Haftung von Geschäftsführern
von Rechtsanwalt Stefan Engelhardt, Hamburg
In den letzten Jahren hat die Anzahl der Prozesse, mit denen Geschäftsführer in Regress genommen werden, drastisch zugenommen. Glaubten vor vielen Jahren Geschäftsführer noch, quasi unantastbar zu sein, so mussten sie feststellen, dass dies bei weitem nicht so ist. Hier ein kurzer Abriss der Voraussetzungen für eine eventuelle Geschäftsführerhaftung.
I. Voraussetzungen
Die Bestellung eines Geschäftsführers ist zunächst die Voraussetzung für die Eintragung in das Handelsregister. Die Bestellung erfolgt entweder bereits im Gesellschaftsvertrag oder aber durch gesonderten Beschluss.
Die Organstellung per se kann dem Geschäftsführer jederzeit entzogen werden, vergleiche § 38 GmbH-Gesetz (GmbHG).
Im Gegensatz hierzu unterliegt der Anstellungsvertrag dem Dienstvertragsrecht und kann nur mit einem entsprechenden Kündigungsgrund gekündigt werden.
Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Bei mehreren Geschäftsführern wird die Gesellschaft gemeinschaftlich geleitet, es gilt der Grundsatz der sogenannten Allzuständigkeit.
Eine Haftung des Geschäftsführers kommt in Betracht gegenüber
-der Gesellschaft, sogenannte Innenhaftung
-den Gesellschaftern
-Dritten, sogenannte Außenhaftung
-öffentlich-rechtlichen Körperschaften.
II. Haftung gegenüber der Gesellschaft (sogenannte Innenhaftung)
Zu betonen ist hier die Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, also die Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft.
Der Verstoß gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG betrifft eine verbotene Rückzahlung aus dem Stammkapital, die Haftung gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG Zahlungen nach Eintritt der Überschuldung beziehungsweise Zahlungsunfähigkeit.
1. Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG
Der Geschäftsführer muss durch positives Tun oder Unterlassen eine organschaftliche Pflicht, die ihm persönlich gegenüber der Gesellschaft obliegt, verletzt haben.
Er schuldet dabei die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat.
Die Pflichtverletzung muss weiterhin einen Schaden bei der Gesellschaft verursacht haben und der Geschäftsführer muss schuldhaft gehandelt haben. Maßstab ist hier wiederum die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns.
2. Die Pflicht zur Unternehmensleitung
Dem Geschäftsführer obliegt
-das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis,
-die Planung der Unternehmenspolitik und die Beratung der Gesellschafter,
-die Umsetzung der Grundsätze der Unternehmenspolitik, die von den Gesellschaftern aufgestellt werden,
-die Ausrichtung der internen Organisation des Unternehmens nach Gesetz und Satzung,
-bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung die Insolvenzantragspflicht spätestens innerhalb von drei Wochen. Zu beachten ist, dass die verfrühte Antragstellung einen Verstoß gegen die ordnungsgemäße Unternehmensleitung begründen kann, wenn der Geschäftsführer die Dreiwochenfrist nicht für aussichtsreiche Sanierungsbemühungen nutzt.
Mehrere Geschäftsführer haben eine sogenannte Gesamtverantwortung. Bei klarer und schriftlich fixierter Ressortverteilung ist die Überwachungspflicht zwar gemindert aber nicht aufgehoben.
Der Geschäftsführer hat bei unternehmerischen Entscheidungen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Eine Haftung entfällt demnach nur,
-wenn der Geschäftsführer die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt,
-wenn er sich ausschließlich am Unternehmenswohl orientiert,
-wenn er die Risikobereitschaft nicht überspannt. Gewagte Geschäfte sind bei Überschreitung des erlaubten Risikos sorgfaltswidrig. Je höher die Schadenswahrscheinlichkeit ist, desto gründlicher hat die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten zu erfolgen;
-wenn er seine Entscheidung im vollen Verantwortungsbewusstsein getroffen hat,
-wenn das Handeln nicht aus anderen Gründen pflichtwidrig ist.
3. Die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung aus § 49 Abs. 3 GmbHG
Der Geschäftsführer ist nach dieser Vorschrift verpflichtet, die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Verlauf des Jahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Diese Vorschrift ist nach der Auffassung des BGH jedoch nicht nach ihrem Wortlauf zu verstehen. Der Geschäftsführer hat sich bereits bei krisenhafter Entwicklung durch Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus einen Überblick zu verschaffen. Um eine Krise erkennen zu können, muss der Geschäftsführer dafür sorgen, dass ihm jederzeit ein Überblick über die Vermögenssituation der GmbH möglich ist.
Der Grad eines Schadens kann zum Beispiel darin bestehen, dass eine Insolvenz bei rechtzeitiger Einberufung noch hätte abgewendet werden können.
4. Schutz des Stammkapitals
§ 43 Abs. 3 GmbHG enthält zum Schutz des Stammkapitals eine verschärfte Haftung des Geschäftsführers.
