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Justus Kehrl
WEISSKOPF Rechtsanwälte Partnerschaft
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99096 Erfurt


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Vergaberecht: Unverzüglichkeit der Rüge – der EUGH hilft den Bietern

Vergaberecht: Unverzüglichkeit der Rüge – der EUGH hilft den Bietern
Ist der Einwand, eine Rüge sei nicht unverzüglich erfolgt und die Antragsbefugnis des Bieters damit erloschen, vom Tisch? Gemäß § 107 Abs. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer unzulässig, wenn der Bieter einen Verstoß gegen Vergabevorschriften erkannte aber nicht „unverzüglich“ gerügt hat. Der EUGH hat sich mit diesem Aspekt befasst.
Am 28.01.10 verkündet der EUGH, dass es mit der Rechtsmittelrichtlinie nicht vereinbar sei, wenn Rechtsbehelfe der Bieter zurückgewiesen werden weil nach dem Ermessen der Nachprüfungsinstanzen die erforderliche Rüge nicht unverzüglich erhoben worden sei.
Mit dieser Entscheidung dürfte die Vielfältigkeit und Unsicherheit der Entscheidungen innerhalb welcher Zeitspannen eine Rüge noch „unverzüglich“ erhoben worden sei, beendet werden.
Bieter deren Rügen als nicht unverzüglich zurückgewiesen werden sollten vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entscheidung ihre Möglichkeiten prüfen lassen. Den Vergabestellen ist zu empfehlen die Zurückweisung einer Rüge, die allein auf den Aspekt, sie sei nicht unverzüglich erhoben worden abstellt, bedächtig anzuwenden.


