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Michael Henn
Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte
Gerokstrasse 8
70188 Stuttgart


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10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

Deutsche Anwalts- und
Steuerberatervereinigung
für die mittelständische
Wirtschaft e. V.


10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten

zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart


I.
Altersvereinbarung durch den Begriff "Vorführwagen"
BGH, Urteil 15.09.2010, VIII ZR 61/09

Beim Kauf eines Kraftfahrzeugs (hier: eines Wohnmobils) wird allein mit der Beschaffenheitsangabe "Vorführwagen" ein bestimmtes Alter des Fahrzeugs nicht vereinbart. Dies schließt nicht aus, dass der Käufer eines Vorführwagens aufgrund besonderer Umstände im konkreten Fall erwarten darf, dass ein als Vorführwagen angebotenes Fahrzeug ein bestimmtes Alter nicht überschreitet.

II.
Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Betriebseinstellung
BGH, Urteil 06.10.2010, VIII ZR 209/07

a)Der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters/Vertragshändlers gemäß § 89b HGB ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Handelsvertreter/Vertragshändler nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat. Das gilt auch dann, wenn die Betriebseinstellung auf die Insolvenz des Handelsvertreters/Vertragshändlers zurückzuführen ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96, NJW 1998, 1070).
b)Wird ein Urteil, das einer Zahlungsklage teilweise stattgibt und sie im Übrigen abweist, allein vom Beklagten mit der Berufung angegriffen, ist das Verschlechterungsverbot verletzt, wenn das Berufungsgericht eine vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung, die das Gericht erster Instanz als unbegründet angesehen hat, mit dem in erster Instanz abgewiesenen Teil der Klageforderung verrechnet.

III.
Einträge im Handelsregister
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.11.2010, Az. I-3 Wx 231/10

1.Der bei der Eintragung in das Handelsregister anzugebende Gegenstand des Unternehmens ist regelmäßig über allgemeine Angaben (hier: „Handel und Vertrieb von Verbrauchs- und Konsumgütern, soweit der Handel nicht einer besonderen Erlaubnis bedarf“) hinaus zu individualisieren.

2.Die Vielfalt beabsichtigter Geschäfte schließt eine Individualisierung des Unternehmensgegenstandes nicht aus, wenn der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit für die beteiligten Wirtschaftskreise ohne besondere Schwierigkeiten (z. B. als „Handel mit Waren verschiedener Art, insbesondere (…)“) hinreichend erkennbar gemacht werden kann. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06. Oktober 2010 – I-3 Wx 231/10

IV.
Zum Umfang der Beratungspflicht bei Verkauf eines Medienfonds
Landgericht Berlin, Urteil vom 11.11.2010, AZ. 10 O 26/10

1.Zur Aufklärung über das Totalverlustrisiko einer Unternehmensbeteiligung (Medienfonds) kann es genügen, dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsabschluss einen Prospekt zu überlassen, wenn darin die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich enthalten sind.

2.Bei der Frage der Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über die ihm in Folge der Vermittlung zustehenden Vergütungen ist zwischen normalen Vertriebsprovisionen (Innenprovisionen) und Rückvergütungen zu unterscheiden. Nur letztere sind auch unterhalb der vom BGH festgesetzten Schwelle (Innenprovision mehr als 15% der Beteiligungssumme) aufklärungspflichtig.

3.Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn Teile der - offen ausgewiesenen - Ausgabeaufschläge und Verwaltungskosten, die der Kunde über die Bank oder eine sonstige Vertriebsgesellschaft an die Fondsgesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken an den Anlageberater umsatzabhängig zurückfließen, so dass dieser ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen, die Zahlungen also schmiergeldähnliche Funktion haben.

V.
Aufrechnung, Aufrechnungsverbot, Allgemeine Geschäftsbedingungen,
Unternehmer, konnexe Gegenforderung.
OLG Celle, Urteil vom 11.11.2010, AZ. 11 U 133/10

Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern kann die Aufrechnung mit „konnexen“ Gegenforderungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Der mögliche Wertungswiderspruch zwischen § 309 Nr. 2 BGB und § 309 Nr. 3 BGB ist insoweit nicht vorhanden, da zwischen Unternehmern auch das Zurückbehaltungsrecht auf die unstreitigen, rechtskräftig festgestellten oder entscheidungsreifen Gegenforderungen begrenzt werden darf.

