LAG Mainz: Arzt behält Job trotz privater Telefonate während OP
Ein Arzt, der regelmäßig Operationen unterbricht, um private Telefongespräche zu führen, verstößt schwer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten und muss auch ohne vorherige Abmahnung mit einer Kündigung rechnen. Doch nicht immer ist eine Kündigung gerechtfertigt, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz mit einem am Mittwoch, 06.07.2011, in Mainz veröffentlichten Urteil entschied (AZ: 3 Sa 474/09).
Im Streitfall rettete das LAG einem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Rheinland-Pfalz den Job. Der heute 51-Jährige Chirurg ist verheiratet und hat zwei Kinder von acht und 13 Jahren. Laut Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2005 war er ordentlich nicht mehr kündbar.
2008 erfuhr die Krankenhausleitung, dass der Arzt unter anderem mit seiner Frau private Handy-Gespräche führte, während Patienten in Narkose und teils mit offener Operationswunde auf dem OP-Tisch lagen. Nach Zeugenaussagen geschah dies mehrmals täglich für jeweils mehrere Minuten. Das Krankenhaus kündigte.
Auf die Klage des Chirurgen hob das LAG die Kündigung mit Urteil vom 22.02.2011 auf: Eine ordentliche Kündigung sei vertraglich ausgeschlossen, eine fristlose Kündigung aber im konkreten Fall überzogen.
Allerdings habe der Arzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten grob verletzt, befanden die Mainzer Richter. Einem Chirurgen könne es „nur ausnahmsweise erlaubt sein“ sein privates Handy während einer Operation überhaupt betriebsbereit zu halten. Kein Patient müsse eine längere Dauer von Narkose und OP hinnehmen, als medizinisch notwendig. Auch aus hygienischen Gründen seien die Unterbrechungen bedenklich. Aus dem OP-Team sei zudem glaubhaft erklärt worden, die Anrufe hätten Arbeitsablauf und Konzentration erheblich gestört.
Dennoch überwiege im konkreten Fall „gerade noch“ das Interesse des Chirurgen an seinem Arbeitsplatz gegenüber dem „Beendigungsinteresse“ der Klinik, urteilte das LAG. Zu konkreten Schäden für einzelne Patienten sei es nicht gekommen. Während der OP-Konferenzen sei der Chirurg nie auf seine Privattelefonate angesprochen worden. Für den Arzt spreche auch seine „soziale Schutzbedürftigkeit“, so das LAG weiter. Er sei seiner Familie unterhaltspflichtig, hätte aber angesichts seines Alters und nach einer fristlosen Kündigung kaum Aussicht auf eine neue Stelle.
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder, Ludwigsburg
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