Revision des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Arbeitnehmerorganisation AUB im ...
(Worms) Der Bundesgerichtshof hat soeben der Revision des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Arbeitnehmerorganisation AUB, der vom Landgericht Nürnberg-Fürth wegen jeweils mehrerer Fälle des Betruges in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, der Steuerhinterziehung und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war, teilweise stattgegeben.
Darauf verweist der Münchner Fachanwalt für Strafrecht Dr. Reinhard Höß aus der Kanzlei Graf von Westphalen, Landesregionalleiter „Bayern" des VdSRA-Verband deutscher StrafrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Worms unter Hinweis auf den am 25.10.2010 bekannt gegebenen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13.09.2010 - 1 StR 220/09.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Arbeitnehmerorganisation AUB wegen jeweils mehrerer Fälle des Betruges in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, der Steuerhinterziehung und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Verurteilung liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen des Landgerichts zugrunde:
Der Angeklagte hatte bereits zu Beginn der 1990er Jahre mit einzelnen Führungskräften der Siemens AG vereinbart, dass die Siemens AG die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger - AUB e.V. durch verschleierte finanzielle Zuwendungen finanzieren und fördern sollte. Hierdurch sollte die AUB als Gegengewicht zur IG Metall etabliert werden. Durch die Wahl von AUB-Kandidaten in die Betriebsräte der Siemens AG sollten in den Betriebsräten und mittelbar in den Aufsichtsräten Mehrheitsverhältnisse geschaffen werden, die aus Arbeitgebersicht vorteilhafte Betriebsvereinbarungen und sonstige wirtschaftlich vorteilhafte Maßnahmen möglich machten oder erleichterten.
Die vereinbarte Förderung der AUB erfolgte ab dem Jahr 1991 im Wesentlichen durch Zahlungen in Millionenhöhe, die zunächst auf der Grundlage fingierter Beratungs- und Schulungsverträge über weitere Firmen an den Angeklagten geleistet wurden. Die Zahlungen wurden bei der Siemens AG zwar als Betriebsausgaben gewinnmindernd verbucht, die Mittelverwendung wurde dort aber spätestens ab dem Jahr 1996 über einzelne Plausibilitätskontrollen hinaus nicht mehr kontrolliert.
Seit dem Jahr 2001 wurden die Zahlungen auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung direkt an eine von dem Angeklagten gegründete Firma für Unternehmensberatung und Mitarbeiterschulung geleistet. Für die Siemens AG wurde diese Vereinbarung von dem damaligen Vorstand des Bereiches Automation and Drives (A & D) unterzeichnet, der wegen seiner Mitwirkung an der verschleierten Förderung der AUB als Mitangeklagter im vorliegenden Verfahren vom Landgericht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Die verdeckten Unterstützungszahlungen an die AUB wurden nach Freigabe durch diesen Bereichsvorstand und später von seinem in die Abläufe eingeweihten Nachfolger ausgezahlt. Insgesamt leistete die Siemens AG in den Jahren 2001 bis 2006 auf 44 vom Angeklagten auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung erstellten Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Beratungsleistungen hin einen Gesamtbetrag von 30,3 Mio. Euro.
Wegen der fehlenden Kontrolle der Mittelverwendung gelang es dem Angeklagten unter Täuschung über den Verwendungszweck, von der Siemens AG mehr als drei Mio. Euro für die Förderung der AUB zu erhalten, die er für private Zwecke, darunter Sportsponsoring in großem Umfang, verwenden wollte und verwendete. In seinen Steuererklärungen machte er die privaten Aufwendungen zu Unrecht als Betriebsausgaben geltend, zudem verschwieg er steuerpflichtige Einkünfte.
Das Landgericht hat den Angeklagten im Hinblick auf unrichtige Angaben gegenüber den Finanzbehörden wegen Steuerhinterziehung und hinsichtlich der Täuschung der Verantwortlichen der Siemens AG über die Verwendung der für die AUB bestimmten Mittel wegen Betruges verurteilt. Seine Unterstützung bei der verdeckten Förderung der AUB durch Verantwortliche der Siemens AG hat das Landgerichts einerseits als Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der Siemens AG und andererseits als Beihilfe zur Steuerhinterziehung geahndet. Durch die verschleierten Zahlungen sei, weil es sich um strafbare Handlungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz handele, das Vermögen der Siemens AG geschädigt worden; zugleich sei Körperschaftsteuer hinterzogen worden, weil Ausgaben für die verdeckte finanzielle Förderung der AUB als Straftaten nach dem Betriebsverfassungsgesetz auch nicht als Betriebsausgaben der Siemens AG abzugsfähig gewesen seien.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg, so Dr. Höß.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Untreue bislang nicht. Da aber die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges zum Nachteil der Siemens AG rechtsfehlerfrei erfolgt ist, hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der Siemens AG eingestellt (strafprozessuale Verfolgungsbeschränkung).
Der Senat hat von einer Zurückverweisung zur weitergehenden Aufklärung des Untreuevorwurfs auch deswegen abgesehen, weil abzusehen war, dass auch ergänzende Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue voraussichtlich nicht tragen könnten. Der Grund hierfür liegt darin, dass die verdeckte Finanzierung der AUB auf Veranlassung des Mitangeklagten, damals Bereichsvorstand der Siemens AG, zwar eine Straftat nach dem Betriebsverfassungsgesetz darstellt, nicht aber zugleich eine Verletzung seiner gegenüber der Siemens AG bestehenden Vermögensbetreuungspflicht. Dies wäre aber Voraussetzung einer Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB.
In Anknüpfung an die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Strafbarkeit wegen Untreue (Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08) hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs klargestellt, dass eine Normverletzung in der Regel nur dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB ist, wenn die verletzte Rechtsnorm ihrerseits wenigstens auch, und sei es nur mittelbar, vermögensschützende Wirkung für das zu betreuende Vermögen hat. Dies war bei dem hier verwirklichten Straftatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), auf den mangels Strafantrags eine unmittelbare Verurteilung nicht gestützt werden konnte, nicht der Fall.
Dagegen hatte neben der Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges und Hinterziehung von Einkommensteuer auch seine Verurteilung wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftsteuer zugunsten der Siemens AG Bestand:
Der Angeklagte hatte durch Ausstellung unrichtiger Rechnungen die verschleierte Förderung der AUB durch die Siemens AG gefördert und eine Straftat nach dem Betriebsverfassungsgesetz, nämlich § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, unterstützt. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen, dass es sich bei den Zuwendungen an die AUB um rechtswidrig gewährte Vorteile zur Beeinflussung von Betriebsratswahlen im Sinne dieser Vorschrift handelte.
Die Steuerhinterziehung liegt darin, dass die Zahlungen, die der verdeckten Förderung der AUB dienten, bei der Siemens AG als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben geltend gemacht wurden, obwohl wegen des strafbaren Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz ein steuerrechtliches Abzugsverbot bestand (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG).
Im Hinblick auf die vorgenommene Verfahrensbeschränkung und Fehler bei der Bestimmung der verkürzten Steuern durch das Landgericht hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil hinsichtlich einzelner Einzelstrafen sowie der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückverwiesen. Eine andere Strafkammer des Landgerichts muss nun noch eine neue Strafzumessung vornehmen. Im Übrigen ist das Urteil rechtskräftig.
Dr. Höß riet, dies zu beachten sowie in allen strafrechtlich relevanten Fällen, unabhängig von diesem Fall, grundsätzlich so früh wie möglich ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die auf Strafrecht spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in dem VdSRA-Verband deutscher StrafrechtsAnwälte e. V. - www.vdsra.de - verwies.
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Dr. Reinhard Höß
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