131&pos=2&anz=26

VI.
Scheinwerk-/Scheindienstverträge bei Daimler? Die Kläger waren bei der Daimler AG im Rahmen eines Scheinwerkvertrages beschäftigt. Deshalb ist zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.

Volltext PE: 
Zwei  Beschäftigte von Drittunternehmen klagen auf die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Fa. Daimler AG.
Die 1957 bzw. 1960 geborenen Kläger haben mit einem IT-Systemhaus Verträge als freie Mitarbeiter. Dieses IT-Systemhaus ist ein Subunternehmen eines führenden Dienstleisters für Informationstechnologie, der die Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit der  Daimler AG ausschließlich bei der Daimler AG eingesetzt hat. Beide Kläger arbeiteten aufgrund solcher Verträge von 2001 bis Ende 2011 als IT-Fachkräfte bei der Daimler AG, zuletzt am Standort Stuttgart-Möhringen für den IT-Support in der Abteilung Treasury (Finanzabteilung). Dort betreuten sie die EDV und waren insbesondere für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig.
Die Kläger sind der Auffassung, dass sie Arbeitnehmer der Daimler AG seien. Sie seien in den Betrieb der Beklagten eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen.
Die Beklagte ist der Meinung, dass die Kläger keine Arbeitnehmer der Beklagten seien. Die Kläger hätten keine Weisungen und Arbeitsaufträge von der Beklagten erhalten. Die Beauftragung der Kläger sei vielmehr im Rahmen eines Ticketsystems erfolgt, in dem Beschäftigte der Beklagten EDV-spezifische Aufträge erteilt hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen.
Mit ihrer Berufung haben die Kläger weiter die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Daimler AG verfolgt.
Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 1. August 2013 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Klagen entsprochen und die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Berufungsgericht ist der Überzeugung, dass der Fremdpersonaleinsatz der Kläger im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt ist.
Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung kommt es vor allem darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier: Daimler) eingegliedert gewesen sind und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten haben. Wenn dies der Fall ist, ist von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Dabei kommt es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind.
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass die Kläger, die jahrelang in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln der Beklagten für diese tätig gewesen sind, bei der Daimler AG eingegliedert waren. Sie haben auch von der Beklagten viele arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Das zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmen und Daimler vereinbarte Ticketsystem (IT-Aufträge von Daimler-Arbeitnehmern werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmer bearbeitet) ist in vielen Fällen so nicht gelebt worden. Vielmehr sind die Kläger von vielen Daimler-Mitarbeitern aus der Abteilung Treasury direkt beauftragt worden. Dabei handelt es sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis. Nach einer wertenden Gesamtbetrachtung ist deshalb von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.
Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG ist zwischen den Klägern und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.
Siehe:
http://www.lag-baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1285659/index.html?ROOT=1149275

VII.
Abgrenzung zwischen Dienst- oder Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1.08.2013, Az. 2 Sa 6/13

Leitsätze: 
1. Für die rechtliche Abgrenzung des Werk- oder Dienstvertrags zur Arbeitnehmerüberlassung ist allein die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend.

2. Ein zwischen einem Werkunternehmen (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten vereinbartes Ticketsystem (EDV-spezifische Aufträge von Arbeitnehmern des Dritten werden nach Eröffnung eines Tickets vom Dritten bearbeitet) ist unproblematisch dem Werkvertragsrecht zuzuordnen.

Wenn allerdings Arbeitnehmer des Dritten außerhalb dieses Ticketsystems in größerem Umfang Beschäftigte des Werkunternehmens direkt beauftragen und unter zeitlich-örtlichen Vorgaben auch personenbezogene Anweisungen erteilen, spricht dies für Arbeitnehmerüberlassung.

3. Wenn es sich bei diesen Direktbeauftragungen nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt, ist von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.

4. Will ein in einem Drittbetrieb eingesetzter Arbeitnehmer geltend machen, zwischen ihm und dem Inhaber des Drittbetriebes gelte gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zu Stande gekommen, und ist streitig, ob sein Einsatz in dem Drittbetrieb aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages oder eines Dienst-oder Werkvertrages erfolgt ist, so muss er diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich das Vorliegen von Arbeitnehmerüberlassung ergibt.

