Welches Recht ist innerhalb der Europäischen Union auf internationale schuldrechtliche Verträge anwendbar?
Der Rat der Justizminister der EU hat die Rom I-Verordnung verabschiedet.
Das Europäische Parlament hatte dem Rechtsakt bereits im November 2007 zugestimmt. Die neue Verordnung regelt, welches Recht innerhalb der europäischen Union auf internationale schuldrechtliche Verträge anwendbar ist.
„Mit der Rom I-Verordnung erhalten unsere Bürgerinnen und Bürger im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr mehr Rechtssicherheit.
Künftig richtet sich beispielsweise das auf grenzüberschreitend geschlossene Versicherungsverträge anzuwendende Recht nicht mehr nach einem unübersichtlichen Regelungsgeflecht, sondern einheitlich nach der Rom I-Verordnung. Bei den Verhandlungen in Brüssel ist es uns gelungen, Verbraucherrechte zu sichern und gleichzeitig eine auch für die deutschen kleinen und mittelständischen Unternehmen praktikable und sachgerechte Lösung zu finden. Auf dieses Ergebnis bin ich stolz“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Die Rom I-Verordnung löst in den Mitgliedstaaten der EU das sog. Rom-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 ab.
„Anknüpfend an die Struktur des alten Übereinkommens haben wir bestehende Regelungen modernisiert, um den Veränderungen im Rechts- und Wirtschaftsverkehr Rechnung zu tragen. Im Zeitalter des Internethandels ist es beispielsweise nicht mehr sachgerecht, die Frage des anzuwendenden Rechts davon abhängig zu machen, ob sich ein Verbraucher bei Abschluss eines Kaufvertrages in seinem Heimatstaat befindet oder nicht“, erläuterte Zypries.
Gerade die Regelung für Verbraucherverträge war im vergangenen Jahr zum Zankapfel sowohl unter den Mitgliedstaaten als auch im Europäischen Parlament geworden. „Es waren lange und zähe Verhandlungen. Im Ergebnis konnten wir die deutsche Position durchsetzen“, bilanzierte die Bundesjustizministerin zufrieden.
Die Verordnung regelt vor allem bei den „klassischen“ Sachverhalten des Wirtschaftsverkehrs, die eine Verbindung zu mehreren Rechtsordnungen haben, welche dieser Rechtsordnungen im Einzelfall anzuwenden ist:
Geschäfte zwischen Gewerbetreibenden
Bestellt ein deutscher Unternehmer über eine interaktive Website im Internet bei einem portugiesischen Händler Wein, stellt sich die Frage, ob auf den Kaufvertrag deutsches oder portugiesisches Recht anzuwenden ist.
Die Rom I-Verordnung erlaubt den Vertragspartnern auch künftig, das anzuwendende Recht selbst zu wählen. Machen sie davon keinen Gebrauch, findet das Recht am Ort der Partei Anwendung, die die geschäftstypische Leistung erbringt. Das wäre im vorliegenden Fall die Lieferung des Weins durch den Weinhändler. Portugiesisches Recht käme zur Anwendung.
Verbraucherverträge
Sondervorschriften sieht die Verordnung für die strukturell „schwächere“ Partei vor. Wäre der Käufer im vorgenannten Fall etwa kein deutscher Unternehmer, sondern ein deutscher Verbraucher, hätten die Parteien das anzuwendende Recht zwar auch wählen können. Doch der portugiesische Weinhändler hätte gleichwohl die zwingenden Vorschriften des Verbraucherrechts (hier also des deutschen Rechts) berücksichtigen müssen - beispielsweise Gewährleistungsfristen.
Treffen die Parteien keine Rechtswahl, kommt bei Verbraucherverträgen zudem nicht das Recht des Unternehmers, sondern immer das des Verbrauchers zur Anwendung.
Wie die Regelung für Verbraucherverträge ausgestaltet sein sollte, war bis zum Schluss der Verhandlungen umstritten.
Ursprünglich hatten die Europäische Kommission und ein erheblicher Teil der Mitgliedstaaten gefordert, die Rechtwahlmöglichkeit bei Verbraucherverträgen abzuschaffen. Dies war insbesondere bei Deutschland, Luxemburg und Teilen des Europäischen Parlaments auf Widerstand gestoßen.
„Mir ging es in dieser Frage um einen gerechten Ausgleich der Interessen von Verbrauchern und Unternehmern“, betonte Zypries. „Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben in der Regel keine eigene Rechtsabteilung. Hätten wir in diesem Bereich die Rechtswahlmöglichkeit abgeschafft, wären sie zu sehr belastet worden, weil dann bei jedem Verbrauchervertrag das Heimatrecht des Verbrauchers maßgeblich gewesen wäre. Das hätte bedeutet, dass ein kleines Weingut aus dem Rheingau sich auf 27 und mehr Rechtsordnungen hätte einstellen müssen, wenn es über das Internet seine Weine an Verbraucher verkauft.
Das kann man einem kleinen Unternehmen nicht zumuten. Deshalb soll der Winzer in diesem Fall weiter seine Geschäftsbedingungen zur Grundlage eines Verbrauchervertrags machen können. Aber auch der Verbraucher kommt nicht zu kurz: Seine berechtigten Interessen schützen wir, weil in jedem Fall die „zwingenden“ Vorschriften seines Heimatrechts zu seinen Gunsten gelten. Außerdem wird der Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes in der Verordnung ohnehin schon ausgebaut.
Früher wurde der Verbraucher nur bei Warenkauf- und Dienstleistungsverträgen sowie darauf bezogenen Kreditverträgen geschützt. Künftig gelten die verbraucherschützenden Vorschriften für alle Verbraucherverträge“, unterstrich Zypries.
Rom I ist die zweite Verordnung, die auf Gemeinschaftsebene einheitliche Vorschriften zum anwendbaren Recht vorsieht. Unter deutscher Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 war bereits Rom II (Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) verabschiedet worden.
Die heute verabschiedete Rom I-Verordnung wird 18 Monate nach ihrer Verabschiedung - also im Dezember 2009 - wirksam. Dann gilt die Verordnung in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar mit Ausnahme von Dänemark, das aufgrund einer Sonderregelung im EG-Vertrag nicht an Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen teilnimmt.
Demgegenüber darf das Vereinigte Königreich aufgrund eines Zusatzprotokolls zum EG-Vertrag noch über seine Teilnahme entscheiden.
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