Krankfeiern – Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit als verhaltensbedingter Kündi-gungsgrund „Dann bin ich morgen eben krank.“
Diese Aussage entstammt einem realen Fall und beschäftigte die Arbeitsgerichtsbarkeit durch drei Instanzen; ein Arbeitnehmer äußerte sich seinem Arbeitgeber gegenüber derart, nachdem dieser die Verlängerung eines bereits bewilligten zweiwöchigen Urlaubs um weitere zwei Wochen nicht gewähren wollte.
von RA Torsten Lehmkühler, Reutlingen
Die Ankündigung wurde auch tatsächlich umgesetzt, woraufhin der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte. Der Arbeitnehmer legte im darauf folgenden Kündigungsschutzprozess eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines Arztes vor.
In der rechtlichen Beurteilung stellt die Erklärung des Arbeitnehmers, er werde krank, obwohl er im Zeitpunkt der Ankündigung nicht krank gewesen ist und sich aufgrund bestimmter Be-schwerden auch nicht krank fühlen konnte, an sich einen wichtigen Grund für eine außeror-dentliche Kündigung dar. Das Vertrauensverhältnis ist so stark beeinträchtigt, dass eine vor-herige Abmahnung nicht notwendig ist (BAG, Urteil vom 05.11.1992 – 2 AZR 147/92; LAG Köln, Urteile vom 16.05.2002 – 5 Sa 196/02 sowie vom 24.10.2002 – 5 Sa 703/02 und 12.12.2002 – 5 Sa 1055/02).
Die Ankündigung, im Fall der Urlaubsverweigerung „den gelben Schein zu nehmen“, ist eine widerrechtliche Drohung und Nötigung; darüber hinaus rechtfertigt dieses Verhalten den be-gründeten Verdacht, der Arbeitnehmer missbrauche notfalls seine Rechte aus dem Entgelt-fortzahlungsrecht, um einen unberechtigten Vorteil zu erreichen.
Ferner kann die davon zu trennende tatsächliche Krankschreibung erschlichen bzw. die Ar-beitsunfähigkeit nur vorgetäuscht sein. Nach allgemeiner Meinung genügt sogar schon der dringende Verdacht, der Arbeitnehmer habe sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit unlauteren Mitteln erschlichen, womit auch der Ausspruch einer Verdachtskündigung (nach vorheriger Anhörung) möglich ist.
Die Rechtsprechung billigt einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähig-keitsbescheinigung jedoch einen hohen Beweiswert zu, so dass der Beweis der Arbeitsunfä-higkeit von dem Arbeitnehmer im Regelfall allein durch die Vorlage einer solchen Bescheini-gung erbracht werden kann.
Der Arbeitgeber muss dann entkräftende Umstände anführen. Gelingt ihm dies, kommt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ein geringer oder kein Beweiswert mehr zu. Kündigt der Arbeitnehmer sein „Blaumachen“ im Vorfeld an, zerstört er deren Beweiswert jedoch be-reits selbst. Er muss seine (behauptete) Krankheit dann konkret beschreiben und zum Nachweis den attestierenden Arzt von der Schweigepflicht entbinden.
Häufiger als man denkt entkräften Arbeitnehmer den Beweiswert ihrer Arbeitsunfähigkeits-bescheinigung auch dadurch, dass sie anderen Tätigkeiten nachgehen, obgleich sie krank-geschrieben sind. Paradebeispiele sind der Bau des Eigenheims und die Erbringung von Arbeitsleistungen für andere Arbeitgeber.
Auch in diesen Fällen ist die Rechtsprechung tendenziell zu Recht sehr streng. So kann nach einer Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1993 eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer z. B. während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit einer schichtweisen Beschäftigung bei einem anderen Arbeit-geber nachgeht.
Großzügiger sind die Gerichte allerdings dann, wenn der Arbeitnehmer während der Krank-heit nur spazieren geht oder ein Restaurant aufsucht. Hieraus kann nämlich nicht katego-risch geschlussfolgert werden, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist. Arbeitsunfä-higkeit ist nicht mit verordneter Bettruhe gleichzusetzen. Es kommt dann im Einzelfall auf die konkrete Erkrankung und darauf an, ob die Tätigkeit dem Heilungsprozess entgegensteht oder ihn jedenfalls verzögert.
Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
Torsten Lehmkühler
RA/FA für Arbeitsrecht
SLP Anwaltskanzlei
Dr. Seier & Lehmkühler GmbH
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