Der Arbeitnehmer kann sich nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast allerdings zunächst auf die Darlegung solcher Umstände beschränken, die seiner Wahrnehmung zugänglich sind und auf Arbeitnehmerüberlassung hindeuten (Eingliederung, Weisungsstruktur). Dann ist es Sache des Arbeitgebers die für das Gegenteil sprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, wonach die Abgrenzungskriterien Eingliederung und Weisungsstruktur auch in der gelebten Vertragsdurchführung werkvertragstypisch ausgestaltet sind.
Volltext Urteil:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17150&pos=0&anz=28

VII.

Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Mainz

Bitte auf das AZ  klicken!

Gericht
Entsch.-
datum
Aktenzeichen
 
LArbG 
Mainz
10. Kammer
11.07.2013
10 SaGa 3/13
Einstweilige Verfügung - Untersagung von Fotoaufnahmen mit der Handykamera
LArbG 
Mainz
5. Kammer
24.06.2013
5 Sa 87/13
Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsentgelt
LArbG 
Mainz
5. Kammer
24.06.2013
5 TaBV 8/13
Einigungsstelle
LArbG 
Mainz
5. Kammer
17.06.2013
5 Sa 98/13
Mutterschaftslohn sowie Zuschuss zum Mutterschaftsgeld

VIII.
Eingruppierung eines/r Bezirkssozialarbeiter/in
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21. August 2013 - 4 AZR 933/11

Volltext PE: 
Ein(e) Bezirkssozialarbeiter/in ist in der Entgeltgruppe (EG) S 14 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände - Besonderer Teil - Verwaltung (TVöD-BT-V/VKA) eingruppiert, wenn er/sie in rechtlich erheblichem Ausmaß bei seiner/ihrer Tätigkeit „Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls“ trifft und „in Zusammenarbeit mit dem Familien- bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen“ einleitet, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind.

Der Kläger ist Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung und bei einer Landkreisverwaltung als Bezirkssozialarbeiter tätig. Die Parteien des Rechtsstreits sind kraft Mitgliedschaft an den TVöD/VKA gebunden. Seit 2009 gelten für die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst neue, teilweise veränderte Bestimmungen. Der beklagte Landkreis zahlt dem Kläger seit November 2009 ein Entgelt nach der EG S 11 TVöD-BT-V/VKA. Der Kläger hält aber ein Entgelt nach der neuen EG S 14 TVöD-BT-V/VKA für zutreffend. Diese Entgeltgruppe sieht im Vergleich zur EG S 11 TVöD-BT-V dann ein erhöhtes Entgelt vor, wenn der Beschäftigte in einer entsprechenden Tätigkeit „Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls“ trifft und „in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten (muss), welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind“. Der Landkreis hat die Auffassung vertreten, der Kläger erfülle diese Tarifmerkmale insbesondere nicht, weil er nicht mindestens zur Hälfte entsprechende Tätigkeiten ausübe.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision des beklagten Landkreises zurückgewiesen und einen Anspruch auf ein Entgelt nach der EG S 14 TVöD-BT-V bejaht. Die Tätigkeit des Klägers als Bezirkssozialarbeiter bildet einen auf ein einheitliches Arbeitsergebnis gerichteten großen Arbeitsvorgang, der das Tätigkeitsmerkmal der EG S 14 TVöD-BT-V erfüllt. Dabei ist es ausreichend, wenn Entscheidungen zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung in Zusammenarbeit mit den Gerichten in rechtserheblichem Ausmaß anfallen. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sie mindestens die Hälfte der Arbeitszeit des einheitlichen Arbeitsvorgangs ausmachen. Ausreichend ist es jedenfalls, wie hier, dass ein sinnvolles Arbeitsergebnis ohne das Erfüllen des tariflichen Merkmals nicht erzielt werden kann.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16865&pos=1&anz=49&titel=Eingruppierung_eines/r_Bezirkssozialarbeiter/in

IX.
Schwerbehindertenvertretung ist zu beteiligen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.08.2013, Az.  8 AZR 574/12

Volltext PE: 
Bei der Entscheidung über die Bewerbung auch von schwerbehinderten Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung selbst dann zu beteiligen, wenn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten ebenfalls zu den Bewerbern gehört.

