Kurzbewertung zum BSG-Vorlagebeschluss
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
Mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen:
1. Kurzbewertung zum BSG-Vorlagebeschluss
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I. Das BSG hat in Bezug auf die Kinderregeleistungen am 27.01. 09 einen Vorlagebeschluss vors Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemacht. Dabei hat das BSG keine grundsätzlichen Zweifel an der Höhe der Regelleistung angemeldet, vielmehr sei lediglich die prozentuale Ableitung aus dem Eckregelsatz nicht ausreichend begründet und somit verfassungswidrig. In der Substanz ist die BSG Entscheidung windelweich und lediglich ein Zuschieben des schwarzen Peters an das BVerfG. Wichtig ist aber ein weiterer Überprüfungsgrund: das BSG moniert, dass in den SGB II - Regelleistungen keine abweichende Bedarfsfestsetzung möglich ist, während dies im SGB XII möglich ist und hier sieht das BSG einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2009&nr=10754 [Ziff. b)]). Dieser Punkt könnte in Zukunft noch einige Sprengkraft entwickeln, z.B. Barbetragsregelung im SGB XII und jetzt keine Anrechnung mehr von gestellter Verpflegung außerhalb von Arbeitsverhältnissen im SGB II, Erwerbstätigenfreibeträge SGB II/SGB XII ….
Einige Organisationen rufen jetzt zu Widersprüchen und Überprüfungsanträgen hinsichtlich der Kinderregelleistungen auf. Diesem Aufruf kann ich (und auch der Verein Tacheles) nicht folgen: Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich das das BVerfG die Kinderregelleistungen rückwirkend angehen wird. Es wird vermutlich feststellen, dass die Ermittlungsmethode nicht korrekt war und dem Gesetzgeber eine andere Ermittlungsmethode verordnen und vielleicht/warscheinlich auch die Höhe zu ändern hat, da der wachstums- und entwicklungsbedingte Bedarf nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Eine rückwirkende Änderung würde heißen, die politische Strategie über zu geringe Kinderregelleistungen die Eltern von Hartz IV-Kindern weiter in den Niedriglohn zu pressen vollends anzugreifen. Das ist vom BVerfG nicht zu erwarten.
Daher werden Betroffene umsonst mobilisiert, leider oft dann auch mit Widersprüchen und Klagen alleine gelassen und sind hinterher frustriert, da das nichts gebracht hat. Sollte es sich abzeichnen, dass das BVerfG sich anders positioniert, ist es bis ein Tag vor der Entscheidung noch möglich einen § 44 SGB X „Überprüfungsantrag“ zu stellen. Würde dieser bis Ende 2009 noch gestellt, reicht er bis Anfang 2005 (also Beginn SGB II) zurück (§ 44 abs. 4 S. 1 SGB X). Die Betroffenen würden somit materiell keinen Verlust erleiden. Aktuell gibt es keinerlei Anzeichen, die auch nur im Entferntesten darauf schließen lassen, dass das BVerfG rückwirkend entscheiden könnte. Sollte sich da etwas abzeichnen, wird dies selbstverständlich umgehend bekannt gemacht werden.
II. Ich möchte auch mal den Erfolg herausstellen, den die Erwerbslosengruppen und später mit Unterstützung der Wohlfahrtsverbände hier erzielt haben, unser Vorwurf Manipulation der Regelleistung und die Forderung der Erhöhung der RL ist zum Teil Rechnung getragen worden. Zum 1.7. erhöht der Gesetzgeber freiwillig die RL für die ab 7-jährigen um 10 %, also 35 EUR. Das ist Ergebnis der Kampagnen die von der Erwerbslosenbewegung ausgegangen ist, das ist unser Erfolg und macht sehr wohl klar, wenn wir gemeinsam und zielgerichtet arbeiten wir dann auch was erreichen können!
Nächster Schritt sollte sein, die Regelleistungsmanipulation offen zu legen, die systematische Bedarfsunterdeckung transparent zu machen, die Ausgrenzung bei der Schule, die Forderung Schulmaterial auch für Kinder oberhalb der 1o. Klasse und Nichtanrechnung des Kindergeldes und die Verfassungswidrigkeit von 100 % - Sanktionen, um mal zukünftige Projekte zu nennen.
Es sollte klargestellt werden, es gibt nicht nur das Recht Kinder nicht aus der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sondern genauso gut gibt es kein Recht Erwachsenen die Menschwürde abzuerkennen und ihnen die gesellschaftliche Teilhabe zu verunmöglichen. Hier sollte unser Fokus in Zukunft hingehen.
2. Hessischer Vorlagebeschluss jetzt öffentlich
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Der Vorlagebeschluss des hessischen LSG vom 29.10.2008 zum Bundesverfassungsgericht ist jetzt online, er ist hier zu finden:
http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=85628&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Ich halte diesen Beschluss für absolut brisant und kann nur jedem empfehlen sich damit tiefer zu beschäftigen.
Tacheles wird dazu demnächst begleitendes Material veröffentlichen.
