Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes 2009
(Stuttgart) Ein mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründeter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Steuerbescheids ist abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt, ohne dass es einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bedarf.
Das, so der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. (DANSEF) mit Sitz in Stuttgart, hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem am 14.04..2010 veröffentlichten Beschluss vom 1. April 2010, Az.: II B 168/09, entschieden.
Der Kläger erhielt in dem Fall am 5. Januar 2009 von seinem Bruder 25.000 € geschenkt. Das Finanzamt setzte für diesen Erwerb unter Berücksichtigung eines Vorerwerbs von 143.560 € aus dem Jahr 2008 durch Bescheid vom 20. April 2009 gegen den Kläger Schenkungsteuer in Höhe von 4.590 € fest. Er wandte dabei den in § 16 Abs. 1 Nr. 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 für den Erwerb der Personen der Steuerklasse II (vgl. § 15 Abs. 1 ErbStG) vorgesehenen Freibetrag von 20.000 € und den in § 19 Abs. 1 ErbStG bestimmten Steuersatz von 30 % an. Das Finanzgericht (FG) hat über die Sprungklage gegen den Bescheid noch nicht entschieden.
Den Antrag des Klägers, die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids auszusetzen, weil ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG bestünden, lehnten das Finanzamt und das Finanzgericht ab.
Zu Recht, wie der Bundesfinanzhof nun betonte, so Passau.
An der Rechtsprechung, wonach AdV bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift, die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegt, nur bei Vorliegen eines (besonderen) berechtigten Aussetzungsinteresses des Steuerpflichtigen zu gewähren ist, sei entgegen der Auffassung des Klägers jedenfalls unter den Umständen des Streitfalls festzuhalten. Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes sei dann der Vorrang einzuräumen, wenn die AdV eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führte, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaft nachteiligen Wirkungen hat. Der dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen vom BFH für bestimmte Fallgruppen eingeräumte Vorrang vor den öffentlichen Interessen lasse genügend Spielraum für eine sachgerechte, dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) entsprechende Beurteilung des Einzelfalles.
Die beantragte AdV sei danach abzulehnen. Weder dem Vorbringen des Klägers noch dem sonstigen Akteninhalt lässt sich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Klägers an der Gewährung von AdV entnehmen. Da die festgesetzte Steuer von 4.590 € lediglich knapp 20 % des dem Kläger zugewendeten Geldbetrags betrage, sei dem Kläger die (vorläufige) Entrichtung der Steuer ohne weiteres zumutbar. Bereits dies schließe die Gewährung von AdV aus.
Auf die Frage, ob das ErbStG in der gegenwärtig geltenden Fassung verfassungsgemäß ist, ist der BFH deshalb nicht eingegangen. Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind jedoch derzeit gleich drei Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuerreformgesetzes 2009 anhängig (Az.: 1 BvR 3198/09, 1 BvR 3197/09 und 1 BvR 3196/09). Passau empfiehlt daher, Bescheide aus Erb- und Schenkungsteuerfällen ab 2009 durch einen Einspruch offen zu halten, bis die Bescheide dann nur noch vorläufig festgesetzt werden.
Passau empfahl, dies zu beachten und ggfs. rechtlichen oder steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf die DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V - www.dansef.de - verwies.
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Jörg Passau
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DANSEF Vizepräsident
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