Die Parteien streiten um eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), weil sich der Kläger als schwerbehinderter Mensch bei der Entscheidung über seine Bewerbung diskriminiert sieht. Bei der Beklagten, einer Spielbank, waren zwei Beförderungsstellen als „Tischchef“ ausgeschrieben. Darauf bewarben sich auch der bei der Beklagten gewählte Schwerbehindertenvertreter und der Kläger, der stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung ist. Die Beklagte teilte dem Schwerbehindertenvertreter mit, dass sie wegen der aus ihrer Sicht bestehenden Interessenkollision weder ihn noch den Kläger als seinen Stellvertreter an der Auswahlentscheidung beteiligen werde. Sie entschied sich schließlich für zwei andere Kandidaten. Bei der Auswahlentscheidung sieht sich der Kläger als schwerbehinderter Mensch diskriminiert, worauf die unterlassene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hinweise.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hat vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Bei der Entscheidung über die Bewerbung des Klägers hätte die Schwerbehindertenvertretung nach § 81 SGB IX beteiligt werden müssen. Dem stand nicht entgegen, dass sich die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen selbst und der Stellvertreter auf eine der zu besetzenden Stellen beworben hatten. Einen möglichen Interessenkonflikt zwischen Bewerbern hätte der Kläger verhindern können, indem er nach § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX die Beteiligung des Schwerbehindertenvertreters als seines direkten Konkurrenten um die zu besetzende Stelle ausdrücklich hätte ablehnen können. Dagegen oblag es nicht dem Arbeitgeber, von der gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung Abstand zu nehmen.

Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird zu klären haben, ob die Verletzung der Pflichten zur Förderung schwerbehinderter Menschen nach dem Sozialgesetzbuch IX vorliegend eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung indiziert und ob ggf. die Beklagte ihre Vorgehensweise so zu rechtfertigen vermag, dass ein Entschädigungsanspruch des Klägers nach AGG ausscheidet.
Siehe:
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2013&nr=16867&pos=0&anz=50&titel=Beteiligung_der_Schwerbehindertenvertretung_-_Interessenkollision

X.
Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung von Arbeitsentgeltzahlungen wegen inkongruenter Deckung bei Zahlung über Dritte
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.05.2013, Az. 10 Sa 1042/12

1. Grundsätzlich kann die Inkongruenz dadurch begründet werden, dass die Befriedigung aus dem Vermögen eines Dritten erfolgt.

2. Die Anfechtbarkeit wegen einer nicht in der Art zu beanspruchenden Befriedigung ist jedoch ausgeschlossen, sofern die Abweichung nur geringfügig oder verkehrsüblich ist.

3. Die Prüfung ist insbesondere daran auszurichten, ob die tatsächlich Deckung im Hinblick auf die Gläubigerbefriedigung als gleichwertig mit der geschuldeten anzusehen ist.
Siehe:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=KARE600041342&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint

XI.
Zahlungsklagen - Sonderprämie
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 01.07.2013, Az. 13 Sa 1037/12

1. Die Sprengung einer Bombe ist keine sonderprämienauslösende Entschärfung im Sinne des § 11 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitsbedingungen der im Kampfmittelbeseitigungsdienst beschäftigten Arbeitnehmer des Landes Niedersachsen vom 05.03.1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 13.12.1999, in der Fassung des des Euro-TV vom 30.10.2001 (TV-Mun-Nds).
2. Die Protokollnotiz zu § 11 Abs. 1 TV-Mun-Nds stellt Bomben mit Langzeitzündern entsprechende Seemunition nur hinsichtlich der Entschärfung, nicht auch hinsichtlich des ebenfalls sonderprämienauslösenden Transports gleich.
Siehe:
http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=JURE130013762&st=null&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint

XII.
Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung eines frei bestellten Personalratsmitglieds; Leistungsbezogene Verkürzung des Stufenaufstiegs
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 5.8.2013, Az. 1 Sa 33/12

Die fiktive Nachzeichnung der üblichen beruflichen Entwicklung eines frei gestellten Personalratsmitglieds erstreckt sich nicht auf die Teilhabe am beschleunigten Stufenaufstieg nach § 17 Abs. 2 Satz 1 TVöD, wenn der Arbeitgeber die Verkürzung der Stufenlaufzeit entsprechend der Intention der Tarifvertragsparteien auf sachlich begründete Einzelfälle beschränkt.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17205&pos=0&anz=33

XIII.
Unzulässigkeit dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung; Streikbruch durch Drittunternehmen; Leistungsverweigerungsrecht
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.7.2013, Az. 4 Sa 18/13

1) Eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis deckt nicht eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung an einen Entleiher.

2) Eine Überlassung von Arbeitnehmern ist nicht mehr nur vorübergehend, wenn dadurch ein Dauerbeschäftigungsbedarf abgedeckt wird. Das Merkmal "vorübergehend" ist arbeitsplatzbezogen, nicht personenbezogen.

