Aktuelles Arbeitsrecht
von Rechtsanwältin Dr. Andrea Benkendorff, Dresden
Deutsche Anwalts- und
Steuerberatervereinigung
für die mittelständische
Wirtschaft e. V.
I.
Ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
Kündigt der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in Kenntnis seiner Schwerbehinderteneigenschaft, ohne zuvor die nach § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einzuholen, so kann der Mitarbeiter die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung geltend machen. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 S. 4 KSchG beginnt erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung des Integrationsamtes.
Wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft nicht bekannt ist, und er aus diesem Grund die Zustimmung der Behörde auch nicht beantragt hat, muss sich der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen auf seinen Sonderkündigungsschutz berufen. Dabei reicht es nicht aus, dass er seine Schwerbehinderteneigenschaft nur dem Arbeitgeber mitteilt. Er muss innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG auch Klage erheben. Vorsicht ist aber geboten, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft des Mitarbeiters offenkundig ist, da sich der Arbeitgeber dann nicht darauf berufen kann, dass ihm die Schwerbehinderteneigenschaft nicht bekannt war. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 13.02.2008 entschieden (2 AZR 864/06).
Fazit:
Bereits bei Verdacht einer Schwerbehinderung sollte sich der Arbeitgeber vor einer Kündigung nach der Schwerbehinderteneigenschaft erkundigen, um nicht in die Falle einer unwirksamen Kündigung zu laufen.
Falls die Kündigung ohne die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt ist, obwohl der Arbeitgeber die Schwerbehinderung kannte oder kennen musste, ist der Arbeitnehmer zur Klageerhebung nicht an die Dreiwochenfrist gebunden.
II.
Grenzen des Teilzeitbeschäftigungsanspruchs während der Elternzeit
Gemäß § 15 Abs. 5 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) kann ein Arbeitnehmer mit Inanspruchnahme der Elternzeit eine Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit während der Elternzeit beantragen. Der Arbeitgeber kann dies ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG).
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 15.04.2008 (9 AZR 380/07) entschieden, dass ein Arbeitgeber den Teilzeitanspruch ablehnen darf, wenn kein Beschäftigungsbedarf besteht. Er muss weder einen betrieblich nicht verwertbaren Teilzeitarbeitsplatz schaffen noch eine Sozialauswahl unter den für die Stelle in Frage kommenden Personen vornehmen. Weiterhin ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, andere Beschäftigte nach ihrer Bereitschaft zur Arbeitszeitverkürzung zu befragen, soweit ihm kein Anhaltspunkte für eine entsprechende Bereitschaft bekannt ist.
Fazit:
Damit ist klargestellt, dass ein Arbeitgeber keine Teilzeitstelle für Mitarbeiter in der Elternzeit schaffen muss.
III.
Entgelt bei witterungsbedingten Arbeitsausfall
Nach § 615 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn die Arbeit ausfällt und der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Zur Nachleistung der Arbeit ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er in dieser Zeit anderweitig verdient oder zu verdienen vorsätzlich unterlässt oder wegen des Arbeitsausfalls an Unkosten einspart. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 9. Juli 2008 (5 AZR 810/07) entschieden.
Zwar können die Arbeitsvertragsparteien die vertraglich abbedingen und die Folgen eines witterungsbedingten Arbeitsausfalls anderweitig regeln. Hierbei darf aber nicht das unternehmerische Risiko der Entgeltzahlung vollständig auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden.
Fazit:
Ein Lösungsansatz könnte die arbeitsvertragliche Vereinbarung von flexiblen Arbeitszeiten / Arbeit auf Abruf gem. § 12 TzBfG sein.
Mit den Mitarbeitern kann trotz des diskontinuierlichen Arbeitsanfalls auch eine kontinuierliche Vergütung entsprechend der durchschnittlichen Arbeitszeit vereinbart werden, damit eine durchgehende soziale Absicherung der Arbeitnehmer gewährleistet ist.
IV.
Ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
Kündigt der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in Kenntnis seiner Schwerbehinderteneigenschaft, ohne zuvor die nach § 85 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einzuholen, so kann der Mitarbeiter die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung geltend machen. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 S. 4 KSchG beginnt erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung des Intergationsamtes.
Wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderteneigenschaft nicht bekannt ist, und er aus diesem Grund die Zustimmung der Behörde auch nicht beantragt hat, muss sich der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen auf seinen Sonderkündigungsschutz berufen. Dabei reicht es nicht aus, dass er seine Schwerbehinderteneigenschaft nur dem Arbeitgeber mitteilt. Er muss innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG auch Klage erheben. Vorsicht ist aber geboten, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft des Mitarbeiters offenkundig ist, da sich der Arbeitgeber dann nicht darauf berufen kann, dass ihm die Schwerbehinderteneigenschaft nicht bekannt war. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 13.02.2008 entschieden (2 AZR 864/06).
Fazit:
Bereits bei Verdacht einer Schwerbehinderung sollte sich der Arbeitgeber vor einer Kündigung nach der Schwerbehinderteneigenschaft erkundigen, um nicht in die Falle einer unwirksamen Kündigung zu laufen.
