Rechtsprechungsänderung bei Drittwiderklagen:
Der BGH hat am 30.09.2010, Aktenzeichen:Xa ARZ 191/10 entschieden von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und die Zuständigkeit des Gerichts ohne gerichtliche Bestimmung zu begründen.
Der Leitsatz lautet:
Die Bestimmung über den besonderen Gerichtsstand der Widerklage ist auf Drittwiderklagen gegen den bisher nicht am Verfahren beteiligten Zedenten der Klageforderung entsprechend anzuwenden (Abweichung von BGH, 5. April 2001, VII ZR 135/00, BGHZ 147, 220, 223).
Demnach gilt künftig folgendes:
Erhebt der Beklagte eine mit der Klage im rechtlichen Zusammenhang stehende Widerklage sowohl gegen den Kläger als auch gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten als Streitgenossen im Sinne der §§ 59, 60 ZPO, ist diese streitgenössische Drittwiderklage unter den Voraussetzungen der als Klageänderung behandelten Parteierweiterung zulässig (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 - II ZR 77/61, BGHZ 40, 185, 187 ff.; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 209/94, BGHZ 131, 76, 79 f.; BGH, Beschluss vom 28. Februar 1991 - I ARZ 711/90, NJW 1991, 2838).
Hierdurch sollen die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden, zusammengehörige Ansprüche einheitlich verhandelt und entschieden werden (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 - II ZR 77/61, BGHZ 40, 185, 188).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Drittwiderklage hingegen grundsätzlich unzulässig, wenn sie sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 - VI ZR 111/69, NJW 1971, 466 f.).
Unter Berücksichtigung des prozessökonomischen Zwecks der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt und die damit einhergehende Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden und eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über zusammengehörende Ansprüche zu ermöglichen, hat der Bundesgerichtshof jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen.
Die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderem dann bejaht worden, wenn sie gegen den Zedenten der Klageforderung gerichtet ist und die Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind: Die isoliert gegen den am Prozess bislang nicht beteiligten Zedenten erhobene Drittwiderklage ist auch dann zulässig, wenn sich deren Gegenstand mit dem Gegenstand einer hilfsweise gegenüber der Klage des Zessionars zur Aufrechnung gestellten Forderung deckt (BGH, Urteil vom 5. April 2001 - VII ZR 135/00, BGHZ 147, 220, 222 ff.) oder wenn die abgetretene Klageforderung und die mit der Drittwiderklage geltend gemachte Forderung aus einem einheitlichen Schadensereignis resultieren (BGH, Urteil vom 13. März 2007 - VI ZR 129/06, NJW 2007, 1753 f.).
Schließlich ist sie auch dann zulässig, wenn mit ihr die Feststellung begehrt wird, dass dem Zedenten keine Ansprüche zustehen (BGH, Urteil vom 13. Juni 2008 - V ZR 114/07, NJW 2008, 2852, 2854 f.). Ausschlaggebend ist demnach stets, dass die zu erörternden Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und durch die Einbeziehung des Drittwiderbeklagten in den Rechtsstreit dessen schutzwürdige Interessen nicht verletzt werden.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die den besonderen Gerichtsstand für die Widerklage regelnde Vorschrift des § 33 ZPO für den bisher am Verfahren nicht beteiligten Drittwiderbeklagten keinen Gerichtsstand am Gericht der Klage; das Gericht der Klage ist danach für eine Drittwiderklage örtlich nur zuständig, wenn ein allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand bei dem Gericht der Drittwiderklage besteht, durch rügelose Einlassung begründet wird oder das übergeordnete Gericht den Gerichtsstand nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008 - X ARZ 69/08, NJW-RR 2008, 1516, 1517 mN).
Der Bundesgerichtshof führte nunmehr in seinem Urteil jedoch aus:
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wird die mit der Anerkennung der Drittwiderklage angestrebte Verfahrenskonzentration in den Fällen nicht erreicht, bei denen ein allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand des Drittwiderbeklagten bei dem Gericht der Klage weder besteht noch durch rügelose Einlassung begründet wird und eine Gerichtsstandsbestimmung durch das übergeordnete Gericht nicht möglich ist. Bei einer streitgenössischen Drittwiderklage kommt eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht, sofern die widerbeklagten Streitgenossen einen anderweitigen gemeinsamen Gerichtsstand haben (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2000 - X ARZ 522/99, NJW 2000, 1871, 1872).
Der Beklagte hat dann nur die Wahl, auf die Widerklage zu verzichten, um beide Streitgenossen in einem weiteren Rechtsstreit gemeinsam in Anspruch zu nehmen, oder von der gemeinsamen Klage gegen beide Streitgenossen Abstand zu nehmen, um gegen den Kläger mit der Widerklage und in einem weiteren Verfahren gegen den Dritten vorzugehen.
Bei einer isolierten Drittwiderklage ist dem übergeordneten Gericht nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Gerichtsstandsbestimmung aber versagt, weil es an einer gegen mehrere Streitgenossen gerichteten Widerklage fehlt (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2000 - X ARZ 522/99, NJW 2000, 1871; BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 - VII ZR 7/93, NJW 1993, 2120). Die Rechtsprechung, nach der eine isolierte Drittwiderklage ausnahmsweise zulässig ist, liefe daher in einer Vielzahl von Fällen leer.
Dieses Ergebnis wurde als nicht interessengerecht gewertet.
Durch eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wie sie das vorlegende Oberlandesgericht für geboten hält, könnte ein derartiges Ergebnis vermieden werden.
Dazu wäre bei Drittwiderklagen eine Gerichtsstandsbestimmung durch das übergeordnete Gericht auch dann zuzulassen, wenn sich die Drittwiderklage ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtete oder wenn widerbeklagte Streitgenossen einen anderweitigen gemeinsamen Gerichtsstand hätten.
Die Anwendung der genannten Bestimmung führte jedoch dazu, dass regelmäßig eine gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts erforderlich wäre, obwohl nur die Bestimmung des Gerichts der Klage als zuständiges Gericht auch für die Drittwiderklage in Betracht kommt.
Die Zuständigkeit eines anderen Gerichts für Klage und Widerklage kann nicht bestimmt werden, weil § 36 ZPO keine Handhabe dafür bietet, dem Kläger auf den Antrag des Beklagten den von ihm gewählten Gerichtsstand zu entziehen.
Deshalb erscheint es dem Senat sachgerecht, in diesen Fällen an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten und § 33 ZPO entsprechend jedenfalls dann auf die Drittwiderklage anzuwenden, wenn sich diese gegen den bisher nicht am Verfahren beteiligten Zedenten der Klageforderung richtet.
Wir Martin J. Haas Rechtsanwälte, Rechtsanwalt Martin J. Haas ist der Ansicht: Es lebe die Prozessökonomie!
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