Aus für die begleitend-heilende Misteltherapie
Begleitend zur schulmedizinischen Krebsbehandlung dürfen Ärzte zulasten der gesetzlichen Krankenkassen in wenigen Tagen keine Mistelpräparate mehr verordnen. Wie aus den am Mittwoch, 14. September 2011, veröffentlichten schriftlichen Entscheidungsgründen zu einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 11. Mai 2011 hervorgeht, gilt dies auch für homöopathische und anthroposophische Mistel-Präparate (Az.: B 6 KA 25/10 R).
Nachdem der generelle Ausschluss rezeptfreier Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung auf scharfe Kritik gestoßen war, gibt es seit 2004 eine Ausnahmeliste mit Medikamenten, die bei schwerwiegenden Erkrankungen als Standardtherapie gelten. Diese Medikamente werden von den Kassen wieder bezahlt. Nach den gesetzlichen Vorgaben soll der vorrangig von Ärzten und Krankenkassen besetzte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), über diese Liste entscheiden. Für Krebspatienten sieht die Liste Mistelpräparate nur zur „palliativen Therapie“ vor, um das Leiden sterbender Krebspatienten zu lindern.
Wegen der gesetzlichen Sonderstellung ihrer Therapierichtungen sahen sich homöopathische und insbesondere anthroposophische Ärzte davon nicht betroffen und verordneten ihre Mistelpräparate weiterhin auch neben einer auf Heilung ausgerichteten „kurativ-adjuvanten“ Therapie. Mit einer Klarstellung wollte der GBA dies verhindern. Das Bundesgesundheitsministerium hatte dies aber beanstandet, so dass die Einschränkung bislang keinen Eingang in die Arzneimittelrichtlinie gefunden hat.
Mit Urteil vom 11. Mai 2011 hatte das BSG diese Beanstandung als unzulässig verworfen. Der GBA unterliege nur einer rechtlichen, nicht aber einer fachlichen Aufsicht durch das Ministerium. Dies habe daher seine Kompetenzen überschritten. Der GBA dürfe die Verordnung bestimmter Medikamente für alle Therapierichtungen verbindlich auf bestimmte Ziele beschränken.
Nach der vorläufigen mündlichen Urteilsbegründung blieben die Konsequenzen dieses Urteils umstritten: Nach Überzeugung des GBA bedeutete es das sofortige Aus für die heilende (kurative) Misteltherapie. Anhänger der Anthroposophie meinten dagegen, das Urteil gebe dem GBA lediglich grünes Licht, die Einschränkung nun in die Richtlinie einzufügen. Solange dies nicht geschehe, sei eine Verordnung weiter möglich.
Nach den schriftlichen Urteilsgründen des BSG war aber das sofortige Aus gemeint. Allerdings trugen die obersten Sozialrichter der allgemeinen Unsicherheit Rechnung und gewährten Vertrauensschutz bis zu dem Tag, an dem die Urteilsgründe „in einer allgemein zugänglichen Fachzeitschrift“ veröffentlicht werden. Für eine letzte Verordnung zulasten der gesetzlichen Kassen haben Ärzte demnach nur noch wenige Tage Zeit. Der genaue Termin hängt von den juristischen Fachverlagen ab. Anschließend müssen betroffene Patienten die Mistelpräparate selbst bezahlen.
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder, Ludwigsburg
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