Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung beim Umzug des Bundesnachrichtendienstes
(Stuttgart) Auch ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Entschließt er sich, auf die von einer Verlagerungsentscheidung betroffenen Arbeitnehmer einen - ausschließlich begünstigenden - Tarifvertrag anzuwenden, dessen Geltungsbereich diese Maßnahme ohne weiteres erkennbar nicht erfasst, kann er die Anwendung dieses Tarifvertrages nicht kurz vor Abschluss der beschlossenen Verlagerungsmaßnahmen einseitig beenden.
Dies, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16. Juni 2010 - 4 AZR 928/08 - gilt jedenfalls dann, wenn Umzugsverzögerungen organisatorisch bedingt sind und für die Entscheidung der „Nicht-Mehr-Anwendung“ des Tarifvertrages vorwiegend die zwischenzeitlich anders beurteilte Haushaltslage maßgeblich ist. Insoweit ist aus arbeitsrechtlicher Sicht kein hinreichender Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung der Mitarbeiter derselben von der Verlagerungsentscheidung erfassten Abteilung danach, ob sie vor oder nach der Entscheidung ihre Umsetzungsverfügung erhalten, erkennbar.
Der Kläger ist seit 1987 beim Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach bei München beschäftigt. Nach dem Bundestagsbeschluss vom 20. Juni 1991 über die Verlagerung des Sitzes von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes einen Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen für Arbeitnehmer geschlossen, die von personellen Maßnahmen, „die in Bezug zu Verlegungen von Verfassungsorganen, obersten Bundesbehörden und sonstigen Einrichtungen des Bundes stehen, die im Zusammenhang mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin“ erfolgen (UmzugsTV). Im Jahre 1999 wurde beschlossen, Teile des BND wegen einer als notwendig angesehenen Nähe dieser Behörde zum Regierungssitz von Pullach nach Berlin zu verlegen. Im Jahre 2003 wurde diese Entscheidung auf die Abteilung V des BND erstreckt. Die Mitarbeiter, die im Rahmen dieser Verlegungsentscheidungen von Pullach nach Berlin wechselten, erhielten bis zum 15. März 2006 Leistungen nach dem UmzugsTV. Aufgrund einer Entscheidung des damaligen Chefs des Bundeskanzleramtes wurde ab diesem Datum der UmzugsTV auf die Beschäftigten des BND nicht mehr angewandt. Der Kläger gehört zu einem kleinen Teil der Abteilung V, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht - wie ca. 1.000 andere Mitarbeiter - nach Berlin verlegt war. Die Beklagte verweigert die vom Kläger verlangten Leistungen nach dem UmzugsTV unter Berufung auf die Entscheidung des Bundeskanzleramtes.
Die Klage auf Feststellung, dass die Beklagte auch auf die Umsetzung des Klägers den UmzugsTV anwenden muss, war in allen drei Instanzen erfolgreich, betont Henn.
Der Kläger kann von der Beklagten die Gleichbehandlung mit denjenigen Mitarbeitern der Abteilung V verlangen, die vor dem 16. März 2006 nach Berlin umgesetzt worden sind. Die Entscheidung des Bundeskanzleramtes, den UmzugsTV nicht mehr anzuwenden, ist keine sachliche Grundlage für eine arbeitsrechtliche Ungleichbehandlung der verschiedenen Arbeitnehmergruppen der Abteilung V des BND.
Henn empfahl, einen etwaigen Fortgang zu beachten und in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen, wobei er u. a. dazu auch auf den VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. – www.vdaa.de – verwies.
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Michael Henn
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