10 Urteile, die Ihre Leser interessieren könnten
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zusammengestellt von Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Fachanwalt für Erbrecht
Michael Henn, Stuttgart
I.
Schriftform bei Kündigung von Arbeitsverhältnissen
ArbG Hamburg, Urteil vom 10.6.2008, Az. 21 Ca 563/07
1
§ 623 BGB begründet ein konstitutives Schriftformerfordernis. Ist die Schriftform nicht eingehalten, ist die Kündigung nichtig und kann nicht nachträglich geheilt werden.
2
Die Kündigung muss die Schriftform gem. § 126 Absatz1 BGB wahren. "Urkunde" i.S.d. Formvorschriften des BGB setzt eine schriftliche Abfassung voraus. Eine schriftliche Urkunde erfordert dauerhaft verkörperte Schriftzeichen. Die Urkunde muss vom Aussteller unterschrieben sein. Die Unterschrift muss den Inhalt des Kündigungsschreibens decken, also unter dem Text stehen und ihn räumlich abschließen.
3
Von wem und in welcher Form - handschriftlich, maschinenschriftlich, vorgedruckt, fotokopiert oder in sonstiger Weise vervielfältigt - das Kündigungsschreiben abgefasst wurde, ist gleichgültig. Entscheidend ist die Unterschrift. Sie muss eigenhändig vom Aussteller stammen. Anders als beim eigenhändigen Testament (§ 2247 BGB) braucht hier nur die Unterschrift eigenhändig zu sein. Die Unterschrift ist durch Nennung des ausgeschriebenen Namens zu leisten. Ob die Urkunde vom Aussteller, der Partei oder von einem Dritten hergestellt wurde, ist unerheblich. Ebenso ist es egal, ob sie mit der Hand, der Maschine oder dem PC geschrieben, gedruckt oder vervielfältigt worden ist . Die Verwendung einer Kopie ist denkbar. Möglich ist ebenso die Wiederverwendung einer unwirksam gewordenen alten Urkunde.
(Leitsätze der Schriftleitung)
II.
Mangelhaftigkeit reinportierter Fahrzeuge
OLG Celle, Urteil vom 11.06.2008, Az. 7 U 226/07
Ein neuwertiges reimportiertes EU-Fahrzeug mit 100 km Laufleistung im Zeitpunkt des Verkaufs ist jedenfalls dann mangelhaft, wenn zwischen dem Herstellungsdatum und der Erstzulassung in Deutschland mehr als 18 Monate liegen.
III.
Sittenwidrigkeit einer Vergütungsabrede
LAG Bremen, Urteil vom 17.06.2008, Az. 1 Sa 29/08
1. Die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsabrede gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB ist bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben. Ein derartiges Missverhältnis ist anzunehmen, wenn die gezahlte Vergütung weniger als 2/3 der Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs beträgt, sofern in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird.
2. Bei Überwälzung der Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer liegt keine Nettovergütungsabrede vor, so dass die gezahlte Stundenvergütung mit dem Bruttoentgelt des einschlägigen Tarifvertrages zu vergleichen ist.
IV.
Betriebsbedingte Kündigung – Arbeitnehmerbegriff
BAG, Urteil vom 13.03.2008, Az. 2 AZR 1037/06
1. Betriebsbedingte Kündigung aufgrund der Entscheidung eines Plakatwerbeunternehmens, Plakatierungsarbeiten zukünftig durch Subunternehmer durchführen zu lassen.
2. Es liegt kein Arbeitsverhältnis vor, wenn der Auftragnehmer zur pünktlichen Anbringung von Plakaten an fest installierten Objekten nach Vorgabe des Auftraggebers so verpflichtet ist, wie es so genannte Tourenlisten (Tourenpläne) vorsehen, er aber nur einen Wochentag vorgegeben bekommt und damit einen 24 Stunden umfassender Zeitkorridor, er außerdem ausdrücklich berechtigt ist, sich der Hilfe Dritter zu bedienen und ihm ausdrücklich eine Konkurrenztätigkeit zugestanden wird.
V.
Videoüberwachung im Betrieb
BAG , Urteil vom 26.08.2008, Az. 1 ABR 16/07
Arbeitgeber und Betriebsrat sind grundsätzlich befugt, eine Videoüberwachung im Betrieb einzuführen. Die Zulässigkeit des damit verbundenen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer richtet sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
VI.
Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer auf die Obliegenheiten des Versicherungsschutzes hinzuweisen
BGH, Urteil vom 17.09.2008, Az. IV ZR 317/05
1
Zur Pflicht des Versicherers, den Versicherungsnehmer, der den Versicherungsfall rechtzeitig angezeigt hat, auf die Obliegenheit zur Einreichung einer Stehlgutliste bei der Polizei hinzuweisen und darüber zu belehren, dass er bei Verletzung dieser Obliegenheit den Versicherungsschutz verlieren kann.
Eine darauf bezogene generelle Hinweis- und Belehrungspflicht wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte überwiegend abgelehnt. Ausgehend von der praktischen Erfahrung, dass diese Obliegenheit und der Verlust des Versicherungsschutzes bei deren Verletzung verbreitet nicht geläufig seien, wird einer fehlenden Belehrung in einigen Entscheidungen aber Bedeutung für die Widerlegung von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beigemessen.
