10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
steuerliche Behandlung der Rückabwicklung einer Beteiligung am geschlossenen Immobilienfonds
BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. II ZR 259/11
Bei der Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds sind Erstattungsbeträge, die Werbungskosten ersetzen, im Jahr ihres Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden sind. Das gilt auch für die aus den Anschaffungskosten hergeleiteten Absetzungen für Abnutzung (AfA).
II.
Haftung der Gesellschafter einer GbR für Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft
BGH, Urteil vom 27.11.2012, Az. XI ZR 144/11
BGB §§ 133 C, 157 F, 488, 705, BGB §§ 133 C, 157 F, 488, 705 HGB §§ 128, 129, HGB §§ 128, 129
Ist die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für eine Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft in dem Darlehensvertrag auf den ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Teil der Gesellschaftsschuld beschränkt worden, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob sich ihre Haftung erhöht, wenn nicht alle Gesellschaftsanteile gezeichnet werden.
III.
Leistungsort-Zeugnis
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.02.2013, Az. 10 Ta 31/13
Ein Zeugnis ist am Ende des Arbeitsverhältnisses im Betrieb abzuholen, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dieses unzumutbar machen. Wer ohne Abholversuch ein Zeugnis einklagt, hat deshalb in aller Regel die Kosten zu tragen.
IV.
nichteheliches Kind ist erbberechtigt
OLG München, Beschluss vom 21.01.2013, Az. 31 Wx 485/12
Einem vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kind bzw. dessen Abkömmlingen steht ein Erbrecht nach seinem Vater bzw. dessen Verwandten zu, wenn der Erblasser nach dem 28. Mai 2009 verstorben ist. Unerheblich ist, ob der Vater des nichtehelichen Kindes oder das nichteheliche Kind bereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben ist.
V.
Gesellschafterbeschluss
OLG Nürnberg, Urteil vom 30.01.2013, Az. 12 U 726/11
1.Zur Frage, ob die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer Personengesellschaft gemäß § 139 BGB auch die Nichtigkeit eines weiteren, in derselben Gesellschafterversammlung unter einem anderen Tagesordnungspunkt gefassten, mit dem nichtigen Beschluss sachlich zusammenhängenden weiteren Gesellschafterbeschlusses zur Folge hat.
2.Werden in der Gesellschafterversammlung unter verschiedenen Tagesordnungspunkten mehrere Beschlüsse gefasst und in der Folge von einem Gesellschafter die Nichtigkeit (nur) eines Beschlusses gerichtlich geltend gemacht, so kann ihm die spätere Berufung darauf, auch ein weiterer, sachlich hiermit zusammenhängender Gesellschafterbeschluss sei nichtig, unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung versagt sein.
3.Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft Mehrheitsentscheidungen vor, so kann auch die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 242 Abs. 3 HGB) mehrheitlich beschlossen werden (im Anschluss an BGH, 15. Januar 2007, II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 - OTTO).
4.Vereinbaren die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft vorab, zukünftig erzielte festgestellte Gewinne der Gesellschaft in bestimmter Weise zu verwenden, bedarf es zu einer derartigen Gewinnverwendung keiner gesonderten Gewinnverwendungsbeschlüsse mehr. Lediglich eine abweichende Gewinnverwendung setzt einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss voraus.
5.Ein Gewinnentnahmeanspruch des Kommanditisten besteht nicht, soweit der Gesellschaft ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Schaden droht, weil sich die Bildung von Rücklagen als erforderlich erweist, um das Unternehmen für die Zukunft lebens- und widerstandsfähig zu erhalten. Bei der erforderlichen Interessenabwägung sind die Ausschüttungsinteressen der Gesellschafter gegenüber den Bedürfnissen der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft abzuwägen.
6.Geht die Kammer für Handelssachen des Landgerichts gemäß § 114 GVG von eigener Sachkunde zur Entscheidung einer Streitfrage aus, so hat sie hierauf gemäß § 139 ZPO hinzuweisen, wenn bereits zuvor zur Klärung dieser Streitfrage eine Beweisaufnahme angeordnet worden war, die noch nicht abgeschlossen ist.
VI.
Beendigung Vertragsverhältnis mit Kreditinstituten
BGH, Urteil vom 15.01.213, Az. VI ZR 22/12
1.Eine ordentliche Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 setzt nicht voraus, dass die Bank eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen Fortbestand vornimmt.
2.Das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht enthält keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung sämtlicher Vertragspartner (hier bei der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts). Die mittelbare Geltung des Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis einzelner Privatrechtssubjekte zueinander setzt ein soziales Machtverhältnis voraus. Dieses Machtverhältnis ergibt sich nicht allein aus der kreditwirtschaftlichen Betätigung einer privaten Bank.
