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Justus Kehrl
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Verhandlung mit dem Hauptschuldner hemmt Verjährung im Verhältnis zum Bürgen

Eine durch ernsthafte Verhandlungen des Hauptschuldners mit dem Gläubiger gemäß § 203 Satz
1 BGB bewirkte Hemmung der Verjährung ist auch gegenüber dem Bürgen wirksam. (mehr...


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 18/08
vom
14.07.2009
BGB §§ 203, 204 Abs. 1, § 768 Abs. 2
1. Eine durch ernsthafte Verhandlungen des Hauptschuldners mit dem Gläubiger gemäß § 203 Satz
1 BGB bewirkte Hemmung der Verjährung ist auch gegenüber dem Bürgen wirksam.*)
2. Eine gegen den Bürgen erhobene Klage hemmt auch bei einem späteren Untergang des
Hauptschuldners als Rechtsperson gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung der Hauptschuld
(Fortführung von BGHZ 153, 337, 342 f.) .*)
BGH, Urteil vom 14.07.2009 - XI ZR 18/08
vorhergehend:
OLG München, 20.12.2007 - 19 U 3675/07
LG München I, 10.05.2007 - 29 O 20243/05
Aus den Urteilsgründen ergibt sich dazu:
„Richtig ist, dass der Bürge nach § 768 Abs. 2 BGB eine Einrede nicht dadurch verliert, dass der
Hauptschuldner auf sie verzichtet, und dass dies auch für die Einrede der Verjährung gilt, und zwar
unabhängig davon, ob die Verjährung im Zeitpunkt des Verzichts bereits eingetreten war oder nicht
(Senat, Urteil vom 18. September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230, Tz. 18 m.w.N.).
b)
Anders liegen die Dinge jedoch, soweit der Hauptschuldner mit dem Gläubiger ernsthaft über den
Bestand der Hauptschuld verhandelt und hierdurch eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 Satz
1 BGB herbeiführt. Diese Hemmung wirkt auch gegenüber dem Bürgen, da dies vom Gesetzgeber
erkennbar so gewollt und dem Verjährungsverzicht durch den Hauptschuldner nicht vergleichbar ist.
aa)
Die Vorschrift des § 768 Abs. 2 BGB bezweckt den Schutz des Bürgen in Fällen, in denen der
Hauptschuldner durch sein rechtsgeschäftliches Handeln ohne Mitwirkung des Bürgen eine neue
Verjährungsfrist schafft oder die bestehende Verjährungsfrist verlängert (Senat, Urteil vom 18.
September 2007 - XI ZR 447/06, WM 2007, 2230, Tz. 18; Grothe, WuB IV A § 202 BGB 1.08). Ein
Verhandeln im Sinne von § 203 Satz 1 BGB erfüllt diesen Tatbestand nur scheinbar. Dabei handelt es
sich - anders als beim Verzicht auf die Einrede der Verjährung - nicht um eine Verfügung des
Hauptschuldners über die Einrede. Vielmehr tritt die Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen
von Gesetzes wegen ein. Die den früheren Rechtsgedanken der § 639 Abs. 2, § 651g Abs. 2 Satz 3 und
§ 852 Abs. 2 BGB aF verallgemeinernde Regelung in § 203 BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., §
203 Rn. 1) verfolgt den Zweck, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Verhandlungen zwischen Gläubiger
und Hauptschuldner sollen deshalb nicht unter den Druck einer ablaufenden Verjährungsfrist gestellt
werden. Zugleich soll dem verhandlungsbereiten Hauptschuldner die Einrede der Verjährung
vorbehalten bleiben, während der Gläubiger von der Verwirklichung anderer verjährungshemmender
Tatbestände, insbesondere von der Einleitung gerichtlicher Verfahren, abgehalten werden soll (BTDrucks
14/6040, S. 111; Staudinger/Peters, BGB (2004), § 203 Rn. 1). Dieses Ziel würde verfehlt,
würde der Gläubiger durch die Anwendung von § 768 Abs. 2 BGB auch auf den Hemmungstatbestand
des § 203 Satz 1 BGB gezwungen, die Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner anderweitig zu
hemmen, um eine spätere Berufung des Bürgen auf die Verjährung der Hauptforderung zu
verhindern (Dingler, BauR 2008, 1379, 1381).
bb)
In diesem Sinne hat der erkennende Senat bereits für das bis zum 31. Dezember 2000 geltende
Verjährungsrecht ausgeführt, dass ein Bürge nur insoweit schutzwürdig ist, als er die Bürgschaft für
eine bestimmte Forderung übernimmt und ein Interesse daran hat, dass sich seine Haftung nicht in
einer Weise erweitert, mit der er nicht zu rechnen braucht. Ein Bürge muss sich jedoch, wenn er die
Haftung für eine in kurzer Frist verjährende Forderung übernimmt, von vornherein darauf einrichten,
dass die Forderung nur dann bereits innerhalb dieses Zeitraums gegenüber dem Hauptschuldner
geltend gemacht werden muss, wenn keine Hemmungs-, oder Unterbrechungstatbestände vorliegen
(vgl. Senat, BGHZ 153, 337, 342) . Anders als ein Einredeverzicht des Hauptschuldners bedroht dessen
Verhandeln mit dem Gläubiger den Bürgen nicht mit einem vollständigen Einredeverlust. Es führt
lediglich dazu, dass der Bürge die Einrede der Verjährung der Hauptschuld erst später geltend
machen kann, und ist daher - anders als das Berufungsgericht meint - für den Bürgen weit weniger
nachteilig.
cc)
Zudem sind Verhandlungen zwischen Hauptschuldner und Gläubiger - anders als ein Verzicht des
Hauptschuldners auf die Verjährungseinrede - für den Bürgen nicht per se nachteilig. Sie können zu
einer erheblichen Reduzierung der Hauptschuld führen, die im Falle seiner späteren
Inanspruchnahme auch dem Bürgen zugute kommt. Zu seinem Nachteil geführte
Scheinverhandlungen muss er sich nicht entgegenhalten lassen.“
 
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