Vergaberecht: Unverzüglichkeit der Rüge - der EUGH hilft den Bietern
Ist der Einwand, eine Rüge sei nicht unverzüglich erfolgt und die Antragsbefugnis des Bieters
damit erloschen, vom Tisch? Gemäß § 107 Abs. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag vor
der Vergabekammer unzulässig, wenn der Bieter einen Verstoß gegen Vergabevorschriften
erkannte, aber nicht „unverzüglich“ gerügt hat. Der EUGH hat sich mit diesem Aspekt befasst.
Am 28.01.2010 verkündet der EUGH, dass es mit der Rechtsmittelrichtlinie nicht vereinbar
sei, wenn Rechtsbehelfe der Bieter zurückgewiesen werden, weil nach dem Ermessen der
Nachprüfungsinstanzen die erforderliche Rüge nicht unverzüglich erhoben worden sei.
Mit dieser Entscheidung dürfte die Vielfältigkeit und Unsicherheit der Entscheidungen, innerhalb
welcher Zeitspannen eine Rüge noch „unverzüglich“ erhoben worden sei, beendet werden.
Bieter, deren Rügen als nicht unverzüglich zurückgewiesen werden, sollten vor dem Hintergrund
dieser aktuellen Entscheidung ihre Möglichkeiten prüfen lassen. Den Vergabestellen
ist zu empfehlen, die Zurückweisung einer Rüge, die allein auf den Aspekt, sie sei nicht unverzüglich
erhoben worden, abstellt, bedächtig anzuwenden.
Aus den Leitsätzen und dem Urteil:
EuGH, Urteil vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08
2. Art. 1 Abs. 1 Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG steht einer nationalen Bestimmung wie
der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, auf deren Grundlage ein nationales Gericht
einen Nachprüfungsantrag, der auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften
über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder auf die Erlangung von Schadensersatz wegen
Verstoßes gegen diese Vorschriften gerichtet ist, in Anwendung des nach Ermessen beurteilten
Kriteriums der Unverzüglichkeit der Verfahrenseinleitung wegen Fristversäumnis zurückweisen
kann.*)
3. Die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG in der durch die Dienstleistungsrichtlinie
92/50/EWG geänderten Fassung gebietet dem nationalen Gericht, unter Inanspruchnahme
seines Ermessens die Frist für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Kläger
eine Frist sichergestellt ist, die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die
von der anwendbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu
laufen begonnen hätte, zu dem er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe
öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Sollten die innerstaatlichen
Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung nicht im Einklang mit der
Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG in der durch die Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG geänderten
Fassung ausgelegt werden können, muss das nationale Gericht sie unangewendet
lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang Anwendung findet und die Rechte,
die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden.
EuGH, Urteil vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08
Aus der Urteilsbegründung:
Wie vorstehend in Randnr. 29 in Erinnerung gerufen, müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 1
Abs. 1 der Richtlinie 89/665 sicherstellen, dass die Entscheidungen der Vergabebehörden
wirksam und möglichst rasch überprüft werden können. Zur Erreichung des mit dieser Richtlinie
verfolgten Ziels einer zügigen Behandlung steht es den Mitgliedstaaten frei, Fristen für
die Verfahrenseinleitung vorzuschreiben, mit denen sie die Wirtschaftsteilnehmer zwingen,
Vorbereitungsmaßnahmen oder Zwischenentscheidungen, die in einem Verfahren zur Vergabe
eines öffentlichen Auftrags ergangen sind, innerhalb einer kurzen Frist anzufechten
(vgl. in diesem Sinne Urteile Universale-Bau u. a., Randnrn. 75 bis 79, vom 12. Februar
2004, Grossmann Air Service, C-230/02, Slg. 2004, I-1829, Randnrn. 30 und 36 bis 39, und
vom 11. Oktober 2007, Lämmerzahl, C-241/06, Slg. 2007, I-8415, Randnrn. 50 und 51).
Das mit der Richtlinie 89/665 verfolgte Ziel der zügigen Behandlung muss im nationalen
Recht unter Beachtung der Erfordernisse der Rechtssicherheit verwirklicht werden. Zu diesem
Zweck müssen die Mitgliedstaaten eine Fristenregelung schaffen, die hinreichend genau,
klar und vorhersehbar ist, damit der Einzelne seine Rechte und Pflichten kennen kann
(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland, C-361/88, Slg.
1991, I-2567, Randnr. 24, und vom 7. November 1996, Kommission/Luxemburg, C-221/94,
Slg. 1996, I-5669, Randnr. 22).
Außerdem dürfen die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung des mit der Richtlinie 89/665
angestrebten Ziels der zügigen Behandlung den Effektivitätsgrundsatz nicht außer Acht lassen,
der dem in Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie ausdrücklich erwähnten Ziel der Wirksamkeit
der Nachprüfungsverfahren zugrunde liegt und nach dem die Anwendungsmodalitäten der
nationalen Ausschlussfristen die Ausübung der Rechte, die den Betroffenen vom Gemeinschaftsrecht
verliehen sind, nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.
Eine nationale Bestimmung wie Regulation 47(7)(b) der PCR 2006, nach der die Einleitung
eines Verfahrens nur zulässig ist, wenn "das Verfahren unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb
von drei Monaten ... eingeleitet wird", enthält eine Unsicherheit. Es kann nämlich
nicht ausgeschlossen werden, dass die nationalen Gerichte auf der Grundlage einer solchen
Bestimmung einen Nachprüfungsantrag bereits vor Ablauf der Dreimonatsfrist wegen Fristversäumnis
zurückweisen können, wenn sie der Ansicht sind, dass der Antrag nicht "unverzüglich"
im Sinne dieser Bestimmung gestellt worden sei.
Wie die Generalanwältin in Nr. 69 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine Ausschlussfrist,
deren Dauer in das freie Ermessen des zuständigen Richters gestellt ist, in ihrer Dauer
nicht vorhersehbar. Somit stellt eine nationale Bestimmung, die eine solche Frist vorsieht,
nicht die wirksame Umsetzung der Richtlinie 89/665 sicher.
Nach alledem ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der
Richtlinie 89/665 einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen
entgegensteht, auf deren Grundlage ein nationales Gericht einen Nachprüfungsantrag, der
auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher
Aufträge oder auf die Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften
gerichtet ist, in Anwendung des nach Ermessen beurteilten Kriteriums der Unverzüglichkeit
der Verfahrenseinleitung wegen Fristversäumnis zurückweisen kann.
Zum zweiten Teil der zweiten Frage:
Mit dem zweiten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen
wissen, welche Folgen sich aus der Richtlinie 89/665 für ein Ermessen ergeben, das dem
nationalen Richter im Hinblick auf die Verlängerung der Fristen für die Verfahrenseinleitung
eingeräumt ist.
Innerstaatliche Bestimmungen zur Umsetzung einer Richtlinie müssen von den nationalen
Gerichten so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie
ausgelegt werden, um das in dieser festgelegte Ergebnis zu erreichen (vgl. Urteile vom
10. April 1984, Von Colson und Kamann, 14/83, Slg. 1984, 1891, Randnr. 26, und vom 5.
Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835, Randnr. 113).
Im vorliegenden Fall ist es Aufgabe des nationalen Gerichts, die innerstaatlichen Bestimmungen
über die Ausschlussfrist so weit wie möglich im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie
89/665 auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Februar 2003, Santex, C-327/00,
Slg. 2003, I-1877, Randnr. 63, und Lämmerzahl, Randnr. 62).
Um den in der Antwort auf die erste Frage enthaltenen Anforderungen zu genügen, muss
das mit der Sache befasste nationale Gericht die innerstaatlichen Bestimmungen über die
Frist für die Verfahrenseinleitung so weit wie möglich so auslegen, dass sichergestellt ist,
dass diese Frist erst ab dem Zeitpunkt läuft, zu dem der Kläger von dem Verstoß gegen die
Vorschriften, die auf die Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags anwendbar sind,
Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.
Sollten die betreffenden innerstaatlichen Bestimmungen einer solchen Auslegung nicht zugänglich
sein, ist das nationale Gericht gehalten, unter Gebrauch seines Ermessens die Frist
für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Kläger eine Frist sichergestellt ist,
die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der anwendbaren innerstaatlichen
Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, zu dem
er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis
erlangt hat oder hätte erlangen müssen.
Können die innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung
nicht im Einklang mit der Richtlinie 89/665 ausgelegt werden, muss das nationale Gericht sie
jedenfalls unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang Anwendung
findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden (vgl. in diesem
Sinne Urteile Santex, Randnr. 64, und Lämmerzahl, Randnr. 63).
Somit ist auf den zweiten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass die Richtlinie 89/665
dem nationalen Gericht gebietet, unter Gebrauch seines Ermessens die Frist für die Verfahrenseinleitung
so zu verlängern, dass für den Kläger eine Frist sichergestellt ist, die derjenigen
entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der anwendbaren innerstaatlichen
Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, zu dem er von dem
Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat
oder hätte erlangen müssen. Sollten die innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für
die Verfahrenseinleitung nicht im Einklang mit der Richtlinie 89/665 ausgelegt werden können,
muss das nationale Gericht sie unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in
vollem Umfang Anwendung findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt
werden.
 
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