Messung unterliegt dem Beweisverwertungsverbot
Das OLG Düsseldorf hat am 09.02.2010 entschieden, dass die Vorschriften der §§ 81b, 100h
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 163b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO i.V.m..§ 46 Abs. 1 OWiG als
Ermächtigungsgrundlage für eine Videomessung des (Sicherheits-) Abstandes nach dem
Messverfahren ViBram ausscheiden und eine auf dieser Grundlage durchgeführte Messung dem
Beweisverwertungsverbot unterliegt.
Hier wurde eine Abstandsmessung des Betroffenen mit einer Vibram-Anlage unter Verwendung
einer Videostoppuhr Deininger VSTP mit einer auf der Brücke installierten Übersichtskamera
und einer neben der Fahrbahn installierten Handkamera durchgeführt. Mit der
Übersichtskamera werde der gesamte Verkehr ständig aufgenommen und von einem
Polizeibeamten überwacht. Wenn dieser eine Abstandsunterschreitung erkenne, werde auf die
Handkamera umgeschaltet, die einwandfreie Aufnahmen zur Feststellung des konkreten
Abstands, des Kennzeichens und zur Identifizierung des Fahrers herstelle. Vorliegend soll
der Betroffene den Mindestabstand nicht eingehalten haben.rnDas Amtsgericht hat zunächst
gegen den Betroffenen eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt. Gegen das Urteil hatte
der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und damit auch Erfolg.rnrnNach § 81 b StPO muss
bereits die Beschuldigtenfähigkeit feststehen, bevor die entsprechenden Maßnahmen
durchgeführt werden. Zum Zeitpunkt der eingeleiteten Verkehrsüberwachung ist dies nicht
der Fall.rn§ 163 b Abs. 2 StPO setzt voraus, dass bereits eine Ordnungswidrigkeit vorliegt
und der Betroffene als Zeuge benötigt wird.rnZweifelhaft ist auch die Anwendung des § 100
Abs. 1 Nr. 1 StPO im Bußgeldverfahren, da dieser nach dem Sinn und Zweck der Bekämpfung
von schwer ermittelbarer Kriminalität dienen soll. Außerdem kann § 100 Abs. 1 Nr. 1 StPO
auch nur für Videoaufzeichnungen in Betracht kommen, die zeitlich nach dem Vorliegen eines
Anfangsverdachts ausgelöst werden. Das heißt, dass die Betroffeneneigenschaft eines
Fahrers schon durch konkrete Anhaltspunkte begründet sein muss. Das war vorliegend nicht
der Fall.rnDes weiteren verstößt die Primärüberwachung durch eine ständig mitlaufende
Kamera gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1
Abs. 1 GG eines Betroffenen. Ein Grundrechtseingriff liegt bereits dann vor, wenn
überhaupt ein privater Lebensvorgang erfasst wird, auch wenn er erst durch zusätzliche
Maßnahmen zur weiteren konkreten Individualisierung führt.rnrnSomit wird durch das
Vibram-System eine unzulässige verdachtsunabhängige Videoaufzeichnung durchgeführt, die
erst im Nachhinein zur Feststellung eines Verkehrsverstoßes durch einen konkretisierbaren
Fahrer führt. Damit besteht ein Beweiserhebungsverbot. Im Ergebnis besteht für solche
Beweismittel, die unter Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht gewonnen
worden sind und für deren Erhebung keine gesetzliche Grundlage besteht, ein
Beweisverwertungsverbot.rnrnEiner Verwertung der Messung ist in der Hauptverhandlung
ausdrücklich zu widersprechen.rnrnZusätzlich kann es auch an einem tatbestandsmäßigen
Anknüpfungspunkt für die Auferlegung eines Fahrtenbuchs fehlen, wenn Grundlage der
Anordnung des Fahrtenbuchs zwar ein Abstandsverstoß durch einen nicht zu ermittelnden
Fahrer gewesen ist, aber erheblich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verwertbarkeit
durch das Messsystem gewonnenen Daten bestehen.rnrnOLG Düsseldorf, IV-3 RBs 8/10 2 Ss-OWi
4/10rnrnrnHinweis:rnBitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht
verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob
sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für
diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem
übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die
Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu
allen anfallenden Kosten.rnrnDer Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht,
Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im
Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in
Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel: 030/886 81 505.rn
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