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Ein Arbeitnehmer verliert nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den er wegen Krankheit nicht ausüben konnte

- Europäischer Gerichtshof (EuGH) leitet Paradigmenwechsel im Urlaubsrecht ein -
von Rechtsanwalt Fenimore Frhr. v. Bredow, Köln


Eine für den Bereich des Urlaubsrechts grundlegende Änderung ist durch eine aktuelle Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20.01.2009 (C-350/06) eingeleitet worden.

Bislang galt im deutschen Arbeitsrecht der Grundsatz, dass der Urlaubsanspruch einen Anspruch auf Urlaub zur Erholung von der Arbeit darstellt. Der deutsche Gesetzgeber grenzte die im Arbeitsalltag fremdbestimmte Arbeitzeit streng vom Urlaub als eine vom Arbeitnehmer selbst bestimmten Erholungszeit ab. Eine Kommerzialisierung des Urlaubsanspruchs („Geld statt Urlaub“) lehnte er grundsätzlich ab. Diese Sichtweise mag als idealistisch gelten, diente aber auch dem Schutz des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit. Dieser Grundsatz wird durch die neue Entscheidung des EuGH erstmals in Frage gestellt.

Der Gesetzgeber hatte den Urlaubsanspruch im Bundesurlaubsgesetz vom 08.01.1963 prinzipiell an das laufende Kalenderjahr gekoppelt, in Ausnahmefällen war eine Übertragung des Urlaubsanspruchs des laufenden Kalenderjahres auf den Zeitraum der ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres möglich, etwa aus dringenden betrieblichen Gründen oder persönliche Gründe des Arbeitnehmers. War der Urlaub dann immer noch nicht genommen worden, verfiel der „alte“ Anspruch - vorbehaltlich einer anders lautenden tarifvertraglichen Regelung - ersatzlos (§ 7 Abs. 3 BUrlG).

Einer Umwandlung des Erholungsurlaubsanspruchs in eine Geldzahlung während des weiterhin fortbestehenden Arbeitverhältnis schob das Bundesarbeitsgericht immer wieder, so auch in einer Entscheidung vom 14.03.2006, einen klaren Riegel vor: Die Zahlung von Geld anstelle des Erholungsurlaubs sei keine Erfüllung des eigentlichen Urlaubsanspruchs, dieser könne vom Arbeitnehmer weiterhin eingefordert und eine bereits bezahlte Abgeltung vom Arbeitgeber nicht zurück gefordert werden (vgl. BAG, Urt. v. 14.03.2006 - 9 AZR 312/05 - NZA 06, 1232). Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs war bislang immer nur dann möglich, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und noch Anspruch auf Erholungsurlaub bestand (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

Dieser Grundsatz gilt nun nach der neuesten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Urlaubsrecht nicht mehr. Der EuGH hatte aufgrund mehrerer Vorlagen, u.a. des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, den in Art. 7 der Gemeinschaftsrichtlinie über die Arbeitszeit (Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszulegen. In einem der der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf über die finanzielle Abgeltung für einen Arbeitnehmer zu entscheiden, der seinen bezahlten Jahresurlaub wegen einer Arbeitsunfähigkeit, die zu seiner Verrentung führte, nicht ausüben konnte. Dies war nach bundesdeutschem Recht bislang nicht möglich.

Der Europäische Gerichtshof hat nunmehr festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten zwar eigenständig die Modalitäten und Grenzen der Übertragung von Jahresurlaub regeln könnten. Vorliegend sei jedoch dem Arbeitnehmer jede Möglichkeit genommen, in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs zu kommen. Gleiches gilt nach Auffassung des EuGH, wenn der Arbeitnehmer das ganze Kalenderjahr und auch den Übertragungszeitraum hindurch arbeitsunfähig erkrankt ist - dies betraf den anderen der der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren. In beiden Fällen können Arbeitnehmer zukünftig Urlaubsabgeltung vom Arbeitgeber einfordern, obwohl das Arbeitsverhältnis weiter fort besteht.

Dies hat für die Praxis gravierende Konsequenzen: Fälle, in denen Arbeitnehmer an Langzeiterkrankungen leiden, werde Arbeitgeber jetzt teurer zu stehen kommen. Bislang war der Arbeitgeber in solchen Fällen - abgesehen vom Entgeltfortzahlungszeitraum - mit keinen nennenswerten Kosten belastet. Dauerte die Erkrankung längere Zeit an, wartete er bei Langzeitbeschäftigten in der Regel rd. 3 Jahre ab, um anschließend eine personenbedingte Kündigung wegen Langzeiterkrankung auszusprechen. Nach der Rechtsprechung des BAG gibt es zwar keine festen Maßstäbe dafür, welche Krankheitszeiten die für eine krankheitsbedingte Kündigung erforderliche negative Zukunftsprognose ermöglichen. Allerdings lagen die Krankheitszeiten in den vom BAG entschiedenen Fällen regelmäßig in dem Bereich zwischen 18 und 36 Monaten.

Zukünftig müssen Arbeitgeber in diesen Fällen damit rechnen, den Jahresurlaubsanspruch langzeiterkrankter Mitarbeiter teuer abgelten zu müssen. Angesichts dieser in Aussicht stehenden finanziellen Mehrbelastung für Arbeitgeber wird sich die nach der Rechtsprechung zur Begründung der negativen Zukunftsprognose erforderliche Dauer der Krankheitszeit erheblich verkürzen müssen, da Arbeitgeber anderenfalls über Gebühr mit Mehrkosten belastet würden.

Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.

Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung

Fenimore Frhr. v. Bredow
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