VII.
Anspruch des Kunden auf Fortsetzung eines Internetserviceprovidervertrages nach Umzug zu gleichen Bedingungen
AG Kehl, Urteil vom 04.02.2013, Az. 5 C 441/12
Der Anbieter eines Telefonanschlusses mit Internetzugang war auch vor Geltung des seit dem 10. Mai 2012 geltenden § 46 Abs. 8 TKG grundsätzlich verpflichtet, den Telefonanschluss mit Internetzugang nach Umzug des Kunden zu den selben Bedingungen zur Verfügung zu stellen, wenn Anbieter diese Leistung grundsätzlich auch an der neuen Wohnung anbietet.
VIII.
Ausfall des Internetzugangs
BGH, Urteil vom 24.01.2013, Az. III ZR 98/12
Es kann einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen, wenn dem Inhaber eines DSL-Anschlusses die Möglichkeit genommen wird, seinen Zugang zum Internet zu nutzen, ohne dass ihm hierdurch Mehraufwendungen entstanden oder Einnahmen entgangen sind.
IX.
Provisionsanspruch eines Versicherungsvertreters: Verhältnis zwischen Haupt- und Untervertreter; Maßnahmen des Versicherungsunternehmens (Hauptvertreters) zur Stornogefahrabwehr
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 10.01.2013, Az. 5 U 54/11
1.Gem. § 84 Abs. 3 HGB sind auch mehrstufige Handelsvertreterverhältnisse möglich. Für das Verhältnis zwischen einem Untervertreter und einem Hauptvertreter gilt nichts anderes als für das zwischen einem Hauptvertreter und seinem Auftraggeber.
2.Der Provisionsanspruch des Untervertreters entfällt, wenn feststeht, dass entweder der Endabnehmer nicht an den Unternehmer zahlt oder der Unternehmer, mag er auch seinerseits Zahlung vom Kunden erlangt haben, den Provisionsanspruch des Hauptvertreters nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1984, I ZR 62/82, BGHZ 91, 370).
3.Liegt ein Saldoanerkenntnis des Handelsvertreters vor, ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87 c Abs. 2 HGB ausgeschlossen.
4.Vom Versicherungsunternehmen ist die Nichtausführung (Stornierung) eines Vertrages schon dann nicht zu vertreten (§ 87 a Abs. 3 S. 2 HBG), wenn es notleidende Verträge in dem gebotenen Umfang "nachbearbeitet" hat. Dass er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat, muss der Unternehmer beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1989, I ZR 121/87, BB 1989, 1077).
5.Im Verhältnis von Haupt- und Untervertreter kommt es nach § 87 a Abs. 3 HGB darauf an, ob der Hauptvertreter die Umstände, auf denen die Nichtsausführung beruht, zu vertreten hat (vgl. OLG Köln, Urteil vom 9. September 2005, 19 U 174/04, VersR 2006, 71).
6.Seiner Pflicht zur Stornoabwehgefahr ist der Versicherer in ausreichendem Maß nachgekommen, wenn er durch rechtzeitige Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter diesen in die Lage versetzt, seinerseits Stornogefahrabwehrmaßnahmen zu ergreifen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2010, VIII ZR 310/09, NJW 2011, 1590).
X.
Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers - Wirksamkeit des Tarifvertrages - Vertrauensschutz
ArbG Stuttgart, Urteil vom 23.01.2013, Az. 11 Ca 654/11
1.Der Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher über die wesentlichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers nach § 13 AÜG ist bereits dann gegeben, wenn begründete Zweifel an der Wirksamkeit von Bestimmungen eines Tarifvertrages zur Arbeitnehmerüberlassung bestehen. Bereits dann kann sich der Entleiher auf die Ausnahmebestimmung des § 13 Hs. 2 AÜG nicht berufen. Zweifel an der Wirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge sind aufgrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Tariffähigkeit der CGZP gegeben (BAG 14.12.2012 - 1 ABR 19/10 -, 22.05.2012 - 1 ABR 27/12 -, 23.05.2012 - 1 ABR 67/11 -, - 1 AZB 58/11-).
2.Der auskunftsverpflichtete Entleiher kann sich gegenüber dem Leiharbeitnehmer nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in die Wirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge berufen, um den Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG abzuwehren. Denn auf Abschluss und Änderung des Arbeitsvertrages, der den Tarifvertrag in Bezug nimmt, hat er regelmäßig keinen Einfluss.
Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.
Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Vizepräsident der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
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