Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Alexandra Henkel, Berlin
VDAA
Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.
Zwei neue Vorlagen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Europäischen Gerichtshof (EuGH):
Frage 1): Hat ein abgelehnter Stellenbewerber einen Auskunftsanspruch?
Frage 2): Verstoßen tarifvertragliche Entgeltregelungen, die maßgeblich auf das Lebensalter abstellen, gegen europäische Richtlinien (Altersdiskriminierung)?
- BAG, Beschlüsse vom 20.05.2010,
8 AZR 2087/08 (A), 6 AZR 319/09 (A) und 6 AZR 148/09 (A) – bislang nur als Pressemitteilungen
Im Bereich der Antidiskriminierung (in Deutschland im AGG normiert) hat der EuGH zuletzt am 19.01.2010 entschieden, dass § 622 Abs. 2 S.2 BGB (Nichtberücksichtigung der Beschäftigungszeiten eines Arbeitsnehmers vor Vollendung des 25. Lebensjahres bei der Kündigungsfristberechnung) gegen das europäische Verbot der Altersdiskriminierung verstößt. Nun „drohen“ weitere Entscheidungen des EuGH:
Fall/Frage 1
In dem ersten Fall ging es um die Frage, inwieweit ein abgelehnter Stellenbewerber gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft darüber hat, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, auf Grund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist. Das BAG sah nach nationalem Recht keinen solchen Auskunftsanspruch und stellte fest, dass dies allenfalls aus den Antidiskriminierungsrichtlinien auf EU-Ebene folgen könne, worüber der EuGH entscheiden müsse.
Es handelte sich um eine zum Zeitpunkt der Bewerbung 45-jährige in Russland geborene Klägerin, die sich auf eine Stelle bei der Beklagten beworben hatte. Die Beklagte lud sie nicht zum Vorstellungsgespräch ein, teilte ihr aber nicht mit, ob ein anderer Bewerber eingestellt wurde und ggf. welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich waren. Die Klägerin behauptete nun eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft und verlangte eine angemessene Entschädigung in Geld nach dem AGG.
Die Vorinstanzen hatten die Klage noch abgewiesen, weil die Klägerin keine hinreichenden Indizien gemäß § 22 AGG für die behauptete Diskriminierung vortragen konnte, allein ihre Nichtberücksichtigung reichte hierfür nicht. Bejaht nun der EuGH einen Auskunftsanspruch und liefert die Arbeitgeberauskunft dann mehrere Indizien, dann könnte die Klägerin nachbessern und gem. § 22 AGG würde dann eine Diskriminierung vermutet werden. In diesem Fall müsste dann der Arbeitgeber beweisen, dass
kein Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen vorgelegen hat. Dies wird unter Umständen schwierig, wenn die Bewerbungsunterlagen der anderen Bewerber nicht mehr da sind oder über die Auswahlkriterien keine Aufzeichnungen mehr vorhanden sind. Kann der Arbeitgeber dann nicht beweisen, dass die Klägerin auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, greift auch die Beschränkung der Entschädigung auf drei Monatsgehälter nicht mehr ein.
Fall/Frage 2
Mit zwei weiteren Beschlüssen legte das BAG dem EuGH Frage vor, inwieweit die Entgeltregelungen des „alten“ Bundesangestelltentarifvertrages (BAT), der durch einen Überleitungstarifvertrag zum 01.10.2005 in die Entgeltgruppen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) übergeleitet wurden, eine Diskriminierung der jüngeren Arbeitnehmer darstellt. Die Entgeltregelungen des BAT stellten bei der Grundvergütung auf Lebensalterstufen ab, alle zwei Jahre erhielten die Beschäftigten eine höhere Vergütung, bis die Endgrundvergütung erreicht war. Bei Überleitung in den TVöD wurde die im alten System erreichte Lebensaltersstufe im Wege der Besitzstandswahrung voll berücksichtigt. Der TVöD stellt nicht mehr auf Lebensalterstufen ab, sondern auf Tätigkeit, Berufserfahrung und Leistung, der Aufstieg im Rahmen der Entgeltgruppe vollzieht sich abhängig von Leistung und Berufserfahrung.
Im Wege der Vorabentscheidung muss der EuGH nun klären, inwieweit die tarifvertraglichen Regelungen – auch unter Berücksichtigung des Rechts der Tarifautonomie - wirksam solche Lebensalterstufen regeln dürfen. Hier muss der EuGH insbesondere die Altersdiskriminierungsrichtlinie berücksichtigen, sowie die primärrechtlich gewährleisten Grundsätze des allgemeinen Gleichheitssatzes (der auch das Verbot der Altersdiskriminierung enthält) und des Rechts der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen. Bejaht der europäische Gerichtshof eine Altersdiskriminierung, wäre diese Diskriminierung der jüngeren Arbeitnehmer wohl nur so zu beseitigen, dass auch diese die höchst mögliche Vergütung erhalten. Auf den öffentlichen Dienst kämen dann nicht unerhebliche Nachzahlungen zu.
Fazit
Bis der EuGH Rechtssicherheit herstellt, sollten zumindest bis zum Ablauf der 2-Monatsfrist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen gem. § 5 Abs. 4 AGG und eines zusätzlichen zeitlichen Puffers soweit möglich sämtliche Bewerbungsunterlagen aufbewahrt und auch die Kriterien für die Einstellung dokumentiert werden. Viele Tarifverträge beinhalten auch außerhalb des öffentlichen Dienstes Regelungen, die Mehrleistungen bei höherem Alter vorsehen (z. B. mehr Urlaubstage). Hier drohen bei Tarifbindung Nachleistungen bzw. Nachzahlungen. Soweit rechtlich zulässig, sollten deshalb immer Ausschlussfristen bei Neueinstellungen oder bei Vertragsänderungen in die Arbeitsverträge aufgenommen werden, um das Risiko in Grenzen zu halten.
Die Autorin ist Mitglied des VDAA Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e. V.
Für Rückfragen steht Ihnen die Autorin gerne zur Verfügung.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel
FSP Rechtsanwälte & Notare
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