Der Geschäftsführer haftet der Gesellschaft für den Fall, dass er entgegen § 30 GmbHG Zahlungen an die Gesellschaft aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen leistet. Um beurteilen zu können, ob er den Gesellschaftern Leistungen erbringen darf, muss der Geschäftsführer zunächst den Wert des vorhandenen Vermögens kennen, um daran messen zu können, ob die Leistung das Stammkapital mindert.
Eine Weisung entlastet den Geschäftsführer dabei nicht.
Einer verbotenen Zahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen steht die Rückzahlung von nachrangigen Gesellschafterdarlehen gleich.
§§ 30, 31 GmbHG sind insoweit analog auf eigenkapitalersetzende Darlehen anzuwenden.
5. Die Haftung gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG
Nach § 64 Abs. 2 GmbHG haftet der Geschäftsführer für Zahlungen, die er nach dem Eintritt der Insolvenzreife noch vornimmt. Dieser Anspruch dient primär dem Schutz der Gläubiger.
Zunächst muss die Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung vorliegen. „Zahlungen“ im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG sind weit zu verstehen. Über den Wortlaut der Vorschrift erstreckt sich die Bestimmung auf alle die Masse schmälernden Maßnahmen, also auch auf Dienstleistungen und Warenlieferungen. Beispiele aus der Rechtsprechung sind Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen an die Sozialversicherung und die Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt nach Eintritt der Insolvenzreife.
Weitere Voraussetzung für eine Haftung ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehungsweise dessen Abweisung mangels Masse.
Erlaubte Zahlungen, die nicht zu einer Haftung gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG führen, sind Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu vereinbaren sind, also Zahlungen, die nicht zu einer Schmälerung der Masse führen, beispielsweise bei Erhalt einer vollwertigen Gegenleistung oder Zahlungen, die erforderlich sind, um den sofortigen Zusammenbruch des Unternehmens zu vermeiden, wie zum Beispiel die Zahlung von Strom- oder Telefonkosten.
Voraussetzung einer Haftung ist natürlich weiterhin das Verschulden. Steht fest, dass der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt ist, so wird das Verschulden des Geschäftsführers widerlegbar vermutet!
Einfache Fahrlässigkeit reicht nach herrschender Meinung hierfür nicht aus. Zur Entlastung muss der Geschäftsführer die Nichtkenntnis und Nichterkennbarkeit der finanziellen Lage, trotz entsprechender organisatorischer Überwachung, vortragen.
Der Geschäftsführer kann sich nicht darauf berufen, ihm seien Kontrollmöglichkeiten vorenthalten worden. Er muss in einem solchen Fall notfalls sein Amt niederlegen.
III. Haftung gegenüber den Gesellschaftern
Den Geschäftsführer trifft keine organschaftliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung gegenüber den Gesellschaftern. Sonstige organschaftliche Pflichten sind zum Beispiel die Pflicht, ein Bankkonto zu nennen, auf das der Gesellschafter seine Einlage mit befreiender Wirkung leisten kann, weiterhin ist es seine Pflicht, Auskunft zu erteilen oder beispielsweise keine Zahlungen entgegen § 30 GmbHG vorzunehmen.
Eine Verletzung dieser Pflichten kann Schadenersatzansprüche begründen. Beispiel ist hier der Fall, in dem ein Gesellschafter aufgrund einer schuldhaft falschen Auskunft des Geschäftsführers seinen Geschäftsanteil unter Wert veräußert.
Ansprüche der Gesellschaft kommen auch in Betracht, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern gegenüber unerlaubte Handlungen begeht. Hier kommen insbesondere Schutzgesetzverletzungen gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, also insbesondere Betrug, Untreue etc.
IV. Haftung gegenüber Dritten
Grundsätzlich steht der Vertragspartner nur mit der Gesellschaft in vertraglicher Beziehung, so dass er Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis auch nur gegenüber der Gesellschaft geltend machen kann.
Ausnahme ist die sogenannte Rechtsscheinhaftung. Der Geschäftsführer legt hier bei Abschluss von Verträgen nicht offen, dass er für eine Kapitalgesellschaft handelt.
Ausnahme ist auch das Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Grundsätzlich kommt hier nur eine Haftung der Gesellschaft in Betracht, jedoch könnte bei einem wirtschaftlichen Eigeninteresse des Geschäftsführers dies auch anders entschieden werden.
Bei der sogenannten Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens geht die Rechtsprechung von einer garantieähnlichen Erklärung des Geschäftsführers aus, so dass hier eine persönliche Haftung entstehen kann.
Daneben haftet der Geschäftsführer aus deliktischen Vorschriften für die schuldhafte Verletzung von Rechtsgütern Dritter.
1. Haftung aus § 826 BGB
Trifft den Geschäftführer als Organ der Gesellschaft eine Offenbarungspflicht und erfüllt er diese nicht, so kann ein Haftung wegen sittenwidriger Schädigung in Betracht kommen.
Beispiel ist ein Geschäftsführer, der Ware bestellt, dabei aber bereits davon Kenntnis hatte, dass die GmbH seit mehreren Monaten konkursreif war. Liefert der Kläger nun Ware im Wert von beispielsweise € 100.000,00, so entsteht ein entsprechender Regressanspruch gegenüber dem Geschäftsführer.