3) Folge der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ist die Unwirksamkeit des Überlassungsvertrags, sowie des Arbeitsvertrags nach § 9 Nr. 1 AÜG, sowie die Fiktion des Zustandekommens eines Arbeitsvertrags zwischen Arbeitnehmer und Entleiher nach § 10 Satz 1 AÜG.

4) Das Leistungsverweigerungsrecht des § 11 Abs. 5 AÜG schützt nur vor einem Einsatz beim bestreikten Entleiher, nicht vor einem Einsatz beim nicht bestreikten Verleiher.

5) Übernimmt ein Drittunternehmen (hier der Verleiher) vom bestreikten Unternehmen (hier der Entleiher) die bestreikte Produktion/Dienstleistung, kann der Arbeitnehmer des streikbrechenden Drittunternehmens die Arbeitsleistung nach den Grundsätzen, wie sie bei "direkter Streikarbeit" gelten, verweigern.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17207&pos=2&anz=33

XIV.
Kündigung wegen sexueller Belästigung; Beidseitiger Auflösungsantrag der Parteien
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.7.2013, Az. 13 Sa 141/12

1. Die sexuelle Belästigung eines Arbeitskollegen kann einen wichtigen Grund "an sich" für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darstellen. Maßgeblich sind aber die konkreten Umstände des Einzelfalls. Gegebenenfalls kann auch eine Abmahnung als Reaktion auf eine solche Pflichtwidrigkeit ausreichen, so dass sich eine Kündigung als unverhältnismäßig erweist.

2. Zur Bemessung einer Abfindung nach § 10 KSchG.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17206&pos=3&anz=33

XV.
Betriebsübergang auf einen ausländischen Erwerber
Arbeitsgericht Heilbronn Urteil vom 11.7.2013, Az. 8 Ca 7/13

1. Der Betriebsübergang auf einen ausländischen Erwerber kann zu einem Wechsel des Arbeitsvertragsstatuts führen. Deutsches Recht bleibt jedoch solange anwendbar, wie die Parteien über die Frage streiten, ob das Arbeitsverhältnis auf den ausländischen Erwerber übergegangen ist bzw. ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung im Ausland zu erbringen.

2. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 S. 1 GewO berechtigt diesen nicht, einen Arbeitnehmer ins Ausland zu versetzen. Geht der Betrieb gemäß § 613a BGB auf einen ausländischen Erwerber über, bedarf es insoweit einer vertraglichen Vereinbarung bzw. einer Änderungskündigung denn das Arbeitsverhältnis geht mit seinem bisherigen Inhalt auf den neuen Inhaber über.
Siehe:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Arbeitsgerichte&Art=en&Datum=2013&nr=17208&pos=4&anz=33

XVI.
Neu eingestellte Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein

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Einstelldatum
Aktenzeichen
Gericht
Schlagworte
Datei
16.08.2013
4 Sa 62/13
LAG Schleswig-Holstein
Entschädigung, Schadensersatz, Diskriminierung, Behinderung, Klageerhebung, Frist, Ausschlussfrist
U_4Sa62-13_30-05-2013.pdf
(144,4 KB)
15.08.2013
1 Ta 109/13
LAG Schleswig-Holstein
Prozesskostenhilfe, Beiordnung eines Rechtsanwalts, Versagung, Erforderlichkeit, einfach gelagerter Fall, sofortige Beschwerde, Einlegung, Berechtigung, Antragsschrift, Auslegung
N_1Ta109-13_09-07-2013.pdf
(87,5 KB)

XVII.
Handelsvertreter
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.07.2013, Az. VII ZB 45/12

a)Ein selbständiger Handelsvertreter, dem verboten ist, für Konkurrenzunternehmer tätig zu sein, und der eine anderweitige Tätigkeit frühestens 21 Tage nach Eingang seiner Anzeige und Vorlage von Unterlagen über diese Tätigkeit aufnehmen darf, ist kein Einfirmenvertreter kraft Vertrags im Sinne des § 92a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HGB.

b)Für Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis ist daher der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
Siehe:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=65040&pos=8&anz=592

Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr

Michael Henn
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Arbeitsrecht/
Fachanwalt für Erbrecht
VDAA - Präsident

VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Theodor-Heuss-Str. 11
70174 Stuttgart
Tel.: 0711 – 3058 9320
Fax: 0711 -  3058 9311
Email: info@vdaa.de
www.vdaa.de
 
 
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