Falls die Kündigung ohne die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt ist, obwohl der Arbeitgeber die Schwerbehinderung kannte oder kennen musste, ist der Arbeitnehmer zur Klageerhebung nicht an die Dreiwochenfrist gebunden.
V.
“Blitzaustritt” aus dem Arbeitgeberverband
Häufig kann ein Arbeitgeber, der Mitglied im Arbeitgeberverband ist, den Inhalt neu ausgehandelter Tarifverträge aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr mittragen. Tritt der Arbeitgeber jedoch erst dann aus dem Arbeitgeberverband aus, wenn der neue Tarifvertrag schon abgeschlossen und in Kraft getreten ist, bleibt er gemäß § 3 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) trotzdem so lange an die Vorschriften des neuen Tarifvertrages gebunden, bis dieser (z. B. durch Kündigung, Zeitablauf eines befristeten Tarifvertrages o. ä.) endet. Er kann sich nach Abschluss und Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages der Tarifbindung durch Verbandsaustritt also nicht mehr entziehen.
Es bleibt dem Arbeitgeber dann lediglich die Möglichkeit eines Verbandsaustritts kurz vor Abschluss bzw. Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages, wenn sich dessen wirtschaftlich nicht tragbarer Inhalt bereits hinreichend konkret absehen lässt. Das wird regelmäßig erst dann der Fall sein, wenn der Tarifvertrag schon kurz vor dem Abschluss/Inkrafttreten steht, so dass die Zeit für einen Verbandsaustritt unter Einhaltung der satzungsmäßigen Austrittsfrist oft nicht mehr ausreicht.
Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch in seinem Urteil vom 20. Februar 2008 (4 AZR 64/07) entschieden, dass ein kurzfristiger Austritt aus dem Arbeitgeberverband auch durch eine wirksame Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Verband zulässig sein kann. Voraussetzung für einen wirksamen „Blitzaustritt“ ist jedoch im Regelfall, dass die Gewerkschaft über die kurzfristig erfolgte Beendigung der Mitgliedschaft unterrichtet wird. Nur so kann sie Inhalt und Konsequenzen des abzuschließenden Verbandstarifvertrages richtig einschätzen und ihre Möglichkeit der Gestaltung auch der Arbeitsbedingungen bei einem aus dem Verband ausgetretenen Arbeitgeber sachgerecht nutzen (z. B. durch Abschluss eines Haustarifvertrages).
Fazit:
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitgeberverband satzungsmäßig wirksam einen „Blitzaustritt“ aus dem Arbeitgeberverband, sollte die Gewerkschaft über die kurzfristige Beendigung der Mitgliedschaft unverzüglich informiert werden.
VI.
Betriebliche Übung bei Jubiläumszahlungen
Gewährt der Arbeitgeber über mehrere Jahre, mindestens 3 Jahre lang, einem bestimmten Arbeitnehmer eine Leistung (Weihnachtsgratifikation o. ä.), entsteht auch ohne eine ausdrückliche Regelung in Regelung in Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag aufgrund dieses Verhaltens des Arbeitgebers ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung in den Folgejahren aus dem Rechtsinstitut der sog. „betrieblichen Übung“. Dies kann der Arbeitgeber nur dadurch ausschließen, dass er die Leistung jedes Mal nur unter Vorbehalt (sei es durch Aushang, Rundschreiben oder Erklärung gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer vor der Auszahlung) gewährt. Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist den meisten Arbeitgebern mittlerweile bekannt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte aber nun in über einen Fall zu entscheiden, in welchem der Arbeitgeber in der Vergangenheit bei 10jährigem Betriebsjubiläum dem jeweiligen Arbeitnehmer eine Jubiläumszahlung i. H. v. 250 € gewährt hatte und allen Jubilaren jetzt nur noch 150 € zahlen wollte (BAG Urteil vom 28.5.2008, 10 AZR 274/07). Weder der Arbeitsvertrag, noch ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung enthielten eine Regelung darüber, dass den Arbeitnehmern überhaupt eine Jubiläumszahlung zustand. Ein Arbeitnehmer, der zu seinem 10jährigen Betriebsjubiläum (ebenso wie alle anderen Jubilare in diesem Jahr, d. h. ohne Verletzung des betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatzes) nur 150 € erhalten hatte, klagte den Differenzbetrag von 100 € ein und gewann. Das BAG begründete diese Entscheidung wenig nachvollziehbar damit, dass der Arbeitgeber in den letzten Jahren allen anderen Mitarbeitern mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit vorbehaltlos eine Prämie i. H. v. 250 € gewährt hätte und dadurch ein Rechtsanspruch auch des Klägers aus betrieblicher Übung in dieser Höhe entstanden sei.
Fazit:
Vorsicht ist geboten. Der Arbeitgeber sollte in Zukunft auch sämtliche einmaligen Leistungen wie Jubiläumszahlungen o. ä. an einen bestimmten Mitarbeiter unter dem Vorbehalt auszahlen, dass durch die freiwillige Leistung kein Rechtsanspruch für andere Mitarbeiter entstehen soll.
Tina Lorenz
Die Autorin ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Für Rückfragen steht Ihnen die Autorin gerne zur Verfügung
Frau Rechtsanwältin Dr. Andrea Benkendorff
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