Eine ausdrückliche Erwähnung der entscheidungsreifen Gegenforderungen ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht erforderlich, da diese von den unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Forderungen mit umfasst sind.

VI.
Fristlose Kündigung eines Krankenhausbeschäftigten wegen Verzehr von übrig gebliebener „Patientenpizza“ in aller Regel nicht gerechtfertigt
LAG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 29.09.2010, AZ. 3 Sa 233/10

Verzehrt ein in einem Krankenhaus langjährig beschäftigter und bislang unbescholtener Arbeitnehmer ein Stück einer Patientenpizza sowie einen nicht verbrauchten Rest einer Patientenportion Gulasch, rechtfertigt dies in aller Regel nicht dessen fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 29.09.2010, Aktenzeichen: 3 Sa 233/10, entschieden und deshalb nicht mehr aufgeklärt, ob die Vorwürfe zutreffen.
Der 56-jährige Kläger ist in der von der Beklagten betriebenen psychiatrischen Fachklinik seit 1991 als Krankenpflegehelfer beschäftigt. Der Kläger genießt tariflichen Kündigungsschutz. Die Beklagte bezichtigte den Kläger, eine Ecke Pizza abgerissen und gegessen sowie einen

Rest Gulasch verzehrt zu haben, welches beides den Patienten zugestanden hätte. Er habe zulasten der Patienten Vermögensdelikte begangen und deren besondere Schutzbedürftigkeit ausgenutzt. Der Kläger bestritt die Vorwürfe. Ohne vorherige Abmahnung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats fristlos. Der daraufhin vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Lübeck statt. Die Berufung der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass es für die Prüfung eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens ankomme. Zweck der fristlosen Kündigung dürfe nicht die Sanktion einer Vertragsverletzung sein, vielmehr diene sie der Vermeidung des Risikos weiterer arbeitsvertraglicher Verstöße. Bei den Vorwürfen des unerlaubten Verzehrs von Essensresten handele es sich allenfalls um ein geringfügiges Eigentumsdelikt. Bei einem steuerbaren Verhalten diene eine vorherige Abmahnung der Objektivierung einer negativen Zukunftsprognose. Sie sei nur dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung trotz Abmahnung nicht zu erwarten sei oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handele, aufgrund derer die Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei. Vorliegend stelle jedoch die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine unverhältnismäßige Reaktion auf die behaupteten Pflichtverletzungen dar. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des langjährigen ungestörten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses und des äußerst geringen Wertes der Speisen, die verzehrt worden sein sollen, habe jedenfalls auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden können.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen

VII.
Anlageberatung
OLG Stuttgart, Urteil vom 29.10.2010, AZ. 6 U 208/09

1.Eine Bank, die einerseits durch eine Vereinbarung mit dem Kapitalsuchenden in den Vertrieb einer Fondsbeteiligung eingebunden ist, andererseits ihrem Kunden aufgrund eines Anlageberatungsvertrages eine neutrale und an dessen Interessen ausgerichtete Beratung schuldet, muss dem Kunden die Vergütung offen legen, die sie aufgrund der Vertriebsvereinbarung erwartet.

2.Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütung aus gesondert erhobenen Ausgabeaufschlägen oder aus der Einlage des Anlegers bestritten wird, und ungeachtet der Frage, ob die Einlage über die Bank oder vom Anleger direkt an die Fondsgesellschaft geleistet wird.

