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10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart



I.
Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
BGH, Urteil vom 07.04.2011, Az. IX ZR 118/10

Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen ist als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle anfechtbar (Bestätigung von BGH, 5. November 2009, IX ZR 233/08, BGHZ 183, 86; ständige Rechtsprechung).

II.
Entziehung der Fahrerlaubnis, Konsum harter Drogen
VG Bremen, Beschluss vom 20.05.2011, Az. 5 V 131/11

1.Zu den Anforderungen an die Tatsachen, die nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 FeV die Annahme des Konsums von Betäubungsmitteln begründen.
2.Bereits ein positiver Drogenschnelltest auf Kokain kann den dringenden Verdacht auf den Konsum dieser Droge begründen. Das gilt auch dann, wenn die später erfolgte Blutuntersuchung diesen Befund nicht bestätigt, da die Abbaugeschwindigkeiten im Blut und Urin unterschiedlich ausfallen.
3.Mit Blick auf das erhebliche Suchtpotenzial reicht schon ein einmaliger Konsum harter Drogen ohne Bezug zum Straßenverkehr aus, um die Fahreignung zu verneinen.

III.
Versicherungsschein einer fondsgebundenen Lebensversicherung
OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2011, Az. 7 U 144/10

Die in einem Versicherungsschein zu einer fondsgebundenen Lebensversicherung ohne Vorbehalt angeführten periodischen Zahlungen sind in der dort angegebenen Weise (Höhe und Dauer) zu leisten. Sie können nicht eingeschränkt werden durch AVB, die eine Abhängigkeit der Zahlungen von einer nur vage beschriebenen Wert- oder Renditeentwicklung vorsehen.

Ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf die künftige Erfüllung des Vertrages kann auch dann festgestellt werden, wenn die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag sicherungshalber abgetreten sind.

IV.
Begrenzung der Zahl der Teilzeitansprüche in der Elternzeit
Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 18.05.2011, Az. 5 Sa 93/10

1.Ein Anspruch auf Teilzeit in der Elternzeit kann gemäß § 15 Abs. 6 BEEG nur zweifach durchgesetzt werden, hierbei zählen vorherige einvernehmlich gefundene Teilzeitregelungen mit.
2.Eine Verringerung der Arbeitszeit liegt auch vor, wenn das erneute Teilzeitverlangen gegenüber der vorherigen Regelung vom Umfang her gleich bleibt oder gar mehr Stunden betrifft, da auf die reguläre Arbeitszeit vor der Elternzeit abzustellen ist.
3.Verschiedene Teilzeitverlangen zählen jede für sich auch dann, wenn sie in einem einheitlichen Antrag gestellt wurden.

V.
- Bereitstellung von Material an den Handelsvertreter
BGH, Urteil vom 04.05.2011, Az. VIII ZR 11/10

Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter (nur) die Unterlagen kostenlos zur Verfügung zu stellen, auf die dieser zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Dies ist für ein Softwarepaket zu bejahen, wenn zumindest einzelne Komponenten für die Tätigkeit des Handelsvertreters unverzichtbar sind, nicht aber für Werbegeschenke ("Giveaways") und andere für die Tätigkeit des Handelsvertreters bloß nützliche oder seiner Büroausstattung zuzuordnende Artikel.
VI.
Vertragliche Haftung für unbefugte Nutzung eines eBay-Mitgliedskontos
BGH, Urteil vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 289/09

a)Werden unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor, auf das die Regeln über die Stellvertretung sowie die Grundsätze der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind (im Anschluss an BGH, Urteile vom 3. März 1966 - II ZR 18/64, BGHZ 45, 193; vom 18. Januar 1988 - II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; vom 8. Dezember 2005 - III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701).
b)Ohne Vollmacht oder nachträgliche Genehmigung des Inhabers eines eBay-Mitgliedskontos unter fremdem Namen abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärungen sind dem Kontoinhaber nur unter den Voraussetzungen der Duldungs- oder der Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits aus, dass der Kontoinhaber die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff des Handelnden geschützt hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 11. März 2009 - I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 - Halzband).
c)Eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haftung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern.

VII.
Einziehung GmbH-Gesellschaftsanteile
BGH, Beschluss vom 05.04.2011, Az. II ZR 263/08

a) Fasst die Gesellschafterversammlung einer GmbH den Beschluss, einen Gesellschafter auszuschließen und seinen Geschäftsanteil einzuziehen, und ist die Einziehung wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG nichtig, so ist auch die Ausschließung nichtig.
b) Die Ausschließung ist in diesem Fall auch dann nichtig, wenn im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, dass die Ausschließung mit Zugang des Ausschließungsbeschlusses wirksam werden soll.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=56623&pos=11&anz=645

VIII.
Wer Zeiterfassungsdaten manipuliert, riskiert seinen Arbeitsplatz
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 29.03.2011, Az. 2 Sa 533/10

Eine systematische Manipulation von Zeiterfassungsdaten erweist sich als schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 29.03.2011 entschieden (2 Sa 533/10).

Im Unternehmen der Beklagten, einem Neumünsteraner Autohaus und Werkstattbetrieb, arbeiten die Monteure, so auch der Kläger, u.a. im Leistungslohn, der nach sogenannten festgelegten Arbeitswerten (AW) pro Stunde abgerechnet wird. Für diese Arbeiten müssen sich die Arbeitnehmer jeweils in ein Zeiterfassungssystem einstempeln. 12 Arbeitswerte pro Stunde entsprechen dabei 100 %. Sofern an den Auftragsarbeiten ein Auszubildender mitarbeitet, erhöht sich der AW auf 14 bzw. 16 AW je Stunde. Am 12.03.2010 wies der Werkstattleiter den 58-jährigen und seit 1978 bei der Beklagten beschäftigten Kläger an, einen Ölwechsel an einem Fahrzeug mit 9 AW, entsprechend 45 Minuten zu erledigen. Um die Verkleidung des auf der Hebebühne stehenden Autos abschrauben zu können, rief der Kläger einen Auszubildenden hinzu, der die Verkleidung während des Schraubens halten sollte. Diese Hilfestellung dauerte eine Minute. Der Kläger wies den Auszubildenden an, sich für diese kurze Zeit nicht in das Zeiterfassungssystem einzustempeln. Diesen Vorfall nahm die Beklagte zum Anlass einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg.

Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass ein systematischer Missbrauch der Zeiterfassung grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen kann. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer einen Anderen anweist, die Zeiterfassung zu manipulieren, um selbst eine höhere Vergütung zu erzielen. Das gerügte Verhalten des Klägers am 12.03.2010 ist indessen eine verhältnismäßig geringfüge Verletzung, da der Auszubildende den Kläger nur eine Minute unterstützt hat. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Kläger in der Anhörung erklärt habe, immer so zu verfahren, kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass der Kläger die Auszubildenden stets daran gehindert hat, in den Leistungslohn umzustempeln. Die Beklagte hat zudem keine präzisen Anweisungen zum Einstempeln in die verschiedenen Arbeiten erteilt.

http://www.schleswig-holstein.de/LAG/DE/Service/MedienInformationen/PI/prm611.htm

IX.
Grundstückserwerbsgeschäft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
OLG München, Beschluss vom 15.06.2011, Az. 34 Wx 158/10

Beim Erwerbsgeschäft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedarf es - von Ausnahmen abgesehen - über deren Benennung und Bezeichnung ihrer Gesellschafter in der notariellen Auflassungsverhandlung hinaus keiner Nachweise zu Existenz, Identität und ihrer Vertretung (Anschluss an BGH vom 28. April 2011, V ZB 194/10, ZIP 2011, 1003; Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 4. April 2011, 34 Wx 159/10).

X.
Streitwert bei Verstoß gegen Informationspflichten des Telemediengesetzes (TMG)
OLG Celle, Beschluss vom 14.06.2011, Az. 13 U 50/11

Der Streitwert für ein einstweiliges Verfügungsverfahren, in dem Verstöße gegen die Informationspflichten des § 5 Telemediengesetz (TMG) geltend gemacht werden, ist in der Regel mit 2.000 € zu bemessen.

Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.
Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Vizepräsident der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Michael Henn

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Fachanwalt für Erbrecht
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