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Oberlandesgericht Köln: Sicherungsverwahrung - Keine automatische Entlassung nach 10 Jahren ...

(Worms) Ein in Sicherungsverwahrung untergebrachter Straftäter muss nicht aufgrund des in anderer Sache ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach Ablauf von 10 Jahren sofort entlassen werden.

Dies, so der Wiesbadener Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht Dr. Gebro Doganay, Vizepräsident des VdSRA-Verband deutscher StrafrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Worms, entschied der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem am 23.07.2010 veröffentlichten Beschluss vom 14.07.2010 (Az.: 2 Ws 431/10) und bestätigte damit eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, die den Antrag des Straftäters, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach 10 Jahren für erledigt zu erklären, abgelehnt hatte.

Die Sicherungsverwahrung war im vorliegenden Fall im Jahre 1990 durch das Landgericht München II zusätzlich zu einer 9-jährigen Freiheitsstrafe wegen beabsichtigter schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung angeordnet worden. Der heute 66-jährige Verurteilte hatte u. a. 2 Frauen nach einem Streit mit einem Fleischermesser angegriffen und auf diese eingestochen. Einem der beiden Opfer trennte er die Beinvene oberhalb des Knies und wesentliche Teile der Nerven und Muskeln durch. Zuvor war der Mann wegen versuchten Totschlags an seiner geschiedenen Ehefrau im Jahre 1981 zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Diese hatte er ebenfalls mit einem Fleischermesser lebensgefährlich verletzt. Daneben war er in 21 weiteren Fällen verurteilt worden, häufig wegen Körperverletzungsdelikten gegen Frauen, die erhebliche Verletzungen davongetragen hatten.

Zur Zeit der Verurteilung im Jahre 1990 galt für die erstmalige Anordnung der Sicherungsverwahrung noch eine Höchstfrist von 10 Jahren, die im Jahre 1998 durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten aufgehoben wurde. In dieser nachträglichen Verlängerung über die zulässige Höchstdauer zur Tatzeit hinaus hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 (in anderer Sache) einen Verstoß gegen Art. 5 I und Art. 7 I EMRK gesehen.

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln hat es - in Übereinstimmung mit den Oberlandesgerichten Stuttgart, Koblenz, Nürnberg und Celle - abgelehnt, so betont Dr. Doganay, die Sicherungsverwahrung allein wegen des Ablaufs der 10- Jahres-Frist für erledigt zu erklären, obwohl auch hier ein sog. "Altfall" wie bei der Entscheidung des EGMR zugrundelag.

Die Entscheidung des EGMR könne innerstaatlich nicht sofort durch die Gerichte im Wege der Auslegung des einfachen Gesetzesrechts umgesetzt werden, vielmehr bedürfe es eines Eingreifens des Gesetzgebers. Der geltende § 67 d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sehe eine Erledigung der Sicherungsverwahrung nach 10 Jahren nur dann vor, wenn keine Gefahr mehr bestehe, dass der Untergebrachte weitere erhebliche Straftaten begehe. Diese Regelung sei auch in den Altfällen anwendbar, da nach § 2 Abs. 6 des Strafgesetzbuches über die Sicherungsverwahrung nach dem Recht zu entscheiden sei, dass zur Zeit der Entscheidung, also heute, gelte. Dem Urteil des EGMR komme nicht schon von sich aus Gesetzeskraft zu. Zudem habe der Gesetzgeber im Jahre 1998 ausdrücklich die Altfälle erfassen und die Bevölkerung auch vor bereits bekannten und gefährlichen Rückfalltätern schützen wollen. Gegen diesen erklärten und bekannten Willen des Gesetzgebers könnten die Gesetze heute nicht einfach anders ausgelegt werden.

Es sei zwar richtig anzunehmen, dass der Gesetzgeber nicht dauerhaft gegen die Eur. Menschenrechtskonvention habe verstoßen wollen. Dies bewirke entgegen der Meinung anderer Oberlandesgerichte wie Hamm und Frankfurt aber keinen Automatismus dahin, dass Sicherungsverwahrte nach Ablauf von 10 Jahren sofort zu entlassen seien. Es sei vielmehr anzunehmen, dass der Gesetzgeber nach anderen Wegen zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Rückfalltätern gesucht hätte, wie z. B. durch eine Reform der Führungsaufsicht, wäre ihm der Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention schon seinerzeit bewusst gewesen. Die Gerichte seien nicht befugt, durch einfache Gesetzesauslegung schon jetzt im Vorgriff auf ein Gesetzgebungsverfahren Fakten zu schaffen. Sie haben weiterhin sensibel zwischen den Freiheitsrechten der Sicherungsverwahrten und der staatlichen Schutzpflicht für die Allgemeinheit abzuwägen und auch die Grundrechte potentieller Opfer zu berücksichtigen. Eine schematische Entlassung nach 10 Jahren brächte diese Abwägung in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise aus dem Gleichgewicht. Nachdem die Entscheidung des EGMR im Mai 2010 endgültig geworden sei, sei das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene zügig eingeleitet worden; dessen Ergebnis bleibe zunächst abzuwarten.

Dr. Doganay riet, dies und den Fortgang zu beachten sowie in allen strafrechtlich relevanten Fällen ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die auf Strafrecht spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in dem VdSRA-Verband deutscher StrafrechtsAnwälte e. V. - www.vdsra.de - verwies.

Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:

Dr. Gebro Doganay
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Strafrecht/Fachanwalt für Verkehrsrecht
Vizepräsident des VdSRA Verband deutscher StrafrechtsAnwälte e. V.
Kaiser Friedrich Ring 88
65185 Wiesbaden
Telefon: 0611 / 53 25 225
Fax: 0611 / 53 25 224
eMail: gd@kanzlei-doganay.de
www.kanzlei-doganay.de

 

 

 

 

 

 
 
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