VIII.
Anfechtungsklage
OLG Stuttgart, Urteil vom 17.11.2010, AZ. 20 U 2/10

1.Der Anfechtungskläger muss innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG die Gründe, auf welche er die Anfechtung stützt, zumindest in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern darlegen.

a)Wird ein Entlastungsbeschluss wegen schwerwiegender und eindeutiger Rechtsverstöße des zu Entlastenden angefochten, gehört zu dem wesentlichen tatsächlichen Kern des Vorbringens die Benennung der konkreten Handlungen des zu Entlastenden, aus denen der Anfechtungskläger die Rechtsverstöße ableitet.

b)Wird ein Beschluss wegen der Verletzung des Auskunftsrechts des § 131 AktG angefochten, muss der Anfechtungskläger innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG die Fragen im Einzelnen bezeichnen, auf deren unzureichende Beantwortung er seine Anfechtung stützt. Macht er die unrichtige Beantwortung einer Frage geltend, muss er grundsätzlich auch die Antwort, die er für unrichtig hält, innerhalb der Anfechtungsfrist bezeichnen; jedenfalls kann er die Unrichtigkeit der Auskunftserteilung nicht nach Ablauf der Anfechtungsfrist aus der Antwort auf eine andere Frage ableiten, deren unzureichende Beantwortung er nicht fristgerecht gerügt hatte.

2.Da sich die Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen wegen schwerwiegender und eindeutiger Rechtsverstöße der zu Entlastenden aus der Treuwidrigkeit der Entlastungserteilung durch die Hauptversammlungsmehrheit ableitet, müssen die Rechtsverstöße, auf welche die Anfechtung gestützt wird, den Teilnehmern der Hauptversammlung entweder bekannt oder für sie auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen erkennbar gewesen sein.

3.Die Erforderlichkeit der Auskunftserteilung im Sinne von § 131 Abs. 1 AktG bemisst sich danach, welche Informationen ein objektiv urteilender Durchschnittsaktionär für die

Beurteilung eines Tagesordnungspunkts benötigt. Für die Beurteilung der Entlastung der Verwaltung benötigt der Durchschnittsaktionär zwar gegebenenfalls Informationen über die Auswirkungen künftig ungewisser Ereignisse, um beurteilen zu können, ob sich die Verwaltung kaufmännisch vernünftig verhalten hat oder ob sie unvertretbare Risiken eingegangen ist. Dazu bedarf er aber nicht der Information über die Auswirkungen von Ereignissen, deren Eintritt zwar theoretisch denkbar, aber höchst unwahrscheinlich ist.

4.Bei der Prüfung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG ist zu bedenken, dass die Offenlegung von Informationen trotz damit für die Gesellschaft verbundener Nachteile geboten sein kann, wenn das Interesse an der Aufklärung von Pflichtverletzungen überwiegt. Ein das Geheimhaltungsinteresse überwiegendes Aufklärungsinteresse ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn zur Aufklärung der Pflichtverletzungen gerade die vom Fragesteller begehrten Informationen geeignet und erforderlich sind.
noch nicht rechtskräftig

IX.
Keine Durchbrechung der Bestandskraft bei nachträglich erkanntem
Verstoß gegen das Unionsrecht
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2010, AZ. V R 57/09

Ein Steuerbescheid ist auch bei einem erst nachträglich erkannten Verstoß gegen das Unionsrecht nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regelt die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend. Nach den Vorgaben des Unionsrechts muss das steuerrechtliche Verfahrensrecht auch keine weitergehenden Korrekturmöglichkeiten für Steuerbescheide vorsehen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436)      .
(mitgeteilt von RA Bürkle, Winnenden)

X.
Abtretung Lebensversicherung
BGH, Urteil vom 27.10.2010, AZ. IV ZR 22/09

Tritt der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung zur Sicherung der Schuld eines Dritten an dessen Gläubiger ab, so sprechen die Interessen der Beteiligten regelmäßig dafür, dass der vereinbarte Sicherungszweck sich nicht mit dem Tod des Versicherungsnehmers erledigt haben soll.
Eine vor der Sicherungsabtretung widerruflich getroffene Bezugsrechtsbestimmung steht dann auch in der Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls - bis auf weiteres - im Rang hinter den Rechten des Sicherungsnehmers zurück (Fortführung BGH, 18. Oktober 1989, IVa ZR 218/88, BGHZ 109, 67).

Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.
Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Michael Henn

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