3. Krankenhausverpflegung
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Ich habe den Eindruck das es noch nicht bei allen angekommen ist, die Krankenhausverpflegung und jedwede Verpflegung die ein SGB II – Bezieher außerhalb von Arbeitverhältnisse erhält ist rückwirkend ab 1.1.08 (!) nicht mehr anrechenbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 11 ALG II – Vo i.V.m. Artikel 2, 2. S. ALG II-Vo). Das bedeutet: in 2009 darf deswegen nichts mehr gekürzt werden und auch alle Kürzungen und Rückforderungen aus 2008 sind zu korrigieren. Auch das ist ein positives Ergebnis der Intervention der Erwerbslosenbewegung und Verbände um die Krankenhausverpflegung.
4. Seminare von mir / Plätze frei & neue Seminare
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I. Bei meiner „Aufrechnungs- und Kürzungsfortbildung“ am 16./17. Feb. 2009 in Wuppertal sind noch ein paar Plätze frei. Die Fortbildung ist klasse für alle diejenigen, die sich der Entrechtung und Leistungskürzungen im SGB II entgegenstemmen wollen und die Spaß haben an fundierter und guter Arbeit. Ich biete diese Fortbildung in der nächsten Zeit auch noch in Dresden, Frankfurt und noch mal in Wuppertal an.
II. Erstmalig biete ich am 25./26./27. März in Wuppertal ein dreitätiges Grundlagen und Bescheidprüfungsseminar an. Hier will werde ich neben den Basicvermittlungen des SGB II noch den Komplex Berechnung, Bescheidprüfung und Rausfiltern woran Berechnungsfehler erkennbar sind integrieren. Ich denke es wird spannend.
Mehr hier: http://www.harald-thome.de/media/files/Gesetzestexte%20SGB%20II%20+%20VO/Gesetzestexte%20SGB%20XII%20+%20VO/Seminare/Ankuende_Grundl_Bescheidpuefung_Wpt_Maerz_09.pdf
III: Ferner biete ich ein neues Seminar an „Einführung ins Sozialverwaltungsrecht - Sozialgesetzbuch I/X in der Anwendung auf das SGB II“. Diese biete ich am 25./26. Mai in Berlin und am 17./18. Juni in Wuppertal an. Eine solche Fortbildung wurde immer wieder von mir gewünscht, insbesondere von Teilnehmern, die meine Seminare schon mal besucht haben. Diese Fortbildung wird gewiss nicht langweilig, da ich auf die mir eigene und lebendige Art die einzelnen Paragraphen erklären werde, deren Nutzbarkeit für die Praxis und die Zusammenhänge. Mehr unter: http://www.harald-thome.de/tagesseminare_2009.html
5. Grundlagenseminar zum SGB XII am 09./10. März + 27./28. April 2009
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Frank Jäger, Tachelesmitstreiter und Mitautor vom Leitfaden bietet nun ein Grundlagenseminare zum SGB XII an. In diesem wird ein grundlegender und systematischer Überblick über das SGB XII gegeben. Einzelheiten bitte der Ausschreibung entnehmen. Die Seminare finden in Wuppertal statt, an beiden Terminen sind noch Plätze frei und ich kann die Fortbildung nur empfehlen. Mehr und Hintergrund hier: http://www.frank-jaeger.info/news/grundlagenseminar-sgb-xii-1
Ferner gibt der Kollege ein hervorragendes Energiekostenseminar. Dort gibt er einen Überblick, wie mit Energieversorgern umzugehen ist und unter welchen Vorraussetzungen Energierückstände und –schulden behördlicherseits zu übernehmen sind. Diese Fortbildung bietet er als Inhousefortbildung bundesweit an. Mehr ist hier zu finden: http://www.frank-jaeger.info/news/ubernahme-von-energieforderungen-und
6. Rechtssprechungsinfo BSG Entscheidungen 2008
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Der Kollege Bernd Eckhardt vom Nürnberger Arbeitslosenzentrum hat eine hervorragende Zusammenstellung der BSG Rechtsprechung aus 2008 gemacht, die ich meinen Rundbrieflesern nicht vorenthalten möchte: http://www.harald-thome.de/media/files/Dies%20und%20das/Rechtsprechung_SGB_II_Info_01.pdf
7. Tacheles sucht Beratungsnachwuchs
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Der Verein Tacheles sucht Menschen die dauerhaft(ter) in die sozialrechtliche Beratung in Wuppertal mit einsteigen möchten. Für die Arbeit kann vereinsseitig kein Geld gezahlt werden, aber Einbindung ins Team, dauerhaft das Erlernen von fundierten Kenntnissen im SGB II/SGB XII und Sozialverwaltungsrecht, sowie ein selten in der Klarheit und Schärfe erhältlicher Einblick in bundesdeutsche Realitäten. Wünschenswert wären entsprechende berufliche (Vor)kenntnisse oder zumindest die Bereitschaft und Fähigkeit sich entsprechende Kenntnisse anzueignen. Sowie jemand der sich parteilich auf die Seite der sozial Ausgegrenzten stellt. Geeignet wären gerne auch Pensionäre (Richter, Ra's, alte Sozialamtsleiter ....) Natürlich sollte derjenige aus dem Raum Wuppertal kommen, denn nur so lässt sich das ganze tragfähig organisieren. Bei Interesse bitte mich kontaktieren.
So, das war es für heute.
Mit besten und kollegialen Grüßen
Harald Thomé
Fachreferent für Arbeitslosen- und Sozialrecht
Rudolfstr. 125
42285 Wuppertal
www.harald-thome.de
info@harald-thome.de
» http://www.harald-thome.de
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