2. Verletzung von Schutzgesetzen gemäß § 823 Abs. 2 BGB
Als Schutzgesetze, deren Verletzung zu einer Schadenersatzpflicht führt, kommen Normen in Betracht, die den Einzelnen oder bestimmte Personenkreise vor der Verletzung des Rechtsguts schützen sollen.
Dies sind beispielsweise Betrug, Untreue oder die Nichtabführung von Beiträgen.
Die Verletzung des § 64 Abs. 1 GmbHG (Insolvenzantragspflicht) wird ebenfalls als eine Verletzung von Schutzgesetzen angesehen. Der Schaden liegt in der Regel darin, dass sich die Insolvenzquote der GmbH weiter mindert.
3. Öffentlich-rechtliche Pflichten des Geschäftsführers
Der Geschäftsführer ist gemäß § 34 AO verpflichtet, die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen. Gemäß § 69 S. 1 AO haftet der Geschäftsführer persönlich, soweit Steuern grob fahrlässig oder vorsätzlich nicht abgeführt werden.
Hauptanwendungsfall ist die Nichtabführung von Lohn und Umsatzsteuer.
Im Rahmen einer Geschäftsverteilung trifft die Haftung nach § 69 AO grundsätzlich nur den für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zuständigen Geschäftsführer. Der Geschäftsführer haftet jedoch nicht für Fehlverhalten eines nachgeordneten Mitarbeiters, sofern er ihn sorgfältig ausgewählt, eingewiesen und überwacht hat.
In der Krise der Gesellschaft ist der Geschäftsführer aber verpflichtet, sich persönlich um die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu kümmern.
Der Geschäftsführer kann die Erledigung seiner steuerlichen Pflichten auf einen Berater übertragen, meist ist dies der Steuerberater. Dieser Berater ist allerdings sorgfältig auszuwählen, mit den notwendigen Unterlagen zu versehen und zu überwachen, um eine persönlich Haftung des Geschäftsführers zu vermeiden.
Ist dies geschehen, so entfällt eine Haftung des Geschäftsführers, wenn er keinen Anlass hatte, an der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu zweifeln.
Die Lohnsteuer bildet hier einen Sonderfall. Die Rechtsprechung stellt besonders weitgehende Anforderungen an den Geschäftsführer bei der Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer.
Gemäß §§ 38 Abs. 3, 41 a EStG ist die Lohnsteuer als wirtschaftlich fremdes Geld zu betrachten, das der Geschäftsführer nicht sach- und zweckwidrig verwenden darf.
Bei der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist zu beachten, dass der Arbeitgeberanteil eine eigene Schuld des Arbeitgebers darstellt. Aus diesem Grund haftet der Geschäftsführer auch nicht persönlich für dessen Abführung.
Hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils gilt, dass Arbeitnehmeranteile unberechtigt vorenthalten sind, wenn der Arbeitgeber, also die GmbH, den Arbeitnehmeranteil nicht an den Sozialversicherungsträger weitergeleitet hat.
Wird der Arbeitnehmeranteil nicht abgeführt, so macht sich der Geschäftsführer gemäß § 266 a StGB strafbar. Da § 266 a StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt, haftet der Geschäftsführer persönlich für die Nichtabführung.
Diese Haftung setzt mindestens bedingten Vorsatz voraus, so dass eine Haftung nicht zuständiger Mitgeschäftsführer unter dem Gesichtspunkt der Gesamtverantwortung nicht in Betracht kommt.
Auch eine Delegation auf nachgeordnete Mitarbeiter beziehungsweise einen Steuerberater entlastet den Geschäftsführer, sofern er diese sorgfältig ausgesucht und überwacht hat.
Besonders hohe Anforderungen werden von der Rechtsprechung an den Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft gestellt. Verlangt wird hier teilweise sogar, dass der Geschäftsführer die Abführung persönlich vornimmt.
Insbesondere in der Unternehmenskrise stehen Geschäftsführer einer Vielzahl von Verpflichtungen gegenüber, die überwiegend strafrechtlich sanktioniert sind. Dies sind beispielsweise
-Verletzung der Verlustanzeigepflicht, § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG
-Verletzung der Insolvenzantragspflicht, § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG
-Insolvenzstraftaten, §§ 283 – 283 c StGB
-Bilanzfälschung, § 331 HGB
-Verstoß gegen Steuervorschriften, § 370 Abgabenordnung
-Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung, § 266 a StGB
-Sonstige Straftaten
o Betrug § 263 StGB
o Unterschlagung § 246 StGB
o Untreue § 266 StGB
o Subventionsbetrug § 264 StGB
o Wettbewerbsbeschränkende Abreden § 298 StGB
o Bestechung § 299 StGB
Geschäftsführern bleibt danach zur raten, im Zweifel anwaltlichen und steuerlichen Rat zu suchen, um nicht persönlich in Regress genommen zu werden.
Der Autor ist Mitglied und Landesregionalleiter „Hamburg“ der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung
Stefan Engelhardt
Rechtsanwalt
Lehrbeauftragter für Arbeitsrecht
RWWD Hamburg
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