Die Zahl der Anwälte steigt und steigt
Und damit der wirtschaftliche Druck auf die Advokaten.
Wie Einzelkämpfer im Gerangel um Margen und Mandanten bestehen können.
Jens Clasen erinnert sich noch gut an die Glückwünsche der Verwandten, als er sich 1993 an der Mainzer Universität für das Studienfach Jura einschrieb: "Der Junge
macht Karriere", glaubte die Familie, "mit Juraexamen stehen alle Türen offen."
Wäre da nur nicht die Abschlussnote.
Clasen schaffte kein Prädikatsexamen. Das ist keine Schande, nur rund jedem sechsten Absolventen eines Jahrgangs gelingt dies im ersten Staatsexamen. Weil es aber weitaus mehr Absolventen als Stellen gibt, picken sich die Arbeitgeber nur die besten raus. Fast immer geht das strikt nach Note. Clasen versuchte es überall: beim Ministerium, bei der Polizei, bei Kanzleien und Unternehmen. Monatelang schrieb der damals 30 Jährige Bewerbungen. Und kassierte nur Absagen.
Das zermürbende Wechselspiel von Hoffnung und Enttäuschung wurde dem Jungjuristen irgendwann zu viel. Er gründete in seiner Heimatstadt Wiesbaden eine eigene Kanzlei und stürzte sich Hals über Kopf in den Kampf um Fälle und Honorare. Drei Freunde halfen damals, einen gebrauchten Schreibtisch in den dritten Stock seines gemieteten Innenstadtbüros zu wuchten. Auf dem stehen jetzt ein Laptop, eine grüne Bibliothekslampe und ein Telefon, das in den ersten Monaten beharrlich schwieg. Rief doch mal jemand an, waren es Minifälle. Hier ein kleiner Diebstahl, da ein Auffahrunfall oder eine Ruhestörung. Kaum genug, um die Büromiete zu zahlen.
CIasens Fa. ist typisch. Der Mangel an Stellen treibt viele Juristen in das Wagnis Kanzlei. Über 40 Prozent aller Kanzleigründer, hat das Essener Soldan-Institut für Anwaltsmanagement in einer Studie herausgefunden, w
ählt diesen Weg, weil nichts anderes mehr geht. Vor sieben Jahren lag dieser Wert noch bei 20 Prozent. Der Grund für diese Entwicklung: Das Boot ist voll - es gibt zu wenig Stellen für zu viele Anwälte. Anfang der Neunzigerjahre buhlten 60 000 Advokaten um Margen und Mandate, inzwischen sind es knapp 140 000.
Jährlich drängen 8000 Nachwuchsanwälte auf den Markt, gebraucht werden nach Schätzungen des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aber nur 3000.
Da das Gros der zugelassenen Anwälte heute zwischen 40 und 50 Jahre alt ist und die Erstsemesterzahlen mit rund 20 000 Studienanfängern pro Jahr konstant sind, wird sich die Lage weiter verschärfen. In sechs Jahren, schätzt der DAV, werden 180 000 Advokaten ihre Dienste anbieten. "Die Lage", sagt Cord Brügmann, Ausbildungsexperte des DAV, "ist verheerend."
Das Überangebot an Juristen ist nicht das einzige....
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Quelle: Nr.18/29.4.2006/Wirtschaftswoche 127
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