In der Literatur wird zunehmend die Auffassung vertreten, der Versicherer sei, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden zeitnah melde, zu einer Belehrung über die weitgehend unbekannte Obliegenheit zur Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei und über die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Obliegenheit verpflichtet.
2
Der Versicherer ist aufgrund seiner überlegenen Sach- und Rechtskenntnis (nach Treu und Glauben) verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei rechtzeitiger Anzeige des Versicherungsfalles über die Obliegenheit und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung jedenfalls dann zu belehren, wenn er - wie hier durch Übersendung eines Formulars mit dem erwähnten Anschreiben - nähere Angaben zum Versicherungsfall und zur Anzeige bei der Polizei und eine Liste der abhanden gekommenen Sachen anfordert.
Damit wird für den Versicherungsnehmer erkennbar konkretisiert, was der Versicherer von ihm für die Prüfung dieses angezeigten Versicherungsfalles erwartet.
(Leitsätze der Schriftleitung)
VII.
Arbeitgeberhaftung auf Mietausfallschaden infolge falscher Verdienstbescheinigung –Fragerecht des Vermieters
OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 06.05.2008, Az. 5 U 28-08
1.
Wegen der zentralen Bedeutung der Zahlungsfähigkeit des Mieters sind vorvertragliche Fragen des Vermieters nach einer Pfändung des Arbeitseinkommens, sonstige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen usw. zulässig.
2.
Der Mieter, aber auch dessen Arbeitgeber haben derartige Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Dem Selbstbestimmungsrecht der um Auskunft Gebetenen ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie eine Erklärung verweigern können. Das ist nicht dadurch in Frage gestellt, dass der gewünschte Vertrag in einem derartigen Fall wahrscheinlich scheitert.
3.
Für den aus einer Falschauskunft sich ergebenden Mietausfallschaden haftet der Arbeitgeber des Mieters nicht, wenn der Vermieter den anfechtbaren oder kündbaren Mietvertrag nach Kenntnis des wahren Sachverhalts durch Fortsetzung des Mietverhältnisses bestätigt.
VIII.
Betriebsratsanhörung bei verhaltensbedingter Kündigung –
„Verbrauch“ des Kündigungsrechts
1.
Nach § 102 I 1 BetrVG besteht eine Anhörungspflicht des Arbeitgebers vor jeder Kündigung. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift , dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, kann ein Anhörungsverfahren grundsätzlich nur für die Kündigung Wirksamkeit entfallen, für die es eingeleitet worden ist.
2.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber wegen Bedenken gegen die Wirksamkeit der ersten Kündigung vorsorglich erneut kündigt. Das durch die ordnungsgemäße Anhörung erworbene Recht zum Ausspruch der Kündigung ist duech den Zugang der Kündigung „verbraucht“.
3.
Entscheidend ist, dass der Betriebsrat bei jeder vom Arbeitgeber beabsichtigen Kündigung seine ihm gesetzlich eingeräumten Rechte unter Ausschöpfung der dafür vorgesehenen Fristen wahrzunehmen in der Lage sein muss.
4.
Dem ist Genüge getan, wenn sich eine Anhörung für den Betriebesrat erkennbar auf eine noch auszusprechende Kündigung bezieht.
5.
Das gilt auch dann, wenn ein Anhörungsformular benutz wird, das sich ursprünglich auf eine bereits ausgesprochene Kündigung bezog.
IX.
Hemmung der Gewährleistungsfrist bei Nachbesserung nach der Abnahme
BGH, Urteil 25.09.2008, AZ. VII ZR 32/07
Bessert der Auftragnehmer nach Abnahme nach, wird bei Vereinbarung der VOB/B die Gewährleistungsfrist grundsätzlich gehemmt, bis die Mängelbeseitigungsarbeiten abgenommen sind.
Die Hemmung endet auch, wenn der Auftraggeber die Abnahme endgültig verweigert, weil er eine weitere Erfüllung des Vertrages ablehnt. Sie endet ferner, wenn der Auftraggeber die Abnahme der Mängelbeseitigungsleistung verweigert und der Auftragnehmer seinerseits die weitere Mängelbeseitigung ablehnt.
Erbringt der Auftragnehmer Mängelbeseitigungsleistungen und werden diese abgenommen, beginnt mit der Abnahme die neue Gewährleistungsfrist des § 13 Nr. 5 Satz 3 VOB/B (Bestätigung von BGH, Urteil vom 15. Juni 1989 VII ZR 14/88, BGHZ 108, 65).
X.
Haftung bei Fortführung des Handelsgeschäfts
BGH, Urteil 24.09.2008, Az. VIII ZR 192/06
1
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird So ist es hier.
2
2. Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB auch nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung.
3
Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist. Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Die Urteile wurden von Rechtsanwalt Michael Henn zusammengestellt.
Michael Henn ist Schriftleiter der mittelstandsdepesche und Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Michael Henn
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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