Strafanklage kann fristlose Kündigung rechtfertigen
Besteht gegen einen Arbeitnehmer der Verdacht, strafbare Handlungen begangen zu haben, kann er fristlos entlassen werden. Erhebt die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage gegen den Beschäftigten, kann dies auch eine erneute Verdachtskündigung rechtfertigen, urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwochnachmittag, 15.06.2011, veröffentlichten Urteil (AZ: 2 AZR 825/09). Die fristlose Kündigung ist jedoch nur gültig, wenn diese innerhalb von zwei Wochen erfolgt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist.
Im entschiedenen Fall war der aus Hessen stammende Kläger als Hornist in einem Orchester beschäftigt. Da er das 40. Lebensjahr überschritten hatte und länger als 15 Jahre bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war, war er ordentlich nicht mehr kündbar. Im Oktober und November 2004 wurden gegen den Mann jedoch schwere Vorwürfe laut. Er habe mehrere Kinder von Kollegen sexuell missbraucht. Mehrere Beschäftigte erklärten, dass sie mit dem Musiker nicht mehr zusammenarbeiten könnten. Der Arbeitgeber hörte daraufhin den Hornisten an und sprach am 23. Dezember die fristlose Kündigung aus.
Diese war jedoch unwirksam, da für eine außerordentliche Kündigung gültige Frist von zwei Wochen ab Bekanntwerden der Vorwürfe nicht eingehalten war. Als die Arbeitgeberin im Dezember 2006 erfuhr, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Hornisten wegen Kindesmissbrauchs Anklage erhob, kündigte sie ihm erneut außerordentlich, diesmal jedoch unter Einhaltung der Zweiwochenfrist ab dem Tag, als sie von der Anklage erfuhr.
Der 2. Senat des BAG bestätigte in seinem am 27.01.2011 gefällten Urteil die Kündigung. Werde durch eine Anklageerhebung im Strafverfahren der Verdacht gegen den Arbeitnehmer erhärtet, könne dies eine erneute Kündigung begründen. Dies gelte selbst dann, wenn die Anklage nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Bei der Kündigung handele es sich dann nicht um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Denn die Anklageerhebung führe zu einem neuen, ergänzten Sachverhalt.
Damit die Verdachtskündigung wirksam ist, bedarf es immer eines „wichtigen Grundes“, so das BAG. Der Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrerer Kollegen sei „an sich“ ein solcher wichtiger Grund. Der später zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Hornist habe die Taten zwar in seiner Freizeit begangen. Der Arbeitnehmer sei aber auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Mit dem Missbrauch habe der Hornist aber das „kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet“, stellte der 2. Senat klar. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei für den Arbeitgeber daher unzumutbar.
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder, Kanzlei Blaufelder